Portrait:Auf der Erfolgsspur

Catrin Hinkel hat Herausforderungen immer angenommen. Mittlerweile ist sie beim Beratungsunternehmen Accenture Geschäftsleiterin für den Bereich Communications. Familie und Beruf sind für sie kein Gegensatz.

Von Elisabeth Pörnbacher

Catrin Hinkel, 48, sitzt in einem modernen Bürobau in Kronberg. Eine Fensterfront gibt den Blick ins Grüne frei, draußen schießen kleine Wasserfontänen in die Höhe. Der Campus Kronberg, in dem das Beratungsunternehmen Accenture seinen Sitz hat, wirkt wie ein Hotel, wie ein Ort der Ruhe und Entspannung. Catrin Hinkel ist aber nicht oft hier, meist ist sie bei Kunden. Sie wirkt, als wäre sie stets auf alles vorbereitet, als könnte sie nichts aus dem Konzept bringen.

Portrait: Catrin Hinkel.

Catrin Hinkel.

(Foto: privat)

Vielleicht liegt das daran, dass sie bereits seit 24 Jahren für Accenture arbeitet und in dieser Zeit viele verschiedene Bereiche geleitet hat. Seit einem halben Jahr ist sie verantwortlich für den Bereich Kommunikation, Medien, Technologie in der Region Deutschland, Österreich, Schweiz. Wenn sie nach ihren Aufgaben gefragt wird, rattert sie eine lange Liste herunter. Sich darum kümmern, dass das Geschäft wächst. Entwicklungen im digitalen Bereich erkennen und verstehen. Antworten haben auf die Fragen: Wo entwickelt sich die Technologie hin, und was bedeutet es für den Kunden. Mitarbeiter zu guten Führungskräften ausbilden. Kunden beraten. Die richtigen Leute an der richtigen Stelle einsetzen. Erkennen, wo die Stärken der Mitarbeiter liegen, sie motivieren. Kurzum: für Erfolg sorgen.

Erfolg - den strebte Catrin Hinkel immer schon an. Sie ritt Turniere, schwamm bei Wettkämpfen mit. Es ist die Frage "Was kann ich aus mir rausholen?", die sie auch heute noch antreibt. Hinkel wollte immer schon weiter. Sie wollte immer selbständig sein, sie wollte eine schnelle Karriere. Eigentlich interessierte sie sich für Physik und Theologie - für den Bereich, wo die Grenzen der Physik und die Grenzen des Glaubens aufeinandertreffen. Letztlich studierte sie an der Fachhochschule in Reutlingen dann doch was ganz anderes: Betriebswirtschaft. Mit 23 Jahren schloss sie ihr Studium ab und fing direkt danach bei Accenture an.

Accenture ist einer der größten Managementberatungs-, Technologie- und Outsourcing-Dienstleister der Welt. Das Unternehmen beschäftigt 400 000 Mitarbeiter, darunter 150 000 Frauen. Bis 2025 soll die Hälfte der Mitarbeiter weiblich sein - auch in Führungspositionen. In dem Unternehmen arbeitete sich Hinkel hoch. Bereits zwei Jahre nach ihrem Eintritt in die Firma leitete sie die Bereiche Telekommunikation und Customer Relationship Management. 2005 war sie für einen neuen Bereich verantwortlich. Ebenso 2006. 2007. 2011. 2017. Sie hat immer wieder die Komfortzone verlassen, Neues gelernt und die Firma in ihren verschiedensten Facetten kennengelernt. Auch hat sie sich auf dem Markt gemessen, sich bei anderen Firmen beworben und gefragt: Was gibt es für Möglichkeiten? Wie kann sie sich weiterentwickeln? Am Ende entschied sie sich immer wieder für Accenture. Sie sagt: "Hier hatte ich viele Möglichkeiten und Chancen - und nie das Gefühl, stecken zu bleiben." Ihr Ehrgeiz hat sie angetrieben und dahin geführt, wo sie heute steht. Auch über Schwierigkeiten hinweg.

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Dranbleiben, auch jenseits der Komfortzone: Was für die Werbekampagnen-Rosie galt, gilt auch für Frauen, die einen Führungsjob übernehmen.

(Foto: Library of Congress)

Frauen, sagt Hinkel, haben oft das Gefühl, härter arbeiten und mehr Aufgaben erfüllen zu müssen. Sie wollen damit auf sich aufmerksam machen. "Das funktioniert allerdings nicht", sagt sie. Sie selbst hat sich Gehör verschafft, immer klar gesag, was sie erreichen will. Dass sie eine Frau ist, habe dabei keine große Rolle gespielt, sagt sie. Nur manchmal musste sie sich anders durchsetzen, mal lauter werden. Und gegen das traditionelle Rollenbild ankämpfen, gegen die Meinung: Mütter bleiben zu Hause, Väter gehen arbeiten - das macht man so, weil man das immer schon so gemacht hat.

Catrin Hinkel hat zwei Kinder, Jungen, 15 und 16 Jahre alt. Schon während der Schwangerschaft wusste sie, das sie weiter arbeiten wollte. Als ihre Kinder klein waren, blieb ihr Mann zu Hause. Immer wieder musste Hinkel eine Frage beantworten: "Warum?" Stellte sie etwa ihre Karriere über alles andere? Auch über die Familie? Ein Mann, da ist sie sich sicher, hätte diese Fragen nicht beantworten müssen. Heute sagt sie: "Ich habe die Zeit mit den Kindern viel bewusster genutzt, viel intensiver erlebt." Wann immer ihre Kinder einen Auftritt in einer Theatervorstellung hatten oder ein Konzert, trug sie in ihrem Kalender den Termin ein, damit auch nichts dazwischen kam. Wenn die Kinder zweimal hintereinander anriefen, ohne eine Nachricht zu hinterlassen - ihr Zeichen für einen Notfall -, verließ Hinkel Meetings und kümmerte sich um ihre Familie. Hinkel sagt: "Ich war zwar nicht immer da, aber ich habe auch nichts verpasst."

Seit sieben Jahren arbeitet auch ihr Mann wieder Vollzeit. Die Kinder werden betreut. "Fremdbetreute Kinder werden nicht schlechter groß", sagt Catrin Hinkel. "Dazu gibt es sogar eine Studie." Es klingt, als hätte sie das öfter schon sagen müssen. Ihre Ansicht zum Thema Familie und Beruf: "Es ist in Ordnung, wenn eine Frau bei ihren Kindern bleiben will. Aber sie muss die freie Entscheidung haben." Sie weist auf Initiativen hin, die Unternehmen anbieten könnten, um Frauen bei dieser Entscheidung zu helfen oder ihnen den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern. Flexible Arbeitszeiten etwa; oder Mentoren, die sich mit den Müttern treffen, damit sie mit dem Unternehmen in Kontakt bleiben - und auf dem Laufenden.

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