Mitarbeiter-Motivation:"Für ein 'Danke' braucht es kein Budget"

Fast 70 Prozent der Mitarbeiter machen einer Umfrage zufolge nur noch Dienst nach Vorschrift. Dabei wäre es so leicht, sie wieder zu motivieren. Ein Interview.

Von Nicola Holzapfel

Die Umfrage des Beratungsunternehmens Gallup zur Motivation deutscher Arbeitnehmer beschreibt eine traurige Wirklichkeit in deutschen Büros. Gerade mal 13 Prozent der Arbeitnehmer machen ihren Job mit vollem Engagement. Marco Nink von Gallup erklärt, woran das liegt.

Mitarbeiter und Chef

Wenn die eigene Meinung nichts zählt, kommt irgendwann die Resignation.

(Foto: Foto: photodisc)

sueddeutsche.de: 70 Prozent der Deutschen machen laut Ihrer Umfrage Dienst nach Vorschrift. Ist das nicht eine unglaublich hohe Zahl?

Marco Nink: Dieser Anteil ist seit Jahren annähernd gleich groß. Das sind Mitarbeiter, die machen ihren Job und sind mäßig produktiv. Aber sie haben ein eher ambivalentes Verhältnis zu ihrer Arbeit. Sie geben nur das Notwendigste. Eigene Ideen, eigener Antrieb ist da nicht wirklich vorhanden.

sueddeutsche.de: Aber sie fallen auch nicht negativ auf.

Nink: Sie fallen in der Regel nicht wirklich auf. Sie "tun keinem weh". Aber das Ziel muss es sein, diese Leute an das Unternehmen zu binden und dann davon zu profitieren.

sueddeutsche.de: Ist mangelnde Motivation eigentlich ansteckend?

Nink: Ja. Mitarbeiter, die gar keine Bindung mehr zum Unternehmen haben und schon innerlich gekündigt haben, sind voll von Resignation. Sie "hassen", was sie täglich tun. Sie zeigen auch Verhaltensweisen, die gegen die Interessen des Unternehmens laufen. Sie sind sehr unglücklich mit dieser Arbeitssituation und lassen das auch Kollegen wissen. Und da kann sich natürlich ein Ansteckungseffekt entwickeln.

sueddeutsche.de: Woran liegt es denn, das so vielen das Engagement fehlt?

Nink: Das liegt an schlechter Führung. Der direkte Vorgesetzte hat einen großen Einfluss auf das Arbeitsplatz-Umfeld. Wenn es da nicht stimmt, wird es schwierig für das Unternehmen.

Es fängt an mit einem Mangel an Lob und Anerkennung für gute Arbeit, die geleistet wurde. Das vermissen sechs von zehn Befragten. Dabei ist das ein ganz entscheidender Motivationsfaktor. Aus anderen Studien weiß man, dass jeder zweite Deutsche von Glückserlebnissen berichtet, wenn er gelobt wird oder eine Würdigung erfährt.

Das ist aber nicht so gemeint, dass jeder Vorgesetzte seine Mitarbeiter permanent loben soll. Mitarbeiter können sehr wohl entscheiden, ob nur die "Schulterklopf-Maschine" angeschmissen wird oder ob es berechtigtes und ernst gemeintes Lob ist.

Lob und Anerkennung das sind einfach mal ein "Danke" oder ein "Gut gemacht". Das erfordert keinerlei Budget und auch keinerlei großen Zeitaufwand. Das ist etwas, was sehr leicht umzusetzen ist.

sueddeutsche.de: Woran hapert es noch?

Nink: Wir haben auch gefragt, ob die Mitarbeiter wissen, was von ihnen erwartet wird. Und ob sie jeden Tag das tun können, was sie am besten können. Sieben von zehn Arbeitnehmern in Deutschland füllen eine Position aus, die nicht wirklich hundertprozentig zu ihnen passt.

sueddeutsche.de: Woran liegt das?

