Prozess am Bundesarbeitsgericht:Gewichte werfen gehört nicht zum Job

Reifenwechsel, Kfz-Werkstatt

Wenn ein Kfz-Azubi ein Auswuchtgewicht durch den Raum wirft, ist das keine betriebliche Tätigkeit - so die Richter.

(Foto: lok)
  • Das Bundesarbeitsgericht hat einen ehemaligen Kfz-Azubi zu Schadensersatz- und Schmerzensgeldzahlungen verurteilt.
  • Der Azubi hatte einen Kollegen bei der Arbeit mit einem Auswuchtgewicht am Auge schwer verletzt, vor Gericht jedoch argumentiert, das Herumwerfen des Gewichtes wäre Teil seiner betrieblichen Tätigkeit gewesen.

Von Dorothea Grass

Der Fall

Am Morgen des 24. Februar 2011 gehen zwei Azubis in einem Kfz-Handelsbetrieb ihrer Arbeit nach. Einer von beiden ist an der Wuchtmaschine beschäftigt, einem Gerät, das Unwuchten aus Autorädern beseitigt, indem man kleine Gewichte aus Metall anbringt oder entfernt. Nachdem er ein etwa zehn Gramm schweres Aluminiumgewicht von einem Rad genommen hat, wirft er es wortlos hinter sich. Am anderen Ende des Raumes steht der andere Lehrling - und wird von dem Metallteil am Auge getroffen. Verletzungen an Hornhaut sowie am Oberlidrand sind die Folge, der junge Mann muss ins Krankenhaus. Dort wird er operiert und bekommt eine Kunstlinse ins linke Auge eingesetzt. Aufgrund der Hornhautnarbe wird sein Sehvermögen beeinträchtigt bleiben.

Die Streitfrage

Die Berufsgenossenschaft Holz und Metall zahlt dem verletzten Kläger eine monatliche Rente von 204,40 Euro. Er fordert zusätzlich ein Schmerzensgeld von der Haftpflichtversicherung des Beklagten sowie Schadensersatz - auch für mögliche Folgeschäden des Unfalls.

So argumentieren Kläger und Angeklagter

Der Kläger verweist darauf, dass ihm aufgrund der Verletzung eine fortschreitende Sehverschlechterung und weitere schmerzhafte Eingriffe am Auge drohen. Dass er mit dem Wurf des Gewichtes jemanden habe verletzen können, hätte der Beklagte wissen müssen.

Der Werfer hingegen verteidigt sich mit der Aussage, dass es in der Werkstatt üblich gewesen sei, Wuchtgewichte nach dem Entfernen fallen zu lassen bzw. neben oder hinter sich zu werfen, da sie am Abend mit anderem Abfall zusammengekehrt und entsorgt würden. Vor diesem Hintergrund handele es sich um einen betrieblichen Vorgang, er selbst sei dafür nach §§105, 106 SGB VII nicht haftbar. Darüber hinaus habe er den anderen Azubi in seinem Rücken nicht wahrgenommen - und daher auch nicht damit gerechnet, dass er eine Person treffen oder gar verletzen könnte.

Das Urteil

Die Richter des Erfurter Bundesarbeitsgerichts geben in ihrem Urteil den Vorinstanzen recht. Das Handeln des werfenden Azubis sei nicht Teil einer "betrieblichen Tätigkeit", sondern als "fahrlässig" einzustufen. Wörtlich hieß es in dem vorinstanzlichen Urteil aus Frankfurt: "Das Herumwerfen von Wuchtgewichten in einem Arbeitsraum, in dem andere Menschen anwesend sind bzw. mit ihrer Anwesenheit zu rechnen ist, entspricht nach der Auffassung der Kammer in keiner Weise dem Maß an Umsicht und Sorgfalt, das ein gewissenhafter Auszubildender im Kfz-Gewerbe zu beachten hat."

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil aus Frankfurt haben die Richter am BAG abgelehnt. Der Werfer des Metallgewichtes muss seinem ehemaligen Mit-Azubi Schmerzensgeld in Höhe von 25 000 Euro zahlen. Der Beklagte muss darüber hinaus für Folgeschäden aufkommen ("Feststellung der Schadensersatzpflicht").

Das sagt der Arbeitsrechtexperte

Der Düsseldorfer Anwalt für Arbeitsrecht, Daniel Hautumm, erklärt die Entscheidung aus Erfurt: "Das Bundesarbeitsgericht folgt mit seinem Urteil den Vorinstanzen. Das Herumwerfen von Gegenständen ist keine betriebliche Tätigkeit, wie es der Beklagte reklamiert hat. Sein Handeln war weder dem betrieblichen Zwecke dienlich noch förderlich. Der Haftungsauschluss aus dem Sozialversicherungsrecht ist somit nicht gegeben und das bedeutet, der Werfer muss sich für sein Tun selbst verantworten. Wenn er haftpflichtversichert ist, wird vermutlich - wie bei Schäden nach fahrlässigem Handeln üblich - die Versicherung für die Forderungen aufkommen."

Der SZ.de-Arbeitsrechtexperte
Daniel Hautumm
Daniel Hautumm, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt Daniel Hautumm ist Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Düsseldorf. Nachdem er zunächst für eine internationale Großkanzlei auf Arbeitgeberseite tätig war, vertritt er nun sowohl Arbeitnehmer als auch kleinere Unternehmen. Sein Spezialgebiet sind Kündigungsschutzprozesse. Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite von Daniel Hautumm.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: