Berufseinstieg beim Start-up:Einfach mal loslegen

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Freya Oehle fragt: "Wieso soll ich vor eine Excel-Tabelle gesetzt werden, wenn ich doch etwas anderes viel besser kann?" (Foto: spottster.com)

Die Hamburger Start-up-Gründerin Freya Oehle weiß, was Uni-Absolventen wollen - und ist daher unverhofft zur Expertin für die Suche nach talentierten Mitarbeitern geworden. Das macht etablierte Unternehmen neugierig.

Von Varinia Bernau

Freya Oehle hatte am Ende ihres Studiums das Angebot, bei einer Unternehmensberatung anzuheuern. Nur müsse sie sich darauf einstellen, so hatten ihr Kollegen gesagt, die ersten drei Jahre unliebsame Arbeiten zu machen - selbst wenn sie gut im Gespräch mit Kunden sei. "Wieso soll ich vor eine Excel-Tabelle gesetzt werden, wenn ich doch etwas anderes viel besser kann?" Für die 25-Jährige liegt darin das große Missverständnis zwischen jungen Menschen, die heute einen Job suchen, und älteren, die in den meist etablierten Unternehmen darüber entscheiden, wer den Job bekommt.

Oehle hat damals abgelehnt und stattdessen gemeinsam mit einem Schulfreund ein Start-up gegründet. Obwohl ihr Unternehmen noch auf wackeligen Beinen steht, erhält sie auf eine neue Stellenausschreibung 60 Bewerbungen. Erfahrene Personaler erkundigen sich bei ihr: "Wir bieten den Leuten Sicherheit, ein schönes Büro und ein gutes Gehalt - und die gehen trotzdem zu euch in den Keller?" So ist Oehle unverhofft zur Expertin für die Suche nach talentierten Mitarbeitern geworden.

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Kürzlich habe ihr Unternehmen in Hamburg-St. Pauli zwar den Aufstieg in die erste Etage geschafft, erzählt sie lachend. Doch die Stimmung sei immer noch die gleiche wie in den ersten 14 Monaten im Souterrain. Auf der Facebook-Seite des Start-up ist sie dokumentiert: Fotos von Besprechungen, bei denen auch eine Plüsch-Ratte und ein rotes Hüpfpony am Tisch sitzen. Von Grillabenden unterm Regenschirm. Vom Bobby-Car-Büro-Bowling, bei der die Angestellten munter in eine Reihe Plastikflaschen rauschen. Bei dem Shoppingdienst Spottster gelten andere Regeln als in einem traditionellen Unternehmen.

Für Stellenausschreibungen auf den gängigen Internetplattformen fehlt dem Start-up das Geld. Stattdessen versendet Oehle ein schmales PDF-Dokument über kostenlose Newsletter an Uni-Absolventen. Darin listet sie keine Forderungen auf, sondern Fragen. Etwa: "Du willst wirklich was machen?" oder " Du willst, dass man das Ergebnis deiner Arbeit sehen kann?"

"Wir wollen arbeiten, aber es soll sinnvolle Arbeit sein"

Bei ihnen laufe ein Praktikant nicht erst zwei Wochen mit, erzählt Oehle. Bei ihnen bekomme er gleich eine Aufgabe und die Anweisung: "Mach einfach!" Vieles, das gibt sie unumwunden zu, sei improvisiert. Aber das biete eben auch die Möglichkeit, etwas zu gestalten. "Ich denke, dass ein Praktikant so mehr mitnimmt, als wenn wir ihm nach drei Monaten 2000 Euro überweisen." Ihr Freund, mit dem sie das Start-up gegründet hat, sei Informatiker. Er hatte, ähnlich wie sie nach ihrem Master in Betriebswirtschaft, einige gute Angebote. "In einem Konzern wäre er für den roten Knopf oben rechts in dem Softwareprogramm verantwortlich gewesen. Für eine Funktion von 500. Bei uns kann er alles machen." Das sei die beste Motivation.

Es ärgert sie, sagt die gebürtige Westfälin, dass ihrer Generation nachgesagt wird, sie stelle zu hohe Ansprüche an die Arbeit - und sei nicht mehr bereit, sich richtig reinzuhängen. Sie habe schon Praktikanten nach Hause schicken müssen, die bis in die späten Abendstunden an einem Projekt saßen. "Wir wollen arbeiten, aber es soll sinnvolle Arbeit sein."

Aus den ersten Anrufen, die Oehle von etablierten Familienunternehmen bekam, ist inzwischen ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch geworden. In einer Runde, der sich sieben Hamburger Unternehmen angeschlossen haben, überlegen sie nun, was sie voneinander lernen können. Derzeit zum Beispiel, ob sie ihre Mitarbeiter für eine Art Schnupperpraktikum nicht mal rotieren lassen. "Uns fällt es nicht schwer, junge Talente anzulocken. Uns fällt es aber schwer, ihnen zu zeigen, wie der Arbeitsalltag aussieht, wenn die Sache größer wird."

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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