Mobilität:Privates geht vor

Sie sind jung und gut ausgebildet - aber nicht bereit, ihre Heimat zu verlassen. Immer mehr Firmen in Deutschland macht die mangelnde Lust des Nachwuchses auf Auslandsjobs zu schaffen.

Von Christine Schultze/dpa

Ein interessanter Job im Ausland galt einmal als Auszeichnung und Karriereschritt schlechthin. Das gilt heute nicht mehr. Viele junge und hochqualifizierte Fachkräfte sind skeptisch. Eine Führungsposition - ja gerne, aber nur, wenn sie sich mit Familie, Freundeskreis und Hobbys verträgt. Manches international tätige Unternehmen stellt die schwindende Mobilität der Generation Y inzwischen vor Probleme.

Der Tiefbauspezialist Bauer aus dem oberbayerischen Schrobenhausen beispielsweise braucht regelmäßig gute Leute für Auslandstätigkeiten im Maschinen-Vertrieb oder für Bauprojekte. Meist werde man auch fündig, sagt Personalchef Stefan Reindl. "Allerdings stellen auch wir fest, dass es tendenziell schwieriger wird, Personal zu finden, das dauerhaft bereit ist, weltweit auf Projekten zu arbeiten." Auch blieben Mitarbeiter heute kürzer im Ausland, weil das Familienleben einen höheren Stellenwert habe als noch vor einigen Jahren. Auch zum Autobauer BMW kommen zunehmend Bewerber mit individuellen Vorstellungen: "Für viele sollte sich der Job nach dem Lebensentwurf richten und nicht umgekehrt", sagt ein Unternehmenssprecher.

Der Trend lässt sich auch an den regelmäßigen Studenten- und Mitarbeiter-Befragungen des Autozulieferers Continental ablesen. Im vergangenen Jahr etwa antwortete die Hälfte der befragten jungen Leute auf die Frage, wo sie sich einen Arbeitsplatz suchen wollen: "In der Region, in der ich jetzt lebe." Junge Conti-Mitarbeiter, die bereits im Ausland waren, zeigten sich zwar deutlich offener für einen internationalen Job. Weder Studenten noch Fachkräfte wären aber der Befragung zufolge zu größeren Abstrichen beim Privatleben zugunsten der Karriere bereit.

Dabei fehlt es durchaus nicht an der Reiselust, sagt Jutta Boenig, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Karriereberatung. Viele junge Leute seien aber schon vor ihrem Berufsleben weit herumgekommen und deshalb mit Jobs in Übersee nur noch schwer zu locken. Wer als Kleinkind schon von den Eltern gefragt werde, wohin die Urlaubsreise gehen soll, sei halt verwöhnt. Nur ganz am Anfang ihrer Laufbahn nähmen die Hochqualifizierten eine Auslandsstation noch gerne mit - aber dann schon bitte schön in China, und nicht in den USA, wo sie schon ihr Auslandssemester verbracht haben.

Die Personalberatung PageGroup verweist auf die positiven Seiten einer neuen "Emanzipation" der Arbeitnehmer: "Fachkräfte sind sich ihres Wertes sehr bewusst und wissen, was sie wollen. Sie wünschen sich, dass Unternehmen auch auf sie zukommen, statt immer nur andersherum", sagt Goran Baric, Deutschland-Chef von PageGroup. Neben der demografischen Entwicklung sorge auch die gute Konjunktur dafür, dass sich Deutschland zu einem Bewerbermarkt entwickelt hat. "Kaum ein Land bietet derzeit so gute Voraussetzungen für den beruflichen Aufstieg."

Auslandsstationen dürften allerdings auch künftig für angehende Spitzenleute in internationalen Firmen dazugehören - aber eben nicht mehr um jeden Preis, sagt Baric. Mitarbeiter erwarteten einen greifbaren Mehrwert: "Zum Beispiel die Chance, in einem anderen Land etwas ganz Neues aufzubauen und sich dabei sehr stark weiterzuentwickeln." Bei Auslandsjobs auf Zeit sollten den Kandidaten auch Perspektiven für die Zeit danach geboten werden: "Die Situation im Ausland sollte ein Karriere-Kick sein und kein Karriere-Knick."

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