Neue Betreuungsangebote:Schnupper-Workshop

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E-Learning hat den Vorzug, dass man sich in der Natur weiterbilden kann. Das birgt aber auch die Gefahr, dass man sich ablenken lässt.

(Foto: imago)

Die Abbruchquoten sind bei der Lehre aus der Distanz im Vergleich zu Präsenzuniversitäten hoch. Verschiedene Fernunterrichts-Anbieter arbeiten verstärkt daran, dies zu ändern.

Von Christine Demmer

Weiterbildung steht hoch im Kurs. Vor allem dann, wenn man des Bachelors oder Masters zuliebe nicht den Beruf aufgeben muss, was allein das Fernstudium erlaubt. Im Jahr 2014, das ist die neueste Zahl, waren nach Angaben des Anbieterverbands Forum Distance Learning mit Sitz in Hamburg mehr als 423 000 Männer und Frauen im Fernunterricht angemeldet. Nur ein Teil von ihnen schrieb sich für ein akademisches Fernstudium ein. 2014 entschieden sich mehr als 154 000 Menschen dafür, das war ein leichtes Plus von einem Prozent gegenüber dem Vorjahr. Über den anhaltenden Lerneifer könnten sich Lehrer, Politiker und Arbeitgeber eigentlich freuen - würden nur nicht so viele Studien vorzeitig an den Nagel gehängt.

Die Abbrecherquote ist hoch. Wie hoch genau, lässt sich nur schätzen, denn die Anbieter von Fernunterricht weigern sich, Zahlen vorzulegen. Am liebsten würden sie noch nicht einmal den Begriff "Studienabbrecher" in den Mund nehmen. "Wir sprechen lieber von Erfolgsquoten", sagt Susanne Bossemeyer von der staatlichen Fernuni Hagen, an der zum Wintersemester 2015/16 knapp 77 000 Studenten eingeschrieben waren. Die Berechnung sei mühsam, erklärt sie. Zum einen seien unter den Teilnehmern sehr viele Berufstätige, die gar keinen Abschluss anstrebten, sondern nur einzelne Kurse zur Auffrischung ihres Wissens belegten. Zum anderen kann man ein Fernstudium jederzeit unterbrechen, eine Zeitlang ruhen lassen, dann wieder aufnehmen und sich frei entscheiden, wann man sich zur Prüfung anmeldet. Absolventen von 2015 können 2003 ebenso gut wie 2007 oder 2010 mit ihrem Studium begonnen haben. So hat die Fernuniversität Schwierigkeiten, eine Abschlussquote zu errechnen. Bossemeyer: "Bei wem fängt man an, bei wem hört man auf?"

Mit just diesem Argument hatte die Fernuni 2010 eine unvorsichtige Äußerung ihres damaligen Rektors Helmut Hoyer zu entkräften versucht. Der hatte die Abschlussquote an seiner Hochschule auf 30 Prozent geschätzt, was im Umkehrschluss bedeuten würde, dass sieben von zehn Studierenden ihre Ausbildung in den Sand setzen. Eine Studienabbruchquote von 70 Prozent? Diese Zahl rief das nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerium als Financier der Fernuni auf den Plan: Das müsse sich ändern. Konkrete Zahlen zum Studienabbruch könne sie nicht nennen, sagt Bossemeyer. Nur so viel könne sie sagen. Im ersten Studienjahr werfe jeder zweite Studierende das Handtuch. Anschließend gleiche sich die Quote an die der Präsenzuniversitäten an.

In Workshops kann man schon vor Beginn der Ausbildung andere Studenten und Dozenten treffen

Die von der Fernuni im Internet veröffentlichte Statistik der Studierenden und Absolventen lässt daran zweifeln. Im Wintersemester 2009/10 beispielsweise, als insgesamt 66 479 Studenten eingeschrieben waren, legten genau 1327 eine Bachelor-, Master- oder Diplomprüfung ab. An einer Präsenzhochschule könnte man diese Zahl nun mit jener der Studienanfänger drei bis vier Jahre zuvor ins Verhältnis setzen und so eine ziemlich genaue Abschlussquote errechnen. Das funktioniert bei Fernhochschulen nicht, weil sich die Studenten unbestimmte Zeit bis zum Examen nehmen können und überdies viele von ihnen nur einzelne Fächer belegen und nach einem oder zwei Semestern aussteigen.

