Mein Kollege sagt ...:"Lass uns noch auf ein Bier gehen"

Für die einen ist es schlicht undenkbar, in seiner Freizeit noch etwas mit Kollegen zu unternehmen. Für die anderen ist das gemeinsame Feierabendbier der schönste Ausklang, den ein Arbeitstag überhaupt haben kann.

Julia Bönisch

Ying und Yang, schwarz und weiß, Jekyll und Hyde - die Welt ist bedeutend einfacher zu verstehen, wenn wir sie auf ein einfaches Entweder-oder-Schema reduzieren. Davon zeugen zahlreiche Diskussionen im Freundeskreis: Entweder "Doktor House" oder "In aller Freundschaft"; Mac gegen Windows; Chucks vs. Vans. Aber beides zusammen, das geht niemals. Wie schön, wenn man sich an solche Dogmen klammern kann.

Bar, dpa

Alