Pro und Contra Frauenquote:Weckruf oder fatales Signal?

Große Konzerne wehren sich gegen eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote. Sie versuchen, ihr mit einer Selbstverpflichtung entgegenzuwirken. Aber reicht das? Oder bewirkt erst massiver Druck aus der Politik ein Umdenken in den männlich dominierten Chefetagen? Unsere Autoren sind da unterschiedlicher Meinung.

Thomas Öchsner und Karl-Heinz Büschemann

Ohne geht es nicht - Pro Frauenquote

Treffen Bundesregierung mit DAX-Unternehmen

Die Frau, der diese rot berockten Beine gehören, hat es schon in eine Führungsposition geschafft: Familienministerin Kristina Schröder.

(Foto: dapd)

Der erste Weckruf hat gewirkt. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen musste nur mit einer gesetzliche Frauenquote von 30 Prozent drohen, und Familienministerin Kristina Schröder flexible Quoten ankündigen, schon gibt es auf einmal Fortschritte.

Ein gutes halbes Jahr später haben sich fast alle 30 Konzerne im Deutschen Aktienindex (Dax) verpflichtet, ihren Frauenanteil in der Führungsetage zu erhöhen. Ihre Aufsichtsräte wurden zuvor schon weiblicher: Fast 40 Prozent der neu gewählten Aufseher auf der Kapitalseite sind 2011 Frauen.

Wenn die Politiker ihre Folterwerkzeuge herzeigen, bewegt sich also etwas. Damit das so bleibt und der weibliche Anteil auch in den Vorständen deutlich steigt, ist eine staatlich vorgeschriebene Frauenquote nötig.

Was die Dax-Konzerne an diesem Montag vorgelegt haben, ist immer noch dürftig: Gewiss, wenigstens einige wollen den Frauenanteil in Führungspositionen bereits 2015 auf 30 Prozent erhöhen. Die Gretchenfrage aber, wie sie es mit den Vorständen und Aufsichtsräten halten wollen, haben sie nicht beantwortet. Und das ist schon eine bemerkenswerte Form von Ignoranz.

Von der Leyen hat Recht. Ein Kulturwandel muss gerade in der Spitze sichtbar werden. Sonst lautet das Signal an alle talentierten Frauen im In- und Ausland: Du darfst mitarbeiten, aber für eine Karriere gehst du besser woanders hin.

Nicht nur Witwen an die Konzernspitzen

Genau dieses Signal senden die deutschen Top-Konzerne allerdings weiter aus: Nur 3,7 Prozent der Vorstandsmitglieder sind Frauen. International hinkt Deutschland damit weit hinterher.

Nun kann man die Ansicht vertreten, qualifizierte Frauen setzen sich durch und können auch ganz oben landen. Es ist jedoch ein Trugschluss zu glauben, solche Besetzungsverfahren liefen fair und völlig rational ab. Tatsächlich wird ohne klare Vorgaben die männliche Monokultur in den Top-Etagen nicht aufgebrochen.

Sitzt ein Mann ganz oben und glaubt vieles richtig zu machen, wählt er im Zweifelsfall (unbewusst) jemand aus, der ihm ähnlich ist, also wieder einen Mann. Das benachteiligt nicht nur Frauen, es ist auch ökonomisch schädlich. Schließlich gehört es längst zu den Binsenweisheiten des Managements, dass gemischte Teams mit Frauen, die einen anderen Blick auf die Dinge haben, erfolgreicher sind.

Außerdem kann ein Land, das auf einen Fachkräftemangel zusteuert, es sich auf Dauer nicht leisten, der Hälfte der Talente den Aufstieg an die Spitze so schwer zu machen.

Liz Mohn, Friede Springer und Johanna Quandt gehören zu den bedeutendsten Frauen der deutschen Wirtschaft. Sie selbst schafften es zu Führungsfiguren bei Bertelsmann, im Springer-Verlag und im Quandt-Imperium zu werden. Dass sie die Chance überhaupt hatten, verdanken sie aber dem Tod ihrer Gatten.

