Netzwerke für Studenten:Schnöde neue Welt

Frisch, fröhlich, frei - so präsentieren sich Internet-Communities für Studenten. Die Masche funktioniert. Die Mitgliederzahlen steigen rasant - und damit die Chance, dass der große Spaß einmal viel Geld abwirft.

Patrizia Odyniec

Ehssan Dariani hat nichts zu verbergen. Der Wirtschaftsstudent der Uni Sankt Gallen gibt seine gesammelten persönlichen Daten im Internet preis: seinen Beziehungsstatus, seine politische Überzeugung, seinen Musikgeschmack.

Ehssan Dariani, Gründer der Internetplattform "Studiverzeichnis"

Student und Gründer Ehssan Dariani. Laut Profil bei studiVZ ist er unter anderem "Projekt-Pusher" von Beruf.

(Foto: Foto: oh)

Außerdem informiert er über die Lehrveranstaltungen, die er besucht, gibt seinen Geburtstag preis und liefert auf 13 Zeilen eine Selbstcharakteristik, die unter anderem die Bezeichnungen "Teufelskerl" und "Ewiggestriger" enthält. Das Ganze ist nachzulesen auf der Internetplattform "Studiverzeichnis", einem Online-Netzwerk für Studierende.

Ehssan Dariani ist der Gründer vom Studiverzeichnis, was beweist, dass mit seiner Selbstcharakteristik etwas nicht stimmen kann. "Ewiggestrig" ist die Webseite nicht.

Bin ich eigentlich Alpinenthusiast? Oder eher Katzenfreund?

Im Gegenteil: Man gibt sich visionär. StudiVZ, so der selbstgewählte Kosename des Auftritts, solle "die Netzwerkkultur an europäischen Hochschulen" etablieren und "universitäre Grenzen" überwinden, meldet das Unternehmen über sich selbst.

Um Mitglied zu werden, reicht eine E-Mail-Adresse. Doch wer wirklich dabei sein will, muss sein "Profil" ausfüllen. Das umfasst an die 50 Eingabefelder - vom Wohnheim-Namen und der Zimmernummer bis zum Platzhalter für ein persönliches Foto. Die Profile können von anderen Mitgliedern eingesehen werden.

Gleichgesinnte finden sich im Netzwerk über gemeinsame Interessen oder dem "Beitritt" zu festgelegten Gruppen wie den "Alpinenthusiasten" oder den "Katzenfreunden". Berührungsängste hat keiner.

Fürs schnelle Kennenlernen hat Dariani das "Gruscheln" erfunden. Ein Klick, und der Adressat erhält die Mitteilung "xxx hat dich gegruschelt". Mehr Text gibt es nicht.

Das Gruscheln dient allein der Kontaktaufnahme. Wer sich mag, befreundet sich virtuell und zeigt das auch. Ehssan Dariani hat 159 Freunde an der Uni Sankt Gallen und 545 Freunde an anderen Hochschulen. Auch das ist in seinem persönlichen Profil nachzulesen.

700.000 Mitglieder hat das studiVZ nach eigenen Angaben. Auch die 22jährige Politik-Studentin Ina ist dabei. Sie hat sich angemeldet, nachdem sich alle ihre Freunde schon bei dem Netzwerk registriert hatten.

Wer mit wem - das weiß jeder

Über die Webseite kann sie nun zwar mit allen Bekannten schnell und einfach in Kontakt bleiben, aber sie findet den virtuellen Treffpunkt auch "irgendwie beängstigend": "Plötzlich weiß man ganz genau, wer mit wem befreundet ist, und wer was macht. Manchmal habe ich das Bedürfnis meinen Account komplett zu löschen."

Andere Mitglieder zeigen sich dankbarer. "Du hast dafür gesorgt, dass Menschen, zu denen ich jahrelang keinen Kontakt hatte, plötzlich wieder aktuell sind", schreibt ein Berliner Student auf Darianis "Pinnwand", wo sich Mitglieder Nachrichten hinterlassen können. Und die Kölnerin Eli lobt "Ihr seid toll. Wollt' ich mal loswerden."

Ehssan Dariani verweist gerne auf die Macht seiner Mitglieder: "Wir stellen nur den Rahmen, die Möglichkeit, den Inhalt bestimmen die Nutzer." Was die Nutzer dem Netzwerk ermöglichen, wird eher diskret behandelt.

Locken rocken diskret

Schließlich müssten doch all die persönlichen Daten ein gefundendes Fressen für Werbekunden sein. "Ja, wir werden bald Werbung schalten, allerdings ganz dezent, so wie es unser Stil ist", sagt Ehssan Dariani.

Dürfen sich also die Mitglieder der Gruppe "Locken rocken" bald über Anzeigen für Haarpflegeprodukte freuen? "Wir sind weit davon entfernt in irgendeiner Form gegen das Datenschutzgesetz zu verstoßen", sagt Tilo Bonow, der Sprecher von Studiverzeichnis.

Und was, wenn die Webseite komplett verkauft wird? "Bis jetzt haben wir noch kein Angebot, aber wer weiß, ausgeschlossen ist es nicht." Zurzeit finanziert sich das Netzwerk, das inzwischen von einem Trio geführt wird, über verschiedene Investoren.

Unter anderem ist Lukasz Gadowski, der Gründer von Spreadshirt.net, dabei sowie die Samwer-Brüder, die sich nach dem Verkauf ihrer Klingeltonfirma Jamba eigentlich dem süßen Nichtstun widmen könnten.

Gegenüber den Wettbewerben gibt man sich siegessicher. Schließlich buhlen auch andere Netzwerke um die Gunst der Studenten. So hat lokalisten.de laut Webseite mittlerweile mehr als 300.000 User und unister.de zählt eigenen Angaben zufolge 100.000 Mitglieder.

Ehssan Dariani schrickt das nicht: "Momentan fragt man uns noch nach der Konkurrenz. In ein paar Monaten wird das nicht mehr der Fall sein, dann wird es nämlich keine mehr geben."

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