Neue Studiengänge:Master in Migration

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Die Fachhochschulen haben schnell auf den großen Weiterbildungsbedarf in der Flüchtlingssozialhilfe reagiert.

Interview von Miriam Hoffmeyer

Die Fachhochschulen haben schnell auf den großen Weiterbildungsbedarf in der Flüchtlingssozialarbeit reagiert: In Würzburg-Schweinfurt, Koblenz oder Lüneburg wurden bereits Masterstudiengänge und Zertifikatskurse mit Titeln wie "Migrationsmanagement" oder "Soziale Arbeit mit Flüchtlingskindern" eingeführt. Auch die Katholische und die Evangelische Hochschule Freiburg starten jetzt gemeinsam eine berufsbegleitende wissenschaftliche Weiterbildung in Flüchtlingssozialarbeit. Migrationsexpertin Professor Nausikaa Schirilla hat sie konzipiert.

SZ: Brauchen ausgebildete Sozialarbeiter überhaupt eine spezielle Weiterbildung, um mit Flüchtlingen zu arbeiten?

Nausikaa Schirilla: Nicht um eine Stelle zu finden - der Markt ist ja leergefegt. In der Fachdebatte vertreten viele auch die Position, dass das generalistisch angelegte Bachelorstudium für jeden Bereich der sozialen Arbeit qualifiziert. Allerdings gibt es in etlichen Studiengängen kaum Angebote zu Themen wie Asylrecht oder interkulturelle Kompetenz. Auch deshalb haben viele Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen, die aus anderen Bereichen in die Flüchtlingssozialhilfe wechseln, großes Interesse an Weiterbildungen.

Wie kann man interkulturelle Kompetenz überhaupt vermitteln?

Selbstreflexion ist das A und O. Es geht darum, die eigenen Vorstellungen von Normalität infrage zu stellen, sich bewusst zu machen, dass jeder Mensch eigene kulturgebundene Normalitätsvorstellungen hat. Zum Beispiel gibt es eine Übung, in der alle die Eigenschaften ihrer Gesellschaft nennen sollen, die ihnen wichtig sind. Zuverlässigkeit und Direktheit werden hier oft genannt. Damit soll für die eigene Kulturbrille sensibilisiert werden.

Die Weiterbildung wendet sich auch an Quereinsteiger. Haben die nicht ganz andere Voraussetzungen als ausgebildete Sozialarbeiter?

Im Moment gehen viele Absolventen anderer Fachrichtungen in die Flüchtlingssozialhilfe. Da gibt es Nachholbedarf zu Grundlagen und Methoden der sozialen Arbeit, deshalb haben wir zwei Module nur für diese Gruppe konzipiert. Andere Module, etwa zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, richten sich nur an ausgebildete Sozialarbeiter. Die meisten Inhalte sind aber für beide Gruppen wichtig, vom Grundwissen über Asyl- und Migrationspolitik über rechtliche Grundlagen bis zu den Strukturen der Flüchtlingssozialhilfe.

Ist der Weiterbildungsmarkt zu diesen Themen auch außerhalb der Hochschulen gewachsen?

Ja, er ist kaum überschaubar. Die meisten Weiterbildungen werden von den lokalen Trägern für ihre Mitarbeiter organisiert, meistens sind das einzelne Fachtage. Leider gibt es zu wenig Referenten, die selbst Migrationserfahrung haben und schildern können, was es heißt, in eine Schublade gesteckt zu werden.

Müssten die Themen Migration und Flüchtlinge schon im Bachelorstudium Sozialarbeit mehr Gewicht bekommen?

Ja, unbedingt. In Freiburg werden wir jetzt einführen, dass sich alle Studierenden mit Ausländerrecht befassen. Wichtig ist jedoch, diese Themen in alle Bereiche des Studiums zu tragen. Ob es beispielsweise um Kinder- und Jugendhilfe oder um Suchthilfe geht - Perspektiven auf Migration und Flucht sollten überall eine Rolle spielen. Spezialisierte Masterstudiengänge oder Weiterbildungen bringen sogar eine gewisse Gefahr mit sich.

Was meinen Sie damit?

Flüchtlinge sind ja keine Sonderwesen, sondern normale Menschen, die sich auch innerhalb ihrer Gruppe unterscheiden. Die Spezialisierung auf Flüchtlinge kann dazu führen, dass man sie als eine besondere Klasse und als defizitäre Wesen wahrnimmt. Das wäre auch wieder eine Form der Ausgrenzung.

© SZ vom 11.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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