Qualifizierung für einen neuen Job:Crashkurs statt Berufsausbildung

Umschulungen sind für die Arbeitsämter teuer und dauern lange. In Nordrhein-Westfalen setzen die Berufsberater verstärkt auf "Mini-Weiterbildungen".

Anette Sydow

(SZ, NRW vom 30.1.2003) Als sie ihre Stelle beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk verlor, entschied sich die Düsseldorfer Redakteurin für eine Umschulung zur Sprachtherapeutin. Denn die Aussichten auf einen neuen Job in den Medien waren nicht eben rosig. Doch der zuständigen Berater beim Arbeitsamt musste die junge Frau enttäuschen. Das Amt werde die Kosten für die Umschulung nicht übernehmen. "Als Logopädin stehen Ihre Chancen auch nicht besser", so der Kommentar.

Es wird gespart

Solche Auskünfte bekommen Jobsuchende in den nordrhein-westfälischen Arbeitsämtern derzeit häufig zu hören. Trotz Rezession und hohen Arbeitslosenzahlen haben die Arbeitsämter im Land seit dem vergangenen Jahr die Weiterbildungsleistungen für Jobsuchende gekürzt. Ihr Chef Florian Gerster hat angekündigt, die Arbeitsämter sollten künftig nicht mehr von Zuweisungen des Bundes abhängig sein und ihren Haushalt selbst ausgleichen können.

An allen Enden muss gespart werden. Besonders gut eignet sich dafür der Bereich der Weiterbildung, zu dem auch die Umschulungen gehören. Neben dem Arbeitslosengeld ist die Weiterbildung der größte Ausgabenposten im Haushalt der meisten Arbeitsämter. Im November 2001 gaben die Ämter in NRW noch 84,5 Millionen Euro für Umschulungen und andere weiterbildende Kurse aus. 2002 waren es dagegen nur noch 64,5 Millionen Euro, also fast ein Viertel weniger.

Kurz und passgenau

Wer die Kosten beschneiden will, der muss auch das Angebot kürzen. "Der Trend in den Arbeitsämtern geht weg von langwierigen Umschulungen, hin zu kurzen, passgenauen Maßnahmen", sagt Werner Marquis, Sprecher des Landesarbeitsamtes NRW.

Was Marquis mit schönen Worten umschreibt, heißt für die Arbeitssuchenden konkret, dass sie nur noch selten die Chance bekommen, im Fall der Langzeitarbeitslosigkeit einen neuen Job zu erlernen. "Die Berater in den Ämtern sind tatsächlich sehr zurückhaltend geworden, wenn es darum geht, jemanden komplett umzuschulen", so Marquis.

Die genaue Zahl der Umschüler in NRW wird nicht zentral erfasst. Denn jedes Amt legt individuell fest, wie es sein Budget auf Umschulung, Fremdsprachen- oder Computerkurse aufteilen will.

Vielerorts gibt es jedoch Anzeichen, dass die Umschulung eine aussterbende Gattung der Qualifizierung ist. Im Arbeitsamt Brühl etwa, das die Landkreise Erftkreis und Euskirchen betreut, "zeichnet sich klar ab, dass es viel weniger Umschulungen gibt als noch vor ein paar Jahren", sagt Sprecherin Monika Becker. Ähnliches berichtet auch Dieter Schwens, der beim Arbeitsamt in Essen die Qualifizierungsmaßnahmen steuert: "Bei uns sind heute nur noch ein Drittel der Weiterbildungskurse Umschulungen, der Rest sind Aufbaukurse."

Am Markt vorbei

Der Trend, Arbeitslose mit zweiwöchigen Computerkursen oder einem speziellen Führerschein wieder fit für den ersten Arbeitsmarkt zu machen, werde sich noch weiter zuspitzen, erwartet er. Denn wer vom Arbeitsamt eine komplett neue Berufsausbildung finanziert bekommt, etwa von der Friseurin zur Bürokauffrau, braucht dafür mindestens zwei Jahre. Während dieser Zeit zahlt das Arbeitsamt zum einen die Kosten der Ausbildung an einem privaten Erwachsenenbildungsinstitut, zum anderen den Lebensunterhalt für den Umschüler.

Ein weiterer Nachteil: Die teuren Kurse sind seltener, als die Arbeitsämter es sich wünschen, von Erfolg gekrönt. Häufig laufen solche Kurse an den Anforderungen des Marktes vorbei, sagt Landesarbeitsamtssprecher Marquis. So wie im Fall der zahlreichen Akademiker, die vor zwei Jahren, während der Boom- Phase der Internetfirmen, von den Ämtern zu Informatikern umgeschult wurden: Heute schließen sie ihre Zusatzausbildung ab - und stehen wieder auf der Straße. "Das Problem bei einer Umschulung ist die Zeitverzögerung", sagt Marquis. "Wer weiß schon heute genau, welche Fachkräfte in zwei Jahren rar sind?".

Die Umschulungen sollen daher zur Ausnahme werden und nur noch in Einzelfällen - zum Beispiel bei Berufsunfähigkeit - genehmigt werden. "Anspruch auf eine Umschulung hat generell nur jemand, der vier Jahre lang keine Stelle mehr in seinem Beruf bekommen hat oder keinen Berufsabschluss vorweisen kann", sagt Ingo Zielonkowsky vom Referat berufliche Qualifizierung beim Landesarbeitsamt.

Allerdings werde mittlerweile auch solchen Jobsuchenden nur noch selten ein Antrag gewährt. "Wann eine Umschulung Sinn hat, entscheidet der zuständige Berater", sagt Zielonkowsky. Vergleichsweise größere Chancen hätten - ganz im Sinne des Hartz-Konzepts - solche Arbeitslose, die nach der Umschulung auch zum Umzug in eine andere Stadt bereit seien.

Zum Regelfall sollen in Zukunft Mini-Weiterbildungen werden: zwei Wochen Excel- Schulung oder eine Woche Business-Englisch. "Modul-Schulungen" nennen Arbeitsämter die vergleichsweise preiswerten Fremdsprachen-, Buchhaltungs- oder Rhetorikkurse.

In der Statistik der Arbeitsämter stieg die Zahl der Teilnehmer an solchen Qualifizierungsmaßnahmen von November 2001 bis November 2002 trotz des gesunkenen finanziellen Aufwands um 6.000 auf 62.470.

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