Praktikanten und ihre Rechte:SPD will strengere Regeln

Die SPD legt sich mit einem Gesetzentwurf für die Rechte von Praktikanten ins Zeug. Komisch nur, dass sie selbst gern unbezahlte Praktika anbietet.

Maria Holzmüller

Es klingt so schön: Die SPD will die Rechte von Praktikanten deutlich stärken und gesetzlich besser verankern. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) soll künftig festgelegt werden, dass ein Praktikum "angemessen vergütet werden muss", heißt es in einem Gesetzentwurf der Bundestagsfraktion der SPD, aus dem der Bundestags-Pressedienst zitierte. Demnach soll eine Mindestvergütung von 350 Euro brutto pro Monat festgelegt werden: Eine Forderung, die bei den Wählern gut ankommen wird. So gut, mag die SPD hoffen, dass niemand genauer nachfragt, wie denn die SPD selbst es mit der Praktikumsvergütung hält.

SPD-Praesidium

Schleppen im SPD-Präsidium: Die Partei will die Rechte der Praktikanten stärken - und hält sich selbst nicht immer an die eigenen Regeln.

(Foto: ddp)

Denn während sie lauthals fordert, gesetzlich genau zu definieren, was ein Praktikum ist und den zugehörigen Gesetzentwurf noch in diesem Jahr in den Bundestag einbringen will, stoßen Praktikanten in SPD-Fraktionen oder der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung auf höchst unterschiedliche Bezahlungsmodelle.

Wer sich für ein Praktikum bei Gernot Erler, dem stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion interessiert, darf sich von der SPD-Forderung einer Mindestvergütung von 350 Euro nicht blenden lassen. Bezahlt werden Praktikanten hier trotzdem nicht. "Leider kann das Praktikum nicht vergütet werden. Vor einer Bewerbung sollte man sich darüber im Klaren sein, dass durch Reise- und Mietkosten für auswärtige PraktikantInnen durch ein Praktikum Mehrkosten entstehen", heißt es auf der Webseite des Politikers lapidar. Als üblicher Zeitraum werden vier bis sechs Wochen genannt.

In den Ländern sieht es nicht besser aus. Ein Praktikant in der thüringischen SPD-Fraktion muss ebenfalls genug Kleingeld mitbringen, um sich die Arbeit im Landtag finanzieren zu können. Von der SPD bekommt er nichts.

SPD-Fraktionsmitglied Gabriele Lösekrug-Möller sieht die Verantwortung für derartige Diskrepanzen nicht bei der Bundestagsfraktion der SPD. "Hier erfüllen wir all die Forderungen, die wir an andere stellen", sagte sie auf Anfrage von sueddeutsche.de. Wie einzelne Kollegen, beispielsweise Gernot Erler, dies handhaben, könne sie nicht beurteilen.

Hauptsache, was gelernt

Es gehe der SPD vor allem um Berufseinsteiger mit abgeschlossener Ausbildung oder Studium. "Wir können uns nicht auf der einen Seite darüber beschweren, dass Fachkräfte fehlen und gleichzeitig Berufseinsteiger als billige Arbeitskräfte missbrauchen", sagt sie. Demnach müsse jedes Praktikum, das mindestens vier Wochen dauert, entlohnt werden. Erst vor wenigen Tagen war bekanntgeworden, dass auch der Großteil der Bundesministerien Praktikanten beschäftigt, diese aber nicht bezahlt.

Auf der offziellen Webseite der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung werden unter dem Punkt "Praktika" zwar die Anforderungen an die Bewerber aufgelistet - von verbindlichen Vergütungsregeln steht dort allerdings nichts. Auch hier werden neben vielen bezahlten auch unbezahlte Praktika in Auslandsbüros angeboten. Glaubt man einer Praktikumsbewertung auf der Webseite der Jugend des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), gibt es für Praktika dort nicht immer einen Vertrag. Dabei fordert die SPD auch das in ihrem neuen Gesetzentwurf. Für Praktika sollen demnach künftig schriftliche Verträge vorgeschrieben sein.

Praktikanten, die Luftballons aufblasen

Dass die SPD, die sich seit Jahren für faire Praktikumsbedingungen starkmacht, nicht immer das praktiziert, was sie predigt, wird in diesen Tagen nicht zum ersten Mal deutlich. Die taz prangerte 2009 die Praxis der Berliner SPD an. Damals suchte Ex-Juso-Chef Björn Böhning Praktikanten zur Unterstützung im Wahlkampf. Vergütung für den Job: 80 Euro pro Woche. Auch er blieb damit unter der von seiner Partei jetzt geforderten Mindestbezahlung von 350 Euro.

Die damalige arbeitsmarktpolitische Berliner Grünen-Sprecherin Ramona Pop äußerte Skepsis gegenüber dem Aufgabenbereich der Praktikanten: "Grundsätzlich wird man im Wahlkampf eher für einfache Tätigkeiten abgestellt und weniger zu solchen, bei denen man wirklich etwas lernt. Wenn die SPD also Praktikanten dazu einsetzt, um Stände aufzubauen und Luftballons aufzupusten, ist das nicht im Sinne eines Praktikums."

Heute würde die SPD das wohl auch so sehen, schließlich sollen laut geplantem Gesetzentwurf Unternehmen in Zukunft reguläre Löhne zahlen müssen, wenn sie ein Beschäftigungsverhältnis fälschlicherweise als Praktikum bezeichnen, bei dem es sich um tatsächliche Arbeit handelt. Auch soll dem Gesetzentwurf zufolge die Beweislast bei Unternehmen liegen, dass es sich bei einem Beschäftigungsverhältnis um ein Praktikum handelt.

Sollte der Gesetzentwurf schnell Erfolg haben, käme auf die Partei jede Menge Arbeit zu.

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