Mediziner nennen Arzneien wie IMAB362 (hier in Lila) Antikörper. Der menschliche Körper produziert selbst auch Antikörper, um Krankheiten abzuwehren, aber einen wie IMAB362 leider nicht. Entwickelt wurde er von dem Forscherpaar Özlem Türeci und Uğur Şahin von der Universität in Mainz. "Wir sind nicht nur Forscher, sondern auch Mediziner", sagt Türeci (50). Als Ärztin erlebte sie, dass sogar moderne Krebsmittel drastische Nebenwirkungen hervorrufen, weil sie auch gesundes Gewebe angreifen.
Die Arzneien unterscheiden nicht genug zwischen krank und normal. Also suchte Türeci nach einem Mittel, das dem Körper hilft, den Krebs gezielter zu bekämpfen. Dazu braucht man ein Merkmal, das exklusiv in Krebszellen vorkommt. Und man braucht einen Antikörper, der sich genau an dieses Merkmal heftet und dem Immunsystem sagt: "Hier!" Türeci fand eine Struktur, die auf den Tumorzellen einiger Patienten extrem häufig ist. IMAB362 erkennt diese Struktur, heftet sich an den Erreger und sendet Signale an das Immunsystem. "Wie ein Leuchtturm, der Immunzellen den Weg weist", sagt Türeci. Diese stürzen sich dann auf den Krebs - der Patient bekämpft den Tumor also selbst.
Und es funktioniert: IMAB362 heilt Krebs zwar nicht, aber er verlängert das Leben einiger Patienten deutlich. Ohne drastische Nebenwirkungen. Für die Entwicklung von IMAB362 gründete Türeci das Start-up Ganymed, das sie 2016 an die Pharmafirma Astellas verkaufte. Und wie! Der Deal ist der zweitgrößte der deutschen Biotech-Geschichte.