Pisa-Sieger Sachsen:"Nur Leistung zählt, sonst gar nichts"

Sachsen hat die Bildungspolitik radikal reformiert - und verlangt viel von seinen Schülern. Ein Besuch in einem sächsischen Elite-Gymnasium.

Christiane Kohl

Das Elite-Gymnasium im Dresdner Stadtteil Striesen hat heute Großkampftag: 200 Viertklässler messen sich miteinander im Rechnen und Schreiben, testen ihr Allgemeinwissen - "Weißt Du es schon oder knobelst Du noch?", heißt der Wettbewerb, den die Gymnasialleitung an diesem Dienstag veranstaltet. Jedes Jahr werden engagierte Grundschüler zum Wissenswettkampf in das Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium gebeten, das bei den Dresdner Schülern das "Manos'" genannt wird. "Wir sind ständig auf Talentsuche", erklärt Schuldirektor Armin Asper die Veranstaltung.

Chemieunterricht, dpa

Chemieunterricht: In den Naturwissenschaften schnitt Sachsen besser ab als jedes andere Bundesland - auch dank seiner Elitegymnasien.

(Foto: Foto: dpa)

Die Schule mit ihren modernen Laborräumen, Hörsaalkabinetten und Klassenzimmern, den etwa 400 Schülern und 45 Lehrern gehört zu jenen Instituten, die wohl maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Sachsen in der neuen Pisa-Studie den Spitzenplatz belegt. Schon zu DDR-Zeiten war das "Manos" eine Elite-Schule, nach der Wende wurde ein Gymnasium mit spezieller naturwissenschaftlicher Ausrichtung daraus: Physik und Mathematik, Chemie, Biologie und Informatik werden hier großgeschrieben.

Aufnahmeprüfung ist Pflicht

"Aber wir bilden keine Fachidioten aus", sagt Direktor Asper, "bei uns gibt es auch Theater- und Musikgruppen". Wer im "Manos"' als Schüler dabei sein will, muss zuvor allerdings eine Aufnahmeprüfung bestehen. So sieht es das Reglement für alle Schulen vor, die das Land Sachsen einst aus der DDR-Eliteschulpolitik übernommen hatte.

Wolfgang Nowak, ein Schulpolitiker aus dem Westen, hatte die ersten Weichen in der sächsischen Bildungspolitik gestellt. Als Staatssekretär in der Regierung von Kurt Biedenkopf (CDU) führte Nowak gegen alle Widerstände in Sachsen ein zweigliedriges Schulsystem aus Gymnasien und Mittelschulen ein, in denen die Haupt- und Realschulen westdeutschen Zuschnitts aufgehen sollten.

Schule auch am Nachmittag

Der Staatssekretär setzte auch das Abitur nach zwölf Jahren durch und übernahm das Konzept der DDR-Eliteschulen. Als der Sozialdemokrat sich 1993 auch noch dafür aussprach, politisch belastete Lehrer nach einer Schonzeit von fünf Jahren wieder in den Schulbetrieb einzugliedern, war es mit der Männerfreundschaft zwischen ihm und Biedenkopf jedoch bald vorbei.

Unterdessen führte der CDU-Politiker Matthias Rößler (CDU) als neuer Kultusminister den eingeschlagenen Weg konsequent fort. So wurden ein landesweites Zentralabitur wie auch vergleichbare Prüfungen an den Mittelschulen eingeführt. Früh begann Sachsen auch, die Schulangebote auf die Nachmittage auszuweiten.

Auf der nächsten Seite: Warum in Sachsen kein Abitur ohne Mathematik oder Biologie, Chemie und Physik möglich ist - und was die Kehrseite der Bildungsanstrengungen ist.

"Nur Leistung zählt, sonst gar nichts"

Die Kehrseite der Medaille

Und schließlich sorgte Rößler, der von 1994 bis 2002 in Sachsen das Kultusressort leitete, dafür, dass allerorten mehr Leistungsorientierung durchgesetzt wurde. "Nur Leistung zählt, sonst gar nichts", bringt der Christdemokrat sein Schulkonzept auf einen Satz.

Entsprechend habe er "klare Leistungsstandards" in den Lehrplänen eingeführt. In den Grundschulen wurde besonderer Wert auf "die grundlegenden Kulturtechniken" gelegt, wie Rößler sagt: Lesen, Rechnen, Schreiben. Für die Gymnasien gilt, dass 30 Prozent der Fächer zum naturwissenschaftlichen Bereich gehören müssen, und diese Fächer dürfen auch nicht abgewählt werden: Kein Abitur ohne Mathematik oder Biologie, Chemie und Physik.

Wo viel Leistung verlangt wird, fällt allerdings auch mancher durch. Die Kehrseite der sächsischen Bildungsanstrengungen ist die vergleichsweise hohe Zahl von Förderschülern: Etwa acht Prozent der Schüler landen auf einer Schule für Lernbehinderte, im Bundesdurchschnitt sind es nur etwas über vier Prozent.

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