Mein Kollege sagt ...:"Wieso sollte ich pünktlich sein?"

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Manche Kollegen kommen grundsätzlich zu spät. Das zeigt: Sie nehmen weder die Kollegen noch die Arbeit wichtig - eine ganz spezielle Form der Arroganz.

J. Bönisch

Frustrierte könnten das Pünktlichkeitsproblem einfach so lösen wie Andy Grove.

c.t., m.c.t. oder mm.c.t.: Nicht immer steckt mieses Zeitmanagement oder Planlosigkeit dahinter, wenn der Kollege zu spät kommt. Oft ist es auch volle Absicht. (Foto: Illustration: Astrid Müller)

Der frühere Intel-Chef hatte irgendwann die Nase voll von Mitarbeitern, die ständig zu spät zu Meetings kamen. Eines Tages setzte er sich an den Kopf des Konferenztisches, ausgerüstet mit einem derben Stock von der Größe eines Baseballschlägers. Daran war eine behandschuhte Plastikhand befestigt, die den Mittelfinger zu einer nicht jugendfreien Geste ausstreckte. Damit hämmerte Grove immer wieder auf den Tisch und schrie aus Leibeskräften:

"ICH WILL NIE, NIEMALS WIEDER AN EINEM MEETING MIT LEUTEN TEILNEHMEN, DIE NICHT PÜNKTLICH ANFANGEN UND AM ENDE ÜBERZIEHEN."

Brutal, aber effektiv: Angeblich erschien danach nie wieder ein Mitarbeiter zu spät zu einer Konferenz.

Langweilig, doof und vorhersagbar

Zugegeben, die meisten Meetings sind langweilig, doof und absolut vorhersagbar: Der eine Kollege sagt nie was, der andere sagt immer was, und der Dritte sagt: "Das wollte ich auch gerade sagen." Nach zwei verschenkten Stunden und diversen Tassen Kaffee gehen die Teilnehmer wieder zurück an ihre Schreibtische und tun sowieso, was sie wollen. Selbst, wenn vorher - ein seltenes Ereignis - etwas anderes beschlossen worden sein sollte.

Denn in 99 Prozent aller Fälle traut sich niemand, noch nicht einmal das Alphatier, eine konkrete Entscheidung zu treffen: "Das schauen wir uns noch mal an." Oder: "Das will wohlüberlegt sein, darüber sprechen wir beim nächsten Mal." Und: "Was das angeht, sind wir noch in der Findungsphase."

So befinden sich selbst große Unternehmen mit Hunderten Mitarbeitern zum 50. Firmenjubiläum noch immer in der Findungsphase, die einfach kein Ende nehmen will. Kein Wunder, dass sich viele Mitarbeiter solch unnütze Zusammenkünfte am liebsten sparen würden.

c.t., m.c.t., mm.c.t.

Um also die Leidenszeit zu verkürzen, kommen sie nicht wie vereinbart pünktlich um zehn (Zeit: welch dehnbarer Begriff), sondern trudeln um Viertel nach ein, frühestens. Nachdem sich dieses Spielchen einige Wochen wiederholt, wagt es tatsächlich jemand, sie um Pünktlichkeit zu bitten. In diesem Fall haben die Verspäteten üblicherweise zwei Ausreden parat:

1. Der Verweis auf das akademische Viertel.

Obwohl der Bürobetrieb kaum etwas mit dem Studentendasein zu tun hat, scheuen sie sich nicht, großzügig 15 Minuten auf den Konferenzbeginn aufzuschlagen. "Ist doch cum tempore hier, oder?" Die richtig Unverfrorenen beziehen sich nicht nur auf c.t., sondern gleich auf m.c.t. (magno) oder mm.c.t. (maximo). Das schenkt ihnen sogar eine Dreiviertelstunde.

Auf der nächsten Seite: Wie die zweite Ausrede lautet - und ob sie funktioniert.

2. Der Verweis auf andere Unpünktliche.

"Wieso sollte ich denn pünktlich kommen? Die Kollegen S. und R. kommen doch auch immer zu spät." Diese Argumentation entspricht in ihrer Komplexität etwa dem Niveau eines Streits um den besten Platz im Sandkasten - kein weiterer Kommentar.

Solange eine Verspätung eine wenn auch regelmäßige Ausnahme bleibt und nur auf mieses Zeitmanagement und chronische Planlosigkeit zurückzuführen ist, könnte das Team darüber hinwegsehen und in den ersten Minuten einfach Small Talk zum Aufwärmen betreiben.

Einfach stoisch weiterreden

Oft genug steckt hinter der Trödelei aber Strategie - und eine hinterlistige Form von Überheblichkeit: "Ich setze andere Prioritäten", heißt das. "Ich bin so wichtig, dass ihr ruhig ein bisschen auf mich warten könnt."

Um solche arroganten Dauerverspäter in die Schranken zu weisen, hilft nur, wirklich pünktlich anzufangen und auch dann stoisch weiterzureden, wenn sie mitten im Meeting den Raum betreten. Oder ihnen für Punkt zehn eine Besprechungseinladung schicken, obwohl sich die anderen erst um halb elf treffen.

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