Neues Lehramtsstudium in Bochum:Ein Imagewechsel für Lehrer muss her

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Vormittags unterrichten, nachmittags promovieren: Mit einem neuen Konzept will die Universität Bochum die Ausbildung künftiger Pädagogen aufwerten - und damit das Ansehen des Berufs verbessern.

Johann Osel

Das Studium kann für angehende Lehrer manchmal wie ein Flickenteppich aussehen: Da gibt es die Fachwissenschaften, etwa Deutsch und Geschichte, zusätzlich deren jeweilige Didaktik-Lehrstühle, es gibt das Pädagogik-Segment, wo die Seminare in den Erziehungswissenschaften zu absolvieren sind, die Koordination der Praktika kann wiederum eigens organisiert sein. Und gerade in den Fachvorlesungen fühlen sich manche Lehramtsstudenten verloren - sie müssen sich das Wissen aneignen, gleichzeitig den pädagogischen Aspekt im Hinterkopf behalten. Um sie herum sitzen Hunderte Kommilitonen, die zum Beispiel Germanistik ohne Lehramt studieren, sie vielleicht sogar belächeln.

Das Ansehen von Lehrern in Deutschland soll gesteigert werden - dazu will auch die Professional School of Education in Bochum ihren Teil beitragen. (Foto: dapd)

An der Ruhr-Universität Bochum sollen die Lehramtsstudenten künftig nicht mehr "zwischen den Stühlen" sitzen, wie es heißt: Lehrerausbildung und Bildungsforschung werden unter dem Dach einer neuen Professional School of Education (PSE) gebündelt und neu ausgerichtet. Der Aufbau der PSE wird mit 3,25 Millionen Euro für fünf Jahre vom NRW-Wissenschaftsministerium gefördert. Als Voll-Universität sind bei uns zwölf von 20 Fakultäten an der Lehrerausbildung beteiligt, sagt der Dekan der PSE, Peter Drewek.

Im neuen Konzept sollen zwar die einzelnen Aufgaben an ihren Stellen angesiedelt bleiben, man schaffe aber endlich eine zentrale Anlaufstelle und könne die Organisation so besser bündeln. Unter anderem soll es vom kommenden Sommersemester an auch ein eigenständiges Lehramt-Vorlesungsverzeichnis geben sowie Instrumente zur Qualitätssicherung. Regel-Abschluss an der PSE wird der Master of Education sein, der im Zuge der Bologna-Reform dann das klassische Staatsexamen ersetzt.

Seit einem Monat gibt es die PSE nun, vergangene Woche wurde sie mit einem Festakt in Bochum offiziell gestartet, auch Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) war zu Gast. "Der Lehrerberuf hat in unserer Gesellschaft einen Autoritätsverlust erlitten. Man kann heute nicht mehr gut die Besten eines Jahrgangs fragen, ob sie Lehrer werden wollen", sagt Schavan und erhofft sich durch Modelle wie in Bochum eine Aufwertung des Berufs. Pädagogische Bildung von Lehrern sei "in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt" worden. "In kaum einem anderen Land der Welt ist der Lehrerberuf so schlecht angesehen wie bei uns", meint auch Dekan Drewek. Durch die neuen Strukturen sollen die Bochumer Pädagogen fortan "nicht mehr das fünfte Rad am Wagen sein".

Innovative Konzepte zur Lehrerausbildung gibt es in Deutschland nur vereinzelt. Ein bis dato einmaliges Projekt ist an der Technischen Universität (TU) München im Herbst 2009 gestartet. Mit der dortigen "School of Education" im Range einer eigenen Fakultät will die TU ähnliche Exzellenz erreichen wie in der klassischen naturwissenschaftlichen Forschung. Die Fakultät hat sogar die Hoheit über alle Mittel, die an der Uni für die Lehrerbildung zur Verfügung stehen, einschließlich der personellen Ressourcen in den fachwissenschaftlichen Teilen des Studiums. Etwa ein Physik-Professor, der sich in der Lehrerbildung engagiert, kann zu einem bestimmten Anteil der School of Education zugeordnet werden.

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Auch hat man ein Netz an Referenz- und Partnerschulen geknüpft. Hohe Erwartungen sind in München mit dem Gründungsdekan der Fakultät verbunden, dem prominenten Pisa-Koordinator Manfred Prenzel. Die Lehrämtler dürften "nicht den Eindruck haben, Studenten zweiter Klasse zu sein", sagt dieser.

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Das sieht man auch in Bochum so und will dort erreichen, dass sich die Pädagogen mehr als Wissenschaftler begreifen. Die Zahl der Promotionen soll durch ein Kolleg mit Stipendien gesteigert werden. "Am liebsten würden wir Berufsanfänger dafür gewinnen, die Promotion könnte dann parallel zur Unterrichtstätigkeit aus dem Referendariat herauswachsen", sagt Drewek.

Da aber gerade in korrekturaufwendigen Fächern wie Deutsch kaum Zeit dazu bleiben würde, will man mit dem Wissenschaftsministerium über mögliche Entlastungen für diese Doktoranden verhandeln. In der PSE könnten zudem in den kommenden Jahren bis zu acht Juniorprofessuren entstehen - besonders für mathematisch-naturwissenschaftliche Fächer, in denen bundesweit Lehrermangel herrscht.

Noch sieht es eher dürftig bei den Promotionen von Lehramtsstudenten aus: Für eine Studie des Hochschul-Informations-Systems (HIS) wurde der Absolventenjahrgang 2001 fünf Jahre nach dem Examen befragt. Zu diesem Zeitpunkt hatten nur sieben Prozent der Lehramtsstudenten für Gymnasium, Real- und Berufsschulen eine Promotion abgeschlossen, weitere sieben Prozent arbeiteten daran. Bei Absolventen anderer Schularten lagen die Anteile erst recht im marginalen Bereich. In den Fachwissenschaften sind die Quoten teils deutlich höher.

© SZ vom 08.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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