Musterbrecher:Anders bewerben

Warum ein PR-Berater bei der Jobsuche alle Ratschläge in den Wind schlug. Und wie es ihm dabei erging.

Katharina Vitinius

Wie eine einwandfreie Bewerbungsmappe auszusehen hat, wusste Daniel Hanke schon lange vor dem Ende seines Studiums. Auch, wie sie sich anfühlen muss und wonach sie um Gottes willen nicht zu duften hat. ,,Alles ist geregelt und steht in Hunderten von Büchern'', sagt der 32-jährige Journalist und Kulturwissenschaftler. ,,Alle sagen und schreiben dasselbe: Erwartungen erfüllen, bloß nirgendwo anecken, nur ja keinen aufregen. Aber ich dachte, auf den nächsten PR-Berater wartet sowieso niemand.'' Denn als er mit seinen ersten Bewerbungen begann, steckte die Branche gerade tief in der Krise. ,,Unsere Professoren hatten schon gewarnt: Der Markt für PR-Berater ist dicht. Stellt euch auf unbezahlte Praktika von zwölf bis 18 Monaten ein'', erzählt Hanke.

Bewerbungsmappe

Ganz klassisch oder ganz anders? Daniel Hanke entschied sich für Letzteres - mit Erfolg.

(Foto: Foto: iStockphoto)

Dergleichen Startaussichten machen entweder depressiv oder todesmutig. Daniel Hanke kletterte aufs Drahtseil. ,,Na gut, dachte ich, dann ist es auch egal, wenn ich auffalle und anecke. Was kann mir Schlimmeres passieren, als in der Praktika-Schleife zu landen?'' Und er beschloss, bei der Jobsuche bewusst die Regeln zu brechen.

Als erstes gestaltete er seine Bewerbungsmappe wie das Fotoalbum einer traditions- und wertebewussten Familie. Stahlspiralbindung, hochwertiges Büttenpapier, auf dem Titel ein Foto seiner Mutter mit ihm als Knirps an der Hand, daneben die Schwester im Kinderwagen. ,,Die Leser sollten denken: Warum macht der das?'', begründet Hanke sein ungewöhnliches Vorgehen. ,,Das sollte ihre Neugier wecken, weiterzulesen.''

Ganz ohne Risiko war das natürlich nicht. Der eine oder andere Personalchef hätte durchaus irritiert blinzeln und die Bewerbung mit einer säuerlichen Absage zurückschicken können. ,,Möglich'', sagt Hanke. ,,Aber ich wollte unbedingt einen Job in der strategischen PR-Beratung haben, da zählt nur eines: Persönlichkeit. Und die wollte ich mit einem illustrierten Lebenslauf zum Ausdruck bringen. Wozu habe ich sonst Reportage-Fotografie studiert?''

Folglich versah der Kandidat jeden einzelnen seiner im Text aufgeführten Lebensschritte mit einem Foto von sich: Hanke als Kleinkind, Hanke am Tag seiner Einschulung, Hanke als Abiturient, Hanke als Studierender in Leipzig, Hanke als Mitglied des Kirchenvorstands der Leipziger Nikolaikirche. Alles zusammen ergab eine stattliche Porträt-Galerie, flankiert von Texten, die mit graphischen Elementen in signalroter Farbe abgesetzt waren.

Die Reaktionen seiner Umgebung: ,,Grauenvoll!'' Und: ,,Du bist ja nicht ganz dicht!'' Hanke indes ließ sich nicht beirren und blies auch beim Texten des Anschreibens sämtliche Ratgeber-Tipps in den Wind. Zum Beispiel? ,,Ich bin religiös und in der Freikirche engagiert'', sagt er, ,,und alle rieten mir, das nur ja nicht zu erwähnen. Aber ich dachte: warum nicht?'' Konsequent hob er im Anschreiben hervor, dass er ,,ein frommer Typ'' sei und deshalb nur bei einer PR-Agentur anzuheuern gedenke, zu deren Grundsätzen es gehöre, niemals zu lügen. ,,Mir war schon klar, dass ich damit bei vielen durchfalle'', sagt er im Rückblick. ,,Doch mir war es damit wirklich ernst.'' Ein wenig nervös war er dann allerdings schon, als der Stapel Blindbewerbungen im Postkasten verschwand.

Zur grenzenlosen Überraschung seiner Freunde und Kommilitonen, vielleicht auch zu seiner eigenen, wurde Daniel Hanke mit einer einzigen Ausnahme von jedem der angeschriebenen Unternehmen zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. ,,Darin bekam ich von allen Arbeitgebern positives Feedback und kurz darauf drei Job-Angebote.''

Nach sorgfältiger Sichtung entschied er sich, ausgerechnet der jüngsten Agentur den Zuschlag zu geben. ,,Die waren erst drei Monate am Markt, hatten gerade mal vier Leute an Bord und boten mir von allen das geringste Gehalt'', sagt Hanke. Ihm jedoch gefielen die Firmenphilosophie, die Kunden, die Chefs und deren Aufgabenverständnis. ,,Das passte wie die Faust aufs Auge.''

Seit Anfang 2004 arbeitet Daniel Hanke als PR-Berater in Frankfurt am Main. Die gegen den Strich gebürstete Bewerbung und seine Entscheidung für die relative Unsicherheit hat er nicht bereut. Denn viele seiner Studienfreunde hangeln sich noch heute von Praktikum zu Praktikum. Er bleibt seinem Grundsatz treu: ,,Wenn alle mit dem Trend gehen, muss man sich mal bewusst dagegen stemmen.''

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