Menschenkenntnis im Büro:Zeig mir deine Finger und ich sage dir, wer du bist

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Wer im Job vorankommen will, ist auf das Vertrauen seiner Kollegen angewiesen. Um das zu bekommen, ist Menschenkenntnis nötig. Die kann man lernen - vielleicht hilft ein Blick auf den Körperbau.

Maria Holzmüller

Ein ganz gewöhnlicher Morgen in Ihrem Büro: Ihr Kollege verrät Ihnen, dass die Stelle, die Sie schon lange wollen, demnächst frei werden könnte - hat er aus vertraulicher Quelle. Ihr Chef begrüßt Sie freudig und hört gespannt zu, als Sie ihm eine neue Idee präsentieren - und nimmt sie gleich mit ins wichtige Meeting mit dem Vorstand. So könnte Ihr Alltag aussehen - wenn Ihnen alle Menschen in Ihrem Umfeld vollstens vertrauen.

Nur nicht fallen lassen! Nur wer sich sicher fühlt, vertraut dem Kollegen voll und ganz. (Foto: dpa)

Einer, der sich damit auskennt, sich das Vertrauen der Menschen zu erarbeiten, ist Leo Martin. Der studierte Kriminalwissenschaftler, der eigentlich anders heißt, arbeitete zehn Jahre lang als Agent. V-Leute zu gewinnen, die ihm beim Erreichen seiner Ziele behilflich sind, war Teil seines Arbeitsalltags. Damit auch herkömmliche Angestellte künftig auf ihre V-Leute im Unternehmen zählen können, teilt Martin sein Wissen jetzt in seinem Buch Ich krieg dich! Menschen für sich gewinnen - Ein Ex-Agent verrät die besten Strategien (Ariston Verlag) mit der Öffentlichkeit.

Sein Tipp Nummer eins: eine positive Ausstrahlung zulegen. Wer morgens missmutig durchs Büro stapft, ist sicherlich nicht der erste Ansprechpartner für die Kollegen oder den Chef - auch dann nicht, wenn es um die nächste Beförderung geht. "Wenn ich Menschen für mich gewinnen will, ist das keine attraktive Haltung", sagt Martin.

Zweiter Schritt auf dem Weg zum Vertrauen der Kollegen: sich selbst ein klares Profil verleihen. "Der andere muss wissen, worauf er sich einlässt. Vertrauen kann ich nur jemanden, von dem ich weiß, woran ich bin. Das gibt mir das Gefühl von Sicherheit." Kollegen und Chef sollten also deutlich sehen, welche Ziele man verfolgt - oder zumindest das Gefühl haben.

Notwendig: ein Perspektivwechsel

Wenn die anderen wissen, woran sie sind, ist das schon mal gut. Aber fast noch wichtiger für ein gutes Miteinander ist das eigene Verständnis für die Kollegen. Wer sie durchschaut, kann sie erst recht für sich gewinnen. Dieser Meinung ist auch Martin Betschart. Der Schweizer Management-Trainer veröffentlichte zuletzt ein Buch mit dem Titel Ich weiß, wie du tickst - Wie man Menschen durchschaut (Orell Füssli Verlag).

Seiner Meinung nach essentiell für die gute Stimmung im Büro: Gespür für die Bedürfnisse des Gegenübers. "80 Prozent aller Konflikte entstehen, weil wir von uns selbst ausgehen." Was eigentlich längst selbstverständlich sein sollte, sieht auch Ex-Agent Martin als Problem: "Ich muss die aufrichtige Bereitschaft mitbringen, für einen Interessenausgleich zu sorgen. Ich muss sowohl meine als auch die Interessen des anderen sehen. Wir tappen oft in eine psychologische Falle und sehen nur unsere Ziele, aber wir müssen auch mal einen Perspektivenwechsel einnehmen", sagt er.

Beim Kollegen von nebenan, den man einfach nicht ausstehen kann, ist das nicht immer ganz einfach - aber manchmal kann auch sein Vertrauen wichtig sein. Also: "Wenn mir jemand unsympathisch ist, suche ich nach zwei oder drei Punkten, die ich trotzdem wertschätzen kann. Der grummelige Nachbar kann zum Beispiel durchaus ein toller Opa für seine Enkelkinder sein", rät Martin. Dass man sich selbst ab und zu anpassen und den Gepflogenheiten des Gegenübers folgen muss, um an den anderen heranzukommen, ist für ihn ein überwindbares Übel.

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So sehr ich jedoch versuche, mich über einen Perspektivenwechsel in mein Gegenüber einzudenken: Wie erkenne ich, was der Kollege wirklich will? Wie finde ich heraus, auf welche Art von Ansprache er am ehesten reagiert? Für Betschart ist das eine Frage der Menschenkenntnis - und die kann man seiner Meinung nach lernen. "Das ist wie mit einer Fremdsprache, am Anfang ist es vielleicht ein bisschen schwierig und man macht Fehler, aber irgendwann geht es automatisch", sagt er - und schwört allen Individualitäts-Theorien zum Trotz auf eine Drei-Typen-Einteilung.

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Laut Betschart gibt es den rotdominanten Menschen, den Macher, den Dynamischen, den Zupackenden. Der gründominante Typ sei der "Gemütsmensch", der Gesellige, Gemütliche, Kontaktfreudige. Und dann gebe es noch den Vernunfts-Typen, der abwägt, analysiert und überlegt, bevor er handelt, von Betschart als blaudominant kategorisiert. Alle drei Typen erfordern laut dem Schweizer besondere Umgangsformen. Wer die durchschaue, der habe im Nu das Vertrauen und die Sympathie der anderen sicher - obwohl es natürlich auch Mischformen gebe.

"Der Rotdominante braucht viel Anerkennung, also gebe ich sie ihm doch. Der Blaudominante braucht Fakten und Zahlen, also gebe ich sie ihm", sagt Betschart. An den Gründominanten kommt er am ehesten während einer gemeinsamen gemütlichen Kaffeepause heran.

Obwohl sie wissenschaftlich mehr als umstritten ist, schwört Betschart auf die Analyse und Typologisierug des Körperbaus. So wisse er schon nach dem ersten Blick, wie er mit neuen Kollegen am besten umgeht, sagt er. "Der rote Macher-Typ hat meist einen breiten, kräftigen Körperbau und gut entwickelte Muskulatur. Oft prägen markante Züge und eine deutlich ausgeprägte Kinnpartie sein Gesicht." Arnold Schwarzenegger und Tina Turner seien solche zupackenden Typen.

Wenn der neue Kollege hingegen eher rundlich ist, zu Übergewicht neigt, eine weiche Haut und kurze Finger hat, dann steht laut Betscharts Theorie ein geselliger grüner Gemütstyp vor einem. Ein freundschaftlich-vertrautes Gespräch kann demnach nicht schaden.

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Und die blaudominanten Verstandstypen? "Die haben meist einen schmalen Körperbau, feingliedrige Arme und Finger und eine hohe Stirn." So wie Barack Obama oder Günther Jauch. Auch wenn anerkannte Wirtschaftspsychologen derartige Kriterien bei der Personalauswahl kritisieren, Betschart beharrt darauf, dass die körperlichen Merkmale für die Einordnung von Persönlichkeitstypen unerlässlich sind - denn das Verhalten der meisten Menschen sei antrainiert und nicht mehr authentisch. Das einzige Problem, dass er bei dieser Art der Einteilung sieht: plastische Chirurgie, die die körperliche Erscheinung der Menschen verändere.

Aussortieren bei der Stellenanzeige

Chefs, die gezielt die richtigen Typen in ihrem Team vereinen wollen, sollten laut Betschart auf die Formulierungen ihrer Stellenanzeigen achten: "Ein Rotdominanter fühlt sich von Wörtern wie 'leistungsorientiert' und 'Wettbewerb' angesprochen, während ein Gründominanter sich eher bewirbt, wenn die Rede von einem "familiären Betrieb" ist", sagt er.

Wem diese Vorgehensweise dann doch zu obskur erscheint, muss sicherlich nicht verzagen. Auch in herkömmlichen Auswahlverfahren lassen sich die richtigen Mitarbeiter finden - und das Vertrauen der anderen lässt sich meist auf ganz konventionellem Wege erarbeiten. Ein gemeinsamer Kaffee, eine präzise Arbeitsanweisung, ein offenes Ohr für die Probleme - einfach nicht mehr nur auf sich selbst fokussiert sein.

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