Minijobs:Auch Beschäftigte auf 400-Euro-Basis haben Rechte

Minijobber sollten auf Lohnfortzahlung, Urlaubsanspruch und einen schriftlichen Arbeitsvertrag pochen sowie die Verjährungsfristen beachten.

Rolf Winkel

(SZ vom 30.4.2003) "Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse" - so werden die 400-Euro- oder Minijobs von Juristen genannt. Geringfügig heißt allerdings nicht geringwertig. Die kleinen Jobs stehen ausdrücklich unter dem Schutz des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, das eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten verhindern soll.

"Sie können gehen"

"Plötzlich hieß es: 'Wir brauchen Sie nicht mehr, wir organisieren die Arbeit jetzt anders, Sie können gehen!'" Mit dieser Aufforderung - es sollte wohl eine mündliche Kündigung sein - wurde Hans Weinert* von seinem Arbeitgeber, dem Chef einer großen Diskothek im Kölner Norden, Anfang dieses Jahres überrascht.

Acht Jahre hatte der inzwischen 68-Jährige für die Firma als Nachtwächter gearbeitet. 56 Stunden im Monat übte er hier eine geringfügige Beschäftigung aus, die zuletzt monatlich mit 325 Euro entlohnt wurde. Als schriftliche Unterlagen hatte er lediglich Lohnabrechnungen in der Hand, einen schriftlichen Arbeitsvertrag hat er nie gesehen. Jetzt will er gerichtlich gegen den Vergnügungsbetrieb angehen.

Denn eine Kündigung bedarf seit Mai 2000 der Schriftform. Mithin besteht sein Arbeitsverhältnis noch, wie er der Firma auch per Einschreiben mitgeteilt hat. Zudem will er nun "in einem Aufwasch" entgangenes Urlaubsgeld gleich für alle acht Jahre geltend machen. Denn seit 1995 wurde ihm weder Urlaub gewährt noch Urlaubsgeld gezahlt.

Von wegen zweite Klasse

"Das ist kein Einzelfall", meint Michael Felser, Anwalt für Arbeitsrecht im rheinischen Brühl. Mini- und Nebenjobber werden nach seiner Erfahrung von Arbeitgebern oft genug lediglich als rechtlose Aushilfen angesehen. Hinzu kommt: Die Jobber selbst pochen auch nur selten auf das Arbeitsrecht. Dabei handelt es sich bei diesen Jobs rechtlich gesehen keineswegs um Arbeitsverhältnisse zweiter Klasse. Vielmehr gelten folgende rechtlichen Bestimmungen:

Lohnfortzahlung im Krankheitsfall: Im Krankheitsfall muss Jobbern - wie allen anderen Arbeitnehmern - das Arbeitsentgelt bis zu sechs Wochen lang fortgezahlt werden. Das gilt allerdings erst dann, wenn das Arbeitsverhältnis vier Wochen lang ununterbrochen besteht. Wenn ein Jobber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt, muss er die durch Krankheit ausgefallene Arbeitszeit weder nacharbeiten noch darf der Arbeitgeber die Überweisungen kürzen.

Wichtig zu wissen: Die meisten Arbeitgeber von Minijobbern müssen die Umlagen "U1" und "U2" nach dem Lohnfortzahlungsgesetz an die neue Minijob-Zentrale abführen. Das kostet sie bei einem vollen 400-Euro-Job ganze 5,20 Euro im Monat. Aufgrund dieser Umlagen können sich private Haushalte und auch kleinere Unternehmen, die gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigen, 70 Prozent der Lohnfortzahlungskosten wieder erstatten lassen.

Krankengeld: Vom 43. Krankheitstag an gehen Minijobber allerdings leer aus. Von diesem Tag an braucht der Arbeitgeber nicht mehr zu zahlen. Und die Krankenkasse springt für Minijobber - anders als für andere festangestellte Beschäftigte - nicht ein. Der Hintergrund: Die Arbeitgeber führen zwar Krankenkassenbeiträge für ihre geringfügig Beschäftigten ab. Das Geld fließt auch an die Krankenkassen weiter, aber lediglich in den Risikostrukturausgleich. Krankenversichert sind die Mini-Jobber hierdurch nicht. Somit haben sie, so will es der Gesetzgeber, auch keinen Anspruch auf Krankengeld.

Urlaub: Mini-Jobbern steht der gesetzliche Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz (24 Werktage) zu. Wenn es im Betrieb üblich oder per Tarifvertrag geregelt ist, besteht auch Anspruch auf längeren Urlaub, meist auf sechs Wochen. Während des Urlaubs muss der Arbeitgeber den Lohn auch ohne Arbeitsleistung fortzahlen. Der Lohn muss auch dann fließen, wenn die Arbeit wegen eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, der Tag braucht dann auch nicht "nachgearbeitet" werden.

Urlaubs- und Weihnachtsgeld: Geringfügig Beschäftigte haben Anspruch auf ein anteiliges Urlaubs- und Weihnachtsgeld, falls diese Zahlungen im Betrieb üblich bzw. tarifvertraglich geregelt sind. Beispiel: Im Arbeitsvertrag eines Minijobbers ist eine wöchentliche Arbeitszeit von 9,5 Arbeitsstunden vorgesehen, das sind 25 Prozent der Wochenarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten mit 38 Stunden im gleichen Betrieb. Das Urlaubsgeld des Vollzeitbeschäftigten beträgt 600 Euro, in diesem Fall kann der Minijobber das anteilige Urlaubsgeld von 150 Euro beanspruchen. Beim Weihnachtsgeld wird genauso verfahren.

Vorsicht bei Sonderzahlungen: Wenn Minijobber auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld erhalten, könnte die 400-Euro-Grenze überschritten werden. Die Beschäftigung wird dann versicherungs- und beitragspflichtig. Um das zu vermeiden, können Arbeitszeit und Entgelt entsprechend verringert werden, so dass sich ein Jahresarbeitsentgelt von höchstens 4800 Euro (z.B. 12 x 350 Euro plus 450 Euro Weihnachtsgeld plus 150 Euro Urlaubsgeld) ergibt.

Sozialbeiträge: Immer wieder wird es versucht, aber es ist illegal: Arbeitgeber dürfen die von ihnen zu zahlenden pauschalen Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung nicht auf die geringfügig Beschäftigten abwälzen. Sie dürfen diesen auch nicht die Hälfte der Beitragslast aufbürden. Denn Minijobs sind für Arbeitnehmer grundsätzlich sozialabgabenfrei. So urteilte auch, bezogen auf die bis Ende März 2003 geltende Rechtslage, das Arbeitsgericht Kassel (6 Ca 513/99).

Wenn Ansprüche verfallen

Um all diese Regelungen hatte sich Hans Weinert wenig gekümmert, so lange sein Beschäftigungsverhältnis bestand. Erst nach der Kündigung hat er sich bei der Gewerkschaft IG BCE beraten lassen, der der 68-jährige ehemalige Chemiearbeiter schon seit Jahrzehnten angehört. Die Gewerkschaft will ihm nun auch Rechtsschutz für den zu erwartenden Rechtsstreit mit seiner Firma geben.

Klar ist dabei allerdings: Für den ganzen Zeitraum seit 1995 wird er das ausstehende Urlaubsgeld nicht erstreiten können. "Aber drei Jahre rückwirkend kann man Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis schon geltend machen", erläutert Rechtsanwalt Michael Felser. Geregelt ist das in der Schuldrechtsreform von 2002.

In vielen Fällen gelten allerdings die in aller Regel weit kürzeren tariflichen Ausschlussfristen. Danach muss man Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis häufig innerhalb eines Zeitraums von ein bis drei Monaten einfordern. Und der Anspruch auf Urlaub selbst verfällt, wenn er nicht bis zum Jahresende genommen oder ausnahmsweise bis zum 31. März des Folgejahres übertragen wurde.

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