Damit es in Zukunft mehr solche Frauen gibt, ist eine gesetzliche Quote nötig, zumindest vorübergehend. Über Details lässt sich reden. Irgendwann macht sich eine solche Regel ohnehin selbst überflüssig.

Thomas Öchsner

Panische Rekrutierung - Contra Frauenquote

Über die sogenannte "Wirtschaft" werden viele Legenden verbreitet. Zum Beispiel die, dass die grauhaarigen und fetten Herren in den Chefetagen von Frauen unbehelligt bleiben wollen, um weiter Zoten reißen und Zigarren rauchen zu können.

Ein Blick in die Statistik scheint diese Klein-Erna-Sicht sogar noch zu bestätigen. Nur neun von 190 Vorstandspositionen in Dax-Konzernen sind von Frauen besetzt. Wo offenbar finstere Mächte am Werke sind, die fähige Frauen von Spitzenjobs fernhalten, kann nur eine Quote helfen, ein vom Gesetz vorgegebener Prozentsatz für den Anteil von Frauen in Führungsfunktionen.

Das schlägt die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen vor. Die kämpferische CDU-Politikerin wäre aber glaubwürdiger, wenn es in ihrem Ministerium als Staatssekretäre nicht ausschließlich drei Männer gäbe.

Sie wird aber Gründe haben, diese Herren zu beschäftigen. Offenbar ist sie von den Fähigkeiten ihrer engsten Mitarbeiter überzeugt. So ist es auch in großen und kleinen Unternehmen, die ihre Personalentwicklung inzwischen deutlich professionalisiert haben.

Die Unternehmen gehen heute bei der Beurteilung von Führungskräften mehr nach den Fähigkeiten der Kandidaten als je zuvor und nicht nach dem Geschlecht. Ja, es gab in vergangenen Zeiten eine bornierte Sicht von Chefs, die sich als Mitarbeiter nur Männer vorstellen konnten. Es mag sie in Einzelfällen noch immer geben.

Neuerdings aber sind große wie kleine Firmen fast panisch dabei, frei werdende Jobs mit Frauen zu besetzen. Headhunter können gar nicht so viele geeignete weibliche Kandidaten anschleppen, wie sie für Vorstände und Aufsichtsräte gesucht werden.

Frauen werden sich quälen müssen

Es gibt aber nicht genügend weibliche Kandidaten. Die herrschende Frauen-Panik birgt sogar die Gefahr, dass in nächster Zeit verstärkt ungeeignete Frauen in Führungspositionen gehoben werden, nur um den Anteil weiblicher Manager zu steigern.

Die Unternehmen haben längst begriffen, dass sie für langfristigen Erfolg mehr Frauen in ihren Führungsetagen brauchen. Vielen ist es regelrecht peinlich, dass sie so wenige Frauen im Vorstand haben. Die Quote ist daher eine überholte Forderung: Sie führt den Unternehmen kein einziges zuvor unbekanntes Talent zu.

In Stahl- und Autounternehmen arbeiten mehrheitlich Männer. Wo aber nur wenige Frauen als Berufsanfängerinnen einsteigen, können auch nach Jahrzehnten nur wenige weibliche Führungskräfte heranwachsen. Der Anteil der Frauen in Führungspositionen ist in Konsumgüter-Unternehmen höher als in der Schwerindustrie. Alle Branchen über den gleichen Leisten zu schlagen wäre ein Fehler.

Und die Frauen werden sich mehr quälen müssen. Sie müssen auch die Nachteile einer Managerkarriere mit langen Arbeitstagen und beinhartem Wettbewerb untereinander in Kauf nehmen, die für Männer selbstverständlich sind.

Und es darf nicht mehr sein, was die junge Familienministerin Kristina Schröder beklagt, dass viele Frauen in das alte traditionelle Rollenmuster zurückfallen, sobald das erste Kind unterwegs ist.

Karl-Heinz Büschemann

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