Nebenjobs:Die Hängepartie

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Wie sich Hochschüler auf dem leergefegten Arbeitsmarkt durchschlagen.

(SZ vom 31.7.2002) Harte Zeiten erfordern gute Einfälle. "Wegen der allgemeinen Wirtschaftskrise", sagt Arbeitsvermittler Hans Schreyegg, "ist es für die Münchner Studenten in diesen Semesterferien viel schwieriger, einen Job zu bekommen als in den Jahren davor." Um 25 Prozent sei die Zahl der in Frage kommenden freien Stellen gegenüber dem Vorjahr gesunken, die Zahl der jobsuchenden Studenten dagegen steige: Tag für Tag besuchen etwa 300 Hochschüler die Jobvermittlung im Arbeitsamt - viele von ihnen vergeblich. Wer indes unkonventionelle Wege geht, hat weiterhin Chancen. Vier Münchner Hochschüler berichten von ihren etwas anderen Arbeitsplätzen.

Susanne Moderegger, 24, viertes Semester Sozialpädagogik, Party- Chauffeurin: "Wir mussten die Gäste einer Prominenten-Party hinter Starnberg in ihren Privatwagen nach Hause bringen. Das war unser Auftrag. Die Gastgeber müssen sehr wohlhabende Leute gewesen sein, der Riesen-Villa nach zu urteilen. Wir durften aber niemanden zu Gesicht bekommen, Diskretion war oberstes Gebot.Wir Studenten mussten stundenlang im Keller ausharren, hatten nichts zu essen und zu trinken. Es war so kalt, dass wir uns die Hände über Kerzen gewärmt haben. Ich kam mir vor wie in der Bronx. Und über uns hat die Society im leer gepumpten Pool getanzt. In der Morgendämmerung habe ich dann ein etwas angetrunkenes Ehepaar in ihrem Porsche nach Harlaching gefahren. Dem Mann war das erst gar nicht so angenehm, dass eine Fremde sein Auto fährt. Aber ich habe ihn damit beruhigen können, dass ich schon öfter Porsche gefahren bin, weil mein Ex-Freund einen hatte. Ein bisschen Aufregung war bei mir schon im Spiel, die Vorstellung war natürlich schrecklich, einen Unfall zu bauen. Aber ich bin sehr vorsichtig gefahren, maximal 200 Kilometer pro Stunde. Es war ein wunderschönes Gefühl, mal wieder in diesem sportlichen, luxuriösen Auto zu sitzen. Ich selbst habe ja nur einen 45-PS-Polo."

Carmen Schütz, 22 Jahre, sechstes Semester Tourismus, Model am Seil: "Wenn ein neues Esprit-Geschäft aufmacht, machen wir dazu die Promotion mit einem ,Vertical Catwalk'. Das heißt, der Laufsteg wird an die jeweilige Hauswand verlegt, die Esprit-Models hängen an Seilen. Vor dem ersten Auftritt haben wir in einem Flugzeughangar der Bundeswehr intensiv trainiert. Als ich das erste Mal auf einem richtigen Haus stand und runterschaute, hatte ich schon ein Kribbeln im Bauch, die Halle war ja viel niedriger. Aber ich habe absolutes Vertrauen in das Sicherungssystem. Jeder Knoten wird da zwei- bis dreimal kontrolliert. Es ist die gleiche Technik wie beim House-Running, man hat einen Klettergurt an und den Karabiner hinten am Rücken. Es ist also genug Bewegungsfreiheit, man kann sich von der Wand abstoßen und um die eigene Achse drehen. Während der Show stehe ich oben und sichere die Tänzer. Ich komme zum Ende der Show mit drei Absprüngen die Wand herunter, das sieht extrem spektakulär aus, weil es sehr schnell geht und ich mich ziemlich weit von der Wand entferne. Das ist ein echter Adrenalinkick für mich. Wenn alles geklappt hat und die Leute klatschen und jubeln - das ist ein toller Moment."

Felix Schmuck, 23, drittes Semester Humanmedizin, Nachtwächter in einer Pension: "Gut an dem Job ist, dass man nicht viel arbeiten muss. Man passt halt auf, dass niemand Fremdes ins Haus kommt, meistens sitze ich vor dem Internet oder habe ein dickes Medizinbuch zum Lernen dabei. Einmal kam nachts um zwei ein Liebespaar, das noch nicht lange zusammen war und unbedingt ein Zimmer wollte. Ich musste sie weiterschicken, weil wegen einer Messe bei uns alles belegt war, das hat mir echt Leid getan, vor allem für ihn. Ganz lustig war, als ich mal ein Auto voller betrunkener Holländer telefonisch vom Romanplatz zur Sendlinger Straße dirigiert habe. Die Arbeitszeit von 22 bis 6 Uhr lässt sich allerdings schlecht mit dem Studium vereinbaren. Ich bin am Morgen danach meistens in die Vorlesung gegangen, damit der Rhythmus nicht völlig durcheinander kommt, aber dann bin ich am Abend zusammengebrochen und war zwei Tage lang groggy. Außerdem war ich unterbezahlt. Und als dann Uniformen eingeführt werden sollten, habe ich den Job endgültig aufgegeben."

Monika Nath, 24, zweites Semester Politikwissenschaften, Dauer- Fernsehguckerin: "Ich musste zweimal sechs Stunden am Stück den Reiseverkaufskanal ,TVTravelshop' schauen, als Beobachter für das Konkurrenzunternehmen ,Sonnenklar-TV'. Es ist ganz schön anstrengend, sechs Stunden lang alle zwei Minuten Protokoll zu führen, wenn es immer das gleiche ist und die Sendungen Preisjagd, Last-Minute oder Topangebote heißen. Die waren auch echt billig produziert, Moderatoren-Versprecher waren nicht rausgeschnitten und kamen dann eben auch dreimal in der Wiederholung. Um das durchzustehen, habe ich mich vorher mit einer 1,5-Liter-Flasche Apfelschorle, Aldi-Vitalgebäck und ganz vielen Aprikosen eingedeckt. Ich hatte auch Glück, dass ich nicht aufs Klo musste. Gut war, dass meine Schicht zwischen 15 und 21 Uhr lag, ein anderer hat eine ganze Woche lang jede Nacht von 21 bis 3 Uhr schauen müssen. Außerdem ist wegen eines Gewitters mal das Satellitensystem zusammen gebrochen und ich konnte eine halbe Stunden gar nichts sehen. Dafür war der Job auch super bezahlt: zehn Euro für eine Stunde Fernsehen schauen."

phw/Protokolle: Sandra Müller

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