Mobbing im Internet:"Wir haben dieselben miesen Tricks"

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Gemobbte Lehrer schlagen zurück: Sie manipulieren Internetseiten, auf denen sich Schüler austauschen.

Rufmord, Porno-Montagen und sogar simulierte Hinrichtungen - im Internet werden Lehrer massiv gemobbt. "Viele Kollegen wissen gar nicht, dass Schüler sie anonym aufs Übelste beschimpfen", sagt Michael Rathe, Kunstlehrer an der Carl-Friedrich Gauß-Schule in Hemmingen bei Hannover. Als der 54-Jährige sah, dass für eine Spanischkollegin ein eigener Hass-Club in Netz existierte, beschloss er zurückzuschlagen. Binnen drei Tagen beförderte er sich und sechs Kollegen durch Bewertungen auf der Seite spickmich.de in die Top Ten der besten Lehrer Deutschlands. "Wir haben dieselben miesen Tricks wie die Schüler angewendet und damit das System ad absurdum geführt", freut sich Rathe.

"Vergleichsweise harmlos": Lehrerbewertung auf spickmich.de (Foto: Foto: dpa)

Bei Spickmich.de können Pädagogen unter anderem in den Kategorien "sexy", "cool und witzig" oder "leichte Prüfungen" nach Schulnoten bewertet werden. Was auf dieser Seite passiert, ist nach Einschätzung des Deutschen Philologenverbands vergleichsweise harmlos, jedoch aus Datenschutzgründen bedenklich. "Viel schlimmer sind die Tausende von Videomitschnitten aus Klassenzimmern, die im Internet kursieren", sagt der Bundesvorsitzende Hans-Peter Meidinger. Häufig würden Bilder manipuliert, dann rolle etwa der Kopf des Lehrers oder werde in eine Pornoszene hinein montiert.

Das niedersächsische Kultusministerium sieht hingegen keinen Anlass zur Panik. Bei den Landesschulbehörden lägen keine Erkenntnisse über einen massiven Anstieg solcher Vorkommnisse vor, hieß es. "Die Schulen in Niedersachsen haben mit unseren Präventionserlassen ein geeignetes Instrumentarium, um dagegen vorzugehen", sagt Kultusminister Bernd Busemann (CDU). Auch Lehrkräfte seien kein Freiwild. "Sie können mit pädagogischen wie rechtlichen Mitteln gegen Mobbing vorgehen", erklärte der Minister.

Jedoch leiten nur die wenigsten Betroffenen rechtliche Schritte ein. Nach Angaben des Philologenverbands weihen viele Kollegen den Schulleiter nicht ein - sie verschweigen das Mobbing aus Scham. "Wir werden von der Politik mit dem Problem weitgehend allein gelassen", beklagt Meidinger. Eine rühmliche Ausnahme sei das Land Nordrhein- Westfalen, das gemobbten Lehrern mehr Rückendeckung geben will. Bei den Bezirksregierungen sollen dort Ansprechpartner bestimmt werden, an die sich die Opfer vertrauensvoll wenden können. Wie das NRW- Kultus- und Justizministerium am Mittwoch mitteilten, schaltet die Schulbehörde dann gegebenenfalls die Staatsanwaltschaft ein.

Im Fall des Hass-Clubs für eine Hemminger Lehrerin kam es so weit nicht. Die Seite wurde gelöscht. Nach der Guerilla-Aktion von Kunstlehrer Rathe entfernten die Betreiber von Spickmich zudem seine Schule von der Webseite. Für den 54-Jährigen ist die Sache damit aber nicht erledigt. Er will auch weiter die Umtriebe seiner Schüler im Internet verfolgen. "Die Kinder sollen merken: Wir sind nicht dümmer als Ihr."

© dpa, von Christina Sticht - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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