Moderne Verwaltung:Warum Beamtenjobs nicht langweilig sind

Verstaubt, behäbig, unfreundlich: Die Verwaltungen wollen weg von ihrem schlechten Image als Arbeitgeber. Gut ausgebildeten Bewerbern bieten sie spannende Aufstiegschancen - und nach wie vor viel Sicherheit.

André Boße

Babett Hartmann ist 29 Jahre alt, Diplom-Bibliothekarin und Informationswirtin, also ein sogenannter Young Professional. Würde sie in einem Unternehmen arbeiten, hätte sie in diesem Alter den Sprung auf die Führungsebene wahrscheinlich noch vor sich. Echte Personalverantwortung? Eigenverantwortliche Projektleitung? Kommt alles noch früh genug. Erst mal abwarten und sich von den Erfahrenen abschauen, wie das geht.

Abwarten? Abschauen? Hartmann lächelt. Nein, dafür war keine Zeit, als sie vor gut zwei Jahren in der Kölner Stadtbibliothek anfing, einer Verwaltungsabteilung des Dezernats VII, Kunst und Kultur. Schließlich stand eine Herkulesaufgabe an: Die etwa 850.000 Medien der Einrichtung sollten ein neue Erfassungstechnik erhalten. Denn der Barcode hat ausgedient, von nun an sind in Bücher, Spiele, DVDs und CDs Mini-Chips eingepflanzt, die auf Abruf alle relevanten Informationen ausspucken.

Ein solcher Systemwechsel in einer Bibliothek ist eine große Sache. Teams müssen gebildet, Techniken erprobt, Medien umgerüstet, Mitarbeiter geschult werden - und das alles bei laufendem Betrieb. Verantwortlich für die Konvertierung der Medien: Babett Hartmann. "Man hat mir das zugetraut. Und weil ich es mir auch zutraute, habe ich das Projekt in Angriff genommen."

Das Beispiel zeigt: Karrierewege in der Verwaltung haben sich gewandelt. Zwar haben Angestellte und Beamte immer noch die Möglichkeit, mit Dienst nach Vorschrift voranzukommen. Doch neben der Schneckenspur gibt es Laufbahnen für kreative und technikbegeisterte Köpfe mit Talent für Führungsaufgaben. Und auf diesen ist man nicht nur schneller unterwegs, man hat auch mehr Spaß. So wie Hartmann: "Ich arbeite meist eigenständig und lasse mich mit großer Neugier auf Projekte ein, die immer wieder Überraschungen bieten." Man könnte sagen: Die Verwaltungsangestellte darf sich im Job austoben.

Zum Beispiel mit Veranstaltungen: "Geeks@cologne" heißt eine Event-Reihe zur Webkultur, die sie initiiert hat. Zielgruppe sind Digital Natives, Leute also, die Bibliotheken für antiquierte Orte halten. Hartmann will sie vom Gegenteil überzeugen. Und so tritt die EDV-Systemanalystin zudem noch als Veranstalterin auf. "Dass mir der Job Perspektiven dieser Art geben wird, habe ich von Anfang an gespürt", sagt sie. Im Studium in Darmstadt hatte sie kaum etwas über Führung gelernt. "Umso wichtiger war es, dass mich meine Vorgesetzten von Beginn an förderten. Ich habe das Vertrauen gespürt und genutzt."

Es gibt eine Haken

Klingt alles wunderbar. Doch wo ist der Haken? Nun ja, sagt sie, eine Kleinigkeit wäre da schon: Für jeden Arbeitsschritt gibt es im Dezernat einen Kontierungsbogen, auf dem alle Ausgaben festgehalten werden. Das Dokument ist sperrig und kompliziert. "Das Ausfüllen stiehlt Zeit, die ich gerne anders nutzen würde." Aber der Arbeitgeber Verwaltung bietet ihr auch viel Positives. "Mein Vertrag ist unbefristet", sagt sie. Eine Seltenheit in ihrem Freundeskreis. Und wenn sie Überstunden macht, ist es ausdrücklich erwünscht, diese schnell abzubauen. Bleibt die Frage nach dem Gehalt: Was würde wohl ein Konzern einem Aufsteiger zahlen, der wie sie mit 29 Jahren schon Großprojekte leitet? "Ich weiß, dass es in Unternehmen mehr Geld gibt", sagt Hartmann. "Aber ich bin hier sehr zufrieden. Und das zählt ja auch."

Eine Vorlage aus Köln, die auch in Düsseldorf Zustimmung findet. Im obersten Stockwerk des großen Verwaltungsgebäudes gleich hinter dem Hauptbahnhof sitzt Harald Wehle, 49 Jahre. Mitarbeiter der Stadtverwaltung Düsseldorf seit 1982, davon sechs Jahre mittlerer Dienst im Rechnungsprüfungsamt, acht Jahre gehobener Dienst als Organisationsberater im Hauptamt und vier Jahre höherer Dienst als Abteilungsleiter im Amt für soziale Sicherheit und Integration.

Seit 2009 ist er Büroleiter und persönlicher Referent des Beigeordneten im Dezernat für Jugend, Schule, Soziales, Wohnen und Sport. Eine typische Verwaltungskarriere. Einerseits. Andererseits redet Wehle kaum vom Typischen. Viel interessanter findet er die Veränderungen. "Die Verwaltung ist moderner geworden", sagt er. Ohne IT gehe nichts mehr. "Und betriebswirtschaftliche Begriffe wie Controlling und Monitoring, die hier vor 30 Jahren noch kaum jemand kannte, gehören heute zum Alltag."

Doch es wird nicht nur genauer gerechnet. Aufgabe der Verwaltung ist es auch, den Erwartungen der Bürger gerecht zu werden. "Und die sind gestiegen", sagt Wehle. Beispiel Kita-Plätze: "Unternehmen erwarten heute, dass Eltern Beruf und Familie in Einklang bringen. Da ist es nur logisch, dass Eltern wiederum von der Verwaltung erwarten, dass sie genügend Kita-Plätze zur Verfügung stellt." Bürger begegnen der Verwaltung mit einer anspruchsvollen Haltung, darauf muss sie reagieren. In Düsseldorf öffnete 2003 das Dienstleistungszentrum. Dort geht es um Service. "Die Verwaltung ist ein öffentlicher Bereich", sagt Wehle, der als Dozent junge Verwaltungsmitarbeiter auf die neuen Herausforderungen vorbereitet. "Missmutige Angestellte und eine wenig einladende Atmosphäre darf es im Amt nicht geben. Jede Begegnung mit einem Bürger sollte mit der Frage beginnen: Was kann ich für Sie tun?"

Nun gibt es Bereiche, in denen der Kundenkontakt in der Regel angenehm verläuft. Wer ein Auto an- oder abmeldet, tut das zumeist guter Dinge. Schwieriger wird es in Ämtern, die sich mit problematischen Themen beschäftigen. Mit Sozialwohnungen zum Beispiel. Wehle hat die Fachstelle für Wohnungsnotfälle geleitet. Er hat versucht, Obdachlosen Wohnungen zu vermitteln oder fristlose Mietkündigungen zu verhindern. Oft konnte er helfen, aber eben auch nicht immer. Und wenn er dann das Vorurteil hört, Verwaltungskarrieren verliefen gemütlich, klingt sein rheinischer Dialekt plötzlich härter: "Glauben Sie mir: Die meisten meiner Kollegen wissen, wie sich schlaflose Nächte anfühlen."

Um junge Kollegen nicht alleine zu lassen, bietet die Düsseldorfer Stadtverwaltung Supervisionen an, die Nachfrage ist groß. Gefühllose Technokraten sind in Verwaltungen eher die Gespenster der Vergangenheit. Wehle: "Ich erlebe heute in den Ämtern eine andere Kultur, was auch damit zu tun hat, dass es heute viel mehr weibliche Führungskräfte gibt." Vor 30 Jahren waren der gehobene und höhere Dienst beinahe reine Männerdomänen. Mittlerweile geht es vielfältiger zu, zumal es häufig vorkommt, dass Fachkräfte aus der Wirtschaft in die Verwaltung wechseln: Juristen etwa oder Stadtplaner. Und wenn Wehle gefragt wird, was er mit seinem Potenzial bei einem Unternehmen hätte erreichen können, antwortet er: "Mehr Geld? Wahrscheinlich. Aber man sollte den Wert von Sicherheit nicht unterschätzen."

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