Ein ungefähres Bild kann man sich allenfalls über eine Zeitreihenbetrachtung machen. Bezieht man nämlich die Zahl der Absolventen eines bestimmten Jahres auf die Gesamtzahl der in diesem Jahr Studierenden, kommt man beispielsweise für 2009/10 auf eine (studienzeitunabhängige) Erfolgsquote von circa zwei Prozent. Im Wintersemester 2012/13 studierten insgesamt 83 391 Männer und Frauen an der Fernuni. Da im selben Jahr 2487 Studierende ihr Studium abschlossen, gelangt man nach obiger Berechnung auf eine Erfolgsquote von circa drei Prozent. Im Prüfungsjahr 2015 erwarben 2949 Teilnehmer einen akademischen Abschluss. Ins Verhältnis gesetzt zur Gesamtzahl der Studierenden - im Wintersemester 2015/16 ungefähr 75 500 - erhält man eine Erfolgsquote von vier Prozent. Fortschritte sind also durchaus erkennbar.

Doch im Vergleich mit den Abschlussquoten klassischer Hochschulen schneidet das Fernstudium schlecht ab. An Präsenzuniversitäten kommt nach Angaben des Statistik-Portals Statista selbst in den als schwierig geltenden Mint-Fächern (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) im Durchschnitt mehr als jeder zweite Student ans Ziel. In den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften beträgt die Erfolgsquote sogar 78,2 Prozent.

Ob die von der staatlichen Fernuni Hagen im Wintersemester 2015/2016 eingeführte höhere Studiengebühr für Unterrichtsmaterial und Betreuung mehr Teilnehmer als bisher zum Abschluss bringen, bleibt abzuwarten. Nach Angaben der Hochschule liegen die Kosten im Teilzeitstudium bei bis zu 200 Euro je Semester, im Vollzeitstudium bei bis zu 400 Euro. Doch selbst private Fernhochschulen, deren Unterricht deutlich mehr kostet, klagen hinter vorgehaltener Hand über hohe Schwundraten. Nach Schätzungen der Arbeitsgemeinschaft lebenslanges Lernen durch Fernstudium (AGLL Fernstudium) in Hamburg liegen die Abbrecherquoten bei 20 bis 35 Prozent. Genaue Erhebungen gibt es nicht, denn in der Branche herrscht das Gesetz des Schweigens. Die Wilhelm Büchner Hochschule in Darmstadt mauert ebenso wie die Fernhochschule Akad University in Stuttgart. "Die Zahlen tragen wir nicht in die Öffentlichkeit", sagt Akad-Mitarbeiterin Sandra Lauer.

Bei einem "Selfassessment" erfahren Aspiranten mehr über ihre Eignung für das Studium

Mit Hochdruck arbeite man daran, mehr Teilnehmer als bisher zum Abschluss zu führen. Seit Beginn dieses Jahres werden Akad-Fernstudenten vor Studienbeginn zu einem kostenlosen zweitägigen Workshop in Stuttgart eingeladen. "Da erklären wir das Studienmodell, stellen wissenschaftliche Arbeitsmethoden vor und gehen auf das richtige Zeitmanagement ein", sagt Lauer. Außerdem lernten die Studenten dort Professoren und Kommilitonen kennen: "So können sie schon erste Kontakte knüpfen und sich ein bisschen an die Hochschule gewöhnen." Weitere Ideen zielen auf eine bessere Betreuung der Studierenden durch Hochschulmitarbeiter ab. Hier stecke man aber noch mitten in der Testphase. Auch die Fernuni Hagen experimentiert mit Lösungsmöglichkeiten. So hat sie zum Beispiel ein "Study-Buddy-System" eingeführt, bei dem erfahrene Studierende den Anfängern zur Seite stehen. Künftig wird vor Studienbeginn ein "Selfassessment" obligatorisch sein, mit dem Bewerber mehr über die Besonderheiten des Fernstudiums erfahren und ihre persönliche Eignung testen können.

Wie groß das Geheimnis auch immer ist, das die Fernhochschulen um ihre unterwegs abhandengekommenen Studenten machen: Es sind nur statistische Mittelwerte. Für Fortbildungswillige sind sie von begrenzter Aussagekraft, denn es hängt nicht von theoretischen Wahrscheinlichkeiten ab, wie das eigene Studium verläuft. Stattdessen von der Motivation, der Selbstdisziplin, dem Durchhaltewillen und den Rahmenbedingungen. Ein Fernstudium wird nachweislich am ehesten abgebrochen, wenn sich die Studenten isoliert fühlen, wenn sie schlecht planen können, wenn es lange dauert bis zu einem ersten Abschluss, und wenn das persönliche Umfeld das Vorhaben nicht unterstützt. Darum ist es wichtig, sich genau über die Inhalte des Studiums und den zu erwartenden Zeitaufwand zu informieren und sich mit Familie und Kollegen abzustimmen.

Während des Studiums helfen persönliche Kontakte zu Kommilitonen und Dozenten über Formtiefs hinweg und unterstützen dabei, das langfristige Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: den erfolgreichen Abschluss des Fernstudiums.

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