Nink: Da stellt sich natürlich die Frage nach der Personauswahl. Wird auf die Talente geschaut und darauf, was die Person mitbringt? Oder wird nur geprüft: Was für eine formale Bildung hat der Bewerber und was hat er schon gemacht? Ist das der Fall, dann werden Mitarbeiter in Jobs gesteckt, in denen sie gar nicht glücklich werden können. Denn wenn sie sich immerzu abrackern und versuchen gut zu sein obwohl sie gar nicht die nötigen Talente dafür mitbringen, verlieren sie mit der Zeit natürlich den Spaß an der Arbeit.

sueddeutsche.de: Haben Sie noch mehr Führungsfehler entdeckt?

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(Foto: Grafik: Gallup)

Nink: Viele beklagen, dass sich niemand auf der Arbeit, insbesondere nicht der Vorgesetzte, für sie als Mensch interessiert. Sie werden immer nur als Arbeitskraft gesehen, aber keiner hat mal Zeit für ein Gespräch.

Sie kritisieren auch, dass über das, was man geleistet hat, kein Feedback gegeben wird seitens der Vorgesetzten. Auch über den persönlichen Fortschritt wird ganz selten gesprochen. Viele Mitarbeiter leiden darunter, dass sie nicht nach ihrer Meinung zu bestimmten Themen gefragt werden, dass sie nicht in Prozesse eingebunden werden. Irgendwann resignieren sie.

sueddeutsche.de: Wie werden denn aus unzufriedenen Mitarbeitern wieder glückliche Arbeitnehmer?

Nink: Der Grad der emotionalen Bindung lässt sich ändern. Das ist über ganz Deutschland hinweg natürlich viel schwieriger als bei einzelnen Unternehmen.

Als Arbeitgeber muss ich meine Mitarbeiter fair behandeln, ich muss ein Umfeld schaffen, in dem der Mitarbeiter sich wohl fühlt, in dem er produktiv werden kann - und das ihn nicht krank macht.

Das Arbeitsumfeld wirkt sich auch auf den Gesundheitszustand aus. Arbeitnehmer, die eine sehr hohe Bindung an ihren Arbeitsplatz haben, fehlen deutlich seltener. Das kann für Unternehmen einen Unterschied in Millionen-Höhe ausmachen.

Oder wenn Sie an die Fluktuationskosten denken. Wir wissen, dass Mitarbeiter mit einer hohen emotionalen Bindung an ihren Arbeitsplatz dem Unternehmen treuer sind. Wenn Sie die Kosten für all das hoch rechnen, macht es durchaus Sinn, sich auf die "Ressource Mensch" zu konzentrieren.

sueddeutsche.de: Es rechnet sich also für die Unternehmen, ihre Mitarbeiter zu motivieren?

Nink: Ja. Es erkennen auch immer mehr Unternehmen, wie wichtig das Humankapital ist, gerade im Hinblick auf den Wettbewerb. Denn es lässt sich ja heute alles Mögliche kopieren, das Produkt, der Preis, die Marketingstrategie. Aber wenn ein Unternehmen ausgezeichnete Mitarbeiter hat, die an ihren Arbeitsplatz gebunden sind und motiviert sind, dann merkt das auch der Kunde. Das ist eine riesige Marketing-Ressource.

sueddeutsche.de: Das klingt alles so, als könne man aus den deutschen Beschäftigten noch eine Menge rausholen?

Nink: Man sollte weniger die Arbeitnehmer als Schuldige suchen als vielmehr die Führungskräfte. Auch die ganze Diskussion um den "Freizeitpark Deutschland" muss man relativeren. Unsere Umfrage zeigt, dass ein Großteil der Arbeitnehmer, auch wenn sie die Möglichkeit hätten, nicht mehr zu arbeiten - zum Beispiel weil sie viel geerbt haben - weiterarbeiten würden. Das zeigt, dass Arbeit ein ganz wichtiger Bestandteil für die Menschen in Deutschland ist. Aber das Umfeld, das muss optimiert werden.

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