Praktikanten:Die Ausnutzungsverträge

Der "Praktikantenabzocker 2007" ist ausgerechnet ein vom Bund finanzierter Arbeitgeber: Niemand beutet Praktikanten so schamlos aus wie das Deutsche Historische Museum in Berlin.

Charlotte Frank

Es gab zahlreiche Anwärter auf den Preis, aber so sehr verdient wie das Deutsche Historische Museum (DHM) hatte ihn wohl niemand. "Wir bekommen hier viele unmoralische Verträge zu sehen, aber so etwas ist uns noch nie untergekommen. Und das auch noch von einer Einrichtung, die sich aus Bundesmitteln finanziert", empört sich Bettina König vom Praktikantenschutzverein fairwork, der das DHM soeben mit den "Raffzähnen 2007" ausgezeichnet hat - einer Trophäe für das unfairste Praktikum des vergangenen Jahres.

Praktikantin am Kopierer, iStock

Praktikantin am Kopierer: Papierkörbe leeren, Altpapier wegbringen und Kaffee kochen - all das gehört zum Pflichtprogramm.

(Foto: Foto: iStock)

Eine junge Frau mit abgeschlossenem Geschichtsstudium sollte demnach sechs Monate lang 39 Stunden wöchentlich unentgeltlich in dem Berliner Museum beschäftigt werden. Dafür sollte sie auf Urlaubstage, Krankengeld und Unfallfürsorge verzichten und unterschreiben, dass ihre Urheberrechte auf alle während des Praktikums erbrachten Leistungen trotz ausbleibender Entlohnung in das "ausschließliche Nutzungsrecht" des DHM übergehen.

"Skandalös" nennt fairwork diese Bedingungen, der vom Verein konsultierte Arbeitsrechtler Christian Regnery stuft sie in juristischer Hinsicht als "höchst problematisch" ein. Kai Gehring, Sprecher der Grünen für Jugend und Hochschule, regte sich so auf, dass er eine Anfrage im Bundestag einreichte. "Solche prekären Verhältnisse in einer vom Bund getragenen GmbH sollte die Regierung erklären", sagt er. Es handle sich nicht um einen Praktikums- sondern um einen Ausnutzungsvertrag.

Das sehen die Preisträger natürlich ganz anders. Unfair und unsozial sei nicht der Vertrag, sondern das Verhalten der Bewerberin, tönt es aus dem DHM. Für gewöhnlich dauerten Praktika hier drei bis acht Wochen und würden an " StudentInnen im Erststudium" vergeben. Im jetzt prämierten Fall aber habe sich die Absolventin "aus eigener Initiative an das Museum gewendet", wird in einer Stellungnahme betont. Man sei ihr flexibel entgegengekommen, zum Dank habe sie "ihre Bewerbung ohne Begründung überraschenderweise zurückgezogen", heißt es, so empört wie verständnislos.

"Diese Reaktion ist dreist, aber leider keine Ausnahme", sagt Frank Schneider, ebenfalls von fairwork. "Abzocker" wie das DHM würden ihre Ausschreibungen meist noch als großzügige Ausbildungsoffensive verkaufen. So zum Beispiel die Werbeagentur "Schröder und Partner", ein Unternehmen aus dem niedersächsischen Weyhe, das lange als Favorit für die Raffzahn-Trophäe galt: Schon in ihrer Annonce für ein Jahrespraktikum hieß es, es gehöre "zum Pflichtprogramm, Papierkörbe zu leeren, Altpapier wegzubringen und Kaffee zu kochen". Immerhin sollte der Praktikant dafür 120 Euro im Monat bekommen. Auch die Mannheimer "Millenium Werbeagentur" schrammte nur knapp an der Auszeichnung vorbei: Dort wurde ein Hochschulabsolvent für sechs bis zwölf Monate gesucht, der unter anderem "eigenverantwortlich Projektarbeit übernehmen und Angebote bis zur Auftragsabwicklung betreuen" sollte. "So deutlich beschreiben wenige, dass ein Praktikum eine reguläre Stelle ersetzt", sagt Schneider. Da ist es fast schade, dass es die Raffzähne nur einmal gibt. Jedenfalls als Trophäe.

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