Praktikanten mit Abschluss:Welche Rechte die "Generation Praktikum" hat

Hochschulabschluss

Nach dem Uni-Abschluss erst mal ein Praktikum - Realität für viele Hochschulabsolventen.

(Foto: Imago Stock&People)

Der Vorschlag klingt erst mal toll: Praktikanten mit Abschluss sollen auch den geplanten gesetzlichen Mindestlohn bekommen. Doch wie viele Absolventen betrifft das? Und helfen 8,50 Euro in der Stunde der "Generation Praktikum" tatsächlich?

Von Caro Lobig und Johanna Bruckner

Davon können viele Praktikanten derzeit nur träumen: 8,50 Euro, den veranschlagten Mindestlohn für Arbeitnehmer, wollen Union und SPD auch für Praktikanten einführen. Zumindest für all jene, die bereits eine Ausbildung oder ein abgeschlossenes Studium haben. Doch wie viele junge Menschen machen ein Praktikum nach dem anderen, oft unbezahlt, immer in der Hoffnung, dass sie übernommen werden? Und wie ist die Rechtslage bei freiwilligen Praktika? Süddeutsche.de beantwortet die wichtigsten Fragen zur "Generation Praktikum".

  • Wie viele Praktikanten gibt es in Deutschland?

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gibt an, dass im Durchschnitt jedes Jahr etwa 600.000 Praktika absolviert werden. Dazu gehören Schulpraktika, Pflichtpraktika während des Studiums sowie freiwillige Praktika, zum Beispiel nach Beendigung des Studiums.

  • Wie viele Absolventen machen nach Ausbildung oder Studium ein Praktikum?

Die Deutsche Gewerkschaftsbund-Jugend (DGB-Jugend) hat in Kooperation mit der Freien Universität Berlin und der Hans-Böckler-Stiftung 2011 die Studie "Generation Praktikum" herausgegeben. Dafür wurden 674 Uni-Absolventen interviewt. Obwohl die Befragten zum Zeitpunkt ihres Studienabschlusses durchschnittlich schon vier Praktika absolviert hatten, gaben 38 Prozent der Absolventen an, nach dem Studium weitere Praktika, Hospitationen oder Volontariate anzutreten.

  • Was sind die Hauptgründe der Absolventen für Praktika?

Der Berufseinstieg wird immer unsicherer und prekärer. Es würden zwar in bestimmten Branchen Fachkräfte gesucht, aber die generelle Arbeitsmarktsituation sei schwierig, sagt Florian Haggenmiller, DGB-Bundesjugendsekretär. Viele Absolventen versuchten daher, "erst mal einen Fuß in die Tür zu kriegen". Der Studie zufolge dauern freiwillige Praktika durchschnittlich 4,8 Monate.

Haggenmiller fordert eine Begrenzung von freiwilligen Praktika auf drei Monate, da sich die Praktikanten nach dieser Zeit auskennen würden und der Betrieb sich nicht mehr um sie kümmern müsse. Er kritisiert: Die meisten würden danach oft wie andere Beschäftigte mitarbeiten, ohne entsprechend entlohnt zu werden.

Tatsächlich ist auch der von Seiten der Praktikanten erhoffte Klebeeffekt gering: Nur etwa jedem Fünften wird nach dem Praktikum vom jeweiligen Betrieb eine befristete oder unbefristete Stelle angeboten. 17 Prozent nehmen dieses Angebot an.

  • Welchen Lohn erhalten Praktikanten?

551 Euro im Monat - so viel verdienen postgraduelle Praktikanten nach Gewerkschaftsangaben durchschnittlich. Allerdings ist die Streuung groß: Am besten entlohnt im Praktikum werden Absolventen der Rechts- und Verwaltungswissenschaften (durchschnittlicher Stundenlohn: 6,20 Euro), am schlechtesten Absolventen mit Studienrichtung Geistes- und Kulturwissenschaften (durchschnittlicher Stundenlohn: 2,95 Euro).

Und die Studie "Generation Praktikum 2011" ergab, dass 40 Prozent der Praktika nach Studienabschluss unbezahlt sind. Sechs Prozent der Befragten verdienten während ihrer Praktika weniger als 200 Euro im Monat, 23 Prozent bis 400 Euro, 13 Prozent bis 800 Euro und drei Prozent mehr als 1000 Euro.

Rechte von Praktikanten mit Abschluss

  • Wie ist die rechtliche Stellung von Praktikanten?

Was unter einem Praktikum zu verstehen ist, ist nicht gesetzlich - und damit verbindlich - festgelegt. "Weder im Arbeitsrecht noch in der Sozialversicherung ist das Praktikum eine eigenständige Beschäftigunsform", heißt es in einem Merkblatt des DGB-Jugend. Das gibt Arbeitgebern scheinbar viel Spielraum, Praktika nach ihrem Gutdünken auszulegen. "Missbrauch lässt sich (...) unter dem Label Praktikum besonders leicht betreiben."

Doch Praktikanten nur Kaffee kochen zu lassen oder sie unentgeltlich als volle Arbeitskraft einzuspannen, ist nicht im Sinne des Gesetzgebers. Er verortet Praktika innerhalb der Ausbildung, weshalb auch beim Praktikum selbst der Ausbildungscharakter an vorderster Stelle steht. Der Gewerkschaftsbund rät, nach Lehre oder Studium kein Praktikum mehr zu machen - denn man ist ja schon fertig ausgebildet.

bewerbung

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Für Arbeitgeber wiederum, die reguläre Arbeitsplätze als Praktikantenstellen ausschreiben, kann das sogar rechtliche Folgen haben. Wenn "die Vergütung in einem deutlichen Missverhältnis zur Arbeitsleistung steht", ist der Tatbestand des Lohnwuchers erfüllt (Bundesarbeitsgericht, 6 AZR 564/01).

  • Sind Praktika für Absolventen überhaupt rechtens?

Ist ein Praktikumsanwärter fertig ausgebildet, wird eigentlich das ganze Konzept ad absurdum geführt, denn der konstituierende Ausbildungscharakter fällt weg. "Mit dem Begriff Praktikant wird viel Schindluder betrieben", sagt Ulrich Grund, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus München. Eigentlich müsste der Bewerber als Arbeitnehmer angestellt - und dementsprechend bezahlt werden. Insofern ändert auch der Vorschlag eines Mindestlohns für Praktikanten von Union und SPD aus juristischer Sicht nur insofern etwas, als dass eine Untergrenze für eine ohnehin zustehende Vergütung festgelegt würde. Eine arbeitsrechtlich zumindest fragwürdige Praxis würde dadurch quasi politisch legitimiert.

Sparen Arbeitgeber reguläre Stellen ein, indem sie sie mit unter- oder gar unbezahlten Praktikanten besetzen, machen sie sich strafbar (siehe oben: "Lohnwucher"). Doch die damit verbundene Gefahr nehmen offenkundig viele Arbeitgeber in Kauf - wohl auch, weil sie tatsächlich wenig zu befürchten haben. Zu wenige Praktikanten begehren gegen die herrschende Praxis auf. Dabei haben sie tatsächlich oft gute Chancen, nachträglich als Arbeitnehmer anerkannt zu werden - mit allen Konsequenzen.

Wer mehr als sechs Monate als Praktikant eingestellt war, aber tatsächlich wie ein Arbeitsnehmer hat, kann bis zu drei Jahre rückwirkend auf Entgelterstattung klagen. Die Aussicht auf Erfolg ist besonders hoch, wenn es keinen schriftlichen Vertrag gab oder der entsprechende Vertrag keine Ausschlussfrist enthält. "Wer sich als Praktikant ausgebeutet fühlt, sollte rechtlichen Rat suchen", appelliert Arbeitsrechtspezialist Grund.

  • Schützt ein Praktikumsvertrag gegen Ausbeutung?

Grundsätzlich kann ein Arbeitsverhältnis auch ohne schriftliche Vereinbarung zustande kommen, dann nämlich wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer dieses im beidseitigen Einvernehmen beginnen. Dementsprechend gibt es auch für Praktikumsanbieter "keine Verpflichtung im Vorhinein einen Vertrag aufzusetzen", erklärt Anwalt Grund. Allerdings dürfen und sollten angehende Praktikanten auf einen Vertrag dringen, um böse Überraschungen zu vermeiden und im Zweifelsfall eine rechtsgültige Argumentationsgrundlage zu haben. Einen Mustervertrag zum Herunterladen gibt es zum Beispiel auf der Webseite des DGB Jugend.

Ein Praktikumsvertrag sollte mindestens folgende Informationen enthalten: Dauer des Praktikums, Arbeitszeiten, Vergütung, Urlaub und Kündigungsfrist. Sinnvoll ist auch, im Vorfeld die Praktikumsinhalte festzuschreiben. Wer später nur am Kopierer steht, kann sich dann auf den Vertrag berufen. Darüber hinaus empfiehlt es sich, schriftlich zu fixieren, wie sich der Praktikant im Krankheitsfall zu verhalten.

Und es kann nicht schaden, schon ans Ende des Praktikums zu denken: Insbesondere wer ein postgraduelles Praktikum macht, sollte sich zusichern lassen, dass er ein qualifiziertes, das heißt ausführliches schriftliches Zeugnis bekommt. (Auf ein sogenanntes "einfaches Zeugnis" hat jeder Praktikant einen Anspruch.) Denn auch wenn ein Praktikum eigentlich anders angelegt ist, dient es in diesem Fall ja dazu, Berufserfahrung zu sammeln und eine Referenz für den Lebenslauf zu haben.

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