Nebenjob Wissenschaftliche Hilfskraft:Ich war ein Hiwi

Die Arbeit am Lehrstuhl - ein Idyll. Der Nachteil: Viel Geld gibt es nicht.

Franziska Seng

Ich konnte nicht ablehnen. Als mir mein Germanistik-Dozent die Stelle als Erstsemester-Tutorin und studentische Hilfskraft anbot, sagte ich "Ja". Und das, obwohl die Arbeit nicht besonders gut bezahlt wird. Für 40 Stunden bekommt man in Bayern 240 Euro. Um die Semestergebühr von 500 Euro zu finanzieren, hätte ich also wochenlang arbeiten müssen.

Nebenjob: Ich war ein Hiwi
(Foto: Foto: Marc Hofer)

Die Bezeichnung "Hiwi" ist übrigens nicht gerade schmeichelhaft: Entgegen der landläufigen Meinung lautet so nämlich nicht die Abkürzung für "Hilfswissenschaftler", sondern für "Hilfswilliger". Und "Hilfswillige" waren im zweiten Weltkrieg all jene Kooperationsbereiten in den besetzten Ländern, die sich freiwillig zu Hilfsarbeiten für die deutsche Wehrmacht gemeldet hatten.

Kaffee und Kekse

Trotz der mageren Bezahlung hat sich der Job ausgezahlt. Zunächst was das Fachliche angeht: Freiwillig wäre ich wohl nie auf die Idee gekommen, mich mit den Kuriositäten der frühneuhochdeutschen Sprache und Literatur zu beschäftigen. Da es aber nun mal im Forschungsbereich meines Dozenten lag, fand ich wider Erwarten Spaß am Stoff und trieb mich stundenlang in randseitigen Themengebieten herum.

Das gleiche gilt für die Erstsemester-Tutorien. Ich weiß zwar nicht mit absoluter Sicherheit, ob die Studienanfänger in meinem Einführungskurs den Unterschied zwischen alkäischer und asklepiadischer Ode gelernt haben - aber ich weiß ihn nun auf jeden Fall. (Außerdem weiß ich nun wie man es schafft, eineinhalb Stunden zu reden, obwohl einem der Stoff längst ausgegangen ist.)

Und: Ich hatte Glück, was meinen Vorgesetzten betraf. Nervige Arbeiten wie Klausuren korrigieren wurden von ihm nicht pauschal auf die Hilfskräfte abgewälzt. Sogar das Kopiervolumen hielt sich in Grenzen. Dafür durfte ich mitarbeiten bei der Veröffentlichung von Fachbüchern und der Organisation von Vortragsreihen.

Als unbezahlbar erwies sich natürlich der persönliche Kontakt zum Dozenten, vor allem während der Magisterarbeit-Phase. Kein Warten auf Sprechstunden, keine unpersönliche Abfertigung. Ebenso angenehm die "Betreuung" durch das Sekretariat: Bereits am Morgen konnte man sich eindecken mit Keksen, Süßigkeiten und extra starkem Kaffee.

Aber natürlich gab es auch Momente, in denen ich den Sinn meiner Tätigkeit in Frage gestellt habe. Etwa wenn ich innerhalb von zwei Stunden viermal losgeschickt worden bin, um jeweils genau eine Seite zu kopieren. Oder wenn ich kiloweise neu erschienene Bücher durch die Uni schleppen musste, um aus jedem Band das Inhaltsverzeichnis zu kopieren.

Verwirrung stifteten auch solche Aufträge: "Finden Sie bitte heraus, wie oft und in welchem Kontext das Wort 'unsäglich' in Goethes Gesamtwerk vorkommt." Zum Glück gibt es Datenbanken. In diesem Fall lieferte die Suche nur einen Treffer: "Das Wetter ist unsäglich schön", heißt es irgendwo in der "Italienischen Reise". Wieder was gelernt.

Leider geht man als wissenschaftliche Hilfskraft auch schon mal als Letzter nach Hause, und die Bezahlung der Überstunden, die manchmal erwartet werden, kann man sich sowieso abschminken.

Dennoch: Verglichen mit anderen typischen Studentenjobs, wie etwa denen in der Gastronomie, kann die Arbeit am Lehrstuhl tatsächlich einem Idyll gleichen: Freundliches Arbeitsklima und außer Bücherschleppen keine physischen Belastungen.

Das alles täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass der Job nur ein kleines finanzielles Zubrot bietet. So meinte auch ein ehemaliger Kollege: "Ich hätte ja gerne weiter mit euch gearbeitet, aber ich musste mir halt einen Job suchen, von dem man leben kann."

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