OECD-Bildungsbericht:Streit um Akademikermangel

Nach der harschen Kritik der OECD am deutschen Bildungssystem wehrt sich Ministerin Schavan gegen die Kritik. Unterstützt wird sie dabei von Lehrern, doch der Koalitionspartner fordert bereits die Abschaffung der Studiengebühren.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan sagte, die Koalition sei sich durchaus bewusst, dass ein "deutlich höherer Anteil an Hochqualifizierten" nötig sei. Ein erster Schritt sei in der neuen Struktur mit Bachelor- und Master-Abschlüssen bereits getan. Die CDU-Politikerin forderte, 40 Prozent eines Jahrgangs sollten studieren - ausländische Studenten nicht mitgerechnet.

Auch müsse die Studienabbrecherquote von 35 Prozent deutlich reduziert werden. Bund und Länder müssten umgehend über Strategien nachdenken, um diese Schwierigkeiten zu meistern. Schavan plädierte zudem dafür, im öffentlichen Dienst mehr Anreize für Lehrer zu schaffen.

Der Präsident der Kultusministerkonferenz, Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD), verlangte zudem einen fachspezifischen Hochschulzugang auch für Nichtabiturienten. Als wesentliche Herausforderungen nannte er die geringe Zahl an Studienanfängern sowie die Bildungsbenachteiligung auf Grund sozialer Herkunft. Hier wies die Studie erneut auf die hohe Abhängigkeit der Bildungschancen von sozialer Herkunft in Deutschland hin.

Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung und Forschung, Ulla Burchardt (SPD), forderte die Abschaffung von Studiengebühren. "Es ist allerhöchste Zeit, darüber zu beraten", sagte sie dem Kölner Stadt-Anzeiger. Die Kosten für seien ein entscheidendes Hemmnis, ein Studium aufzunehmen.

Weiter forderte Burchardt bundeseinheitliche Zulassungsbedingungen zu den Hochschulen. "Das würde verhindern, dass Studienplätze ungenutzt bleiben, weil das Bewerbungs-Verfahren an den Universitäten so chaotisch ist. Auch sollten wir einem jungen Menschen mit Meisterbrief die Chance geben, ein Studium anzufangen", sagte Burchardt.

Besorgniserregende Zahlen

Der Deutsche Philologenverband DPhV wies die Kritik der OECD an einer zu niedrigen Akademikerquote nachdrücklich zurück. Ihr Bundesvorsitzender Heinz-Peter Meidinger verwies auf das Duale System mit "hoch angesehenen Berufsakademien und Berufsfachschulen". So benötige etwa eine Krankenschwester in den USA einen Bachelor-Abschluss, während sie in Deutschland eine qualitativ ebenso gute berufspraktische Ausbildung genieße.

Oskar Lafontaine, Fraktionsvorsitzender der Linken, sprach dagegen von einem verheerenden Zeugnis für die deutsche Bildungspolitik. "Einmal mehr wird bestätigt, dass das dreigliedrige Schulsystem mit seiner scharfen sozialen Auslese eine der Hauptursachen für das deutsche Versagen in der Bildung ist." Lafontaine forderte, die deutschen Ausgaben für Bildung auf das Niveau der anderen OECD-Staaten anzuheben.

Laut der Studie "Bildung auf einen Blick" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind die Bildungsausgaben in Deutschland in wesentlich geringerem Maße als im OECD-Durchschnitt gestiegen. Die Ausgaben pro Schüler seien sogar unterdurchschnittlich.

Die Experten bemängeln in der Untersuchung vor allen den Mangel an Fachkräften in naturwissenschaftlichen und Ingenieursberufen, aber auch die hohe Zahl an Schul- und Studienabbrechern. Die Studie bezieht sich auf Daten aus den Jahren 2004 und 2005.

Positiv bewertet die OECD die Abschlussrate von 80 Prozent in der Sekundarstufe II, also abgeschlossene Lehre oder Abitur. Hier beträgt der OECD-Durchschnitt 68 Prozent. Doch nehmen nur 70 Prozent der Studienberechtigten eine Hochschulausbildung auf, von denen wiederum 30 Prozent das Studium abbrechen.

OECD-Generalsekretär Angel Gurria nannte die Zahlen dennoch besorgniserregend und äußerte deutliche Kritik am deutschen System. Gurria sagte, die Regierungen müssten darüber informiert werden, wie gut ihre Bildungssysteme in der Lage sind, "Lernende von Weltklasseformat" hervorzubringen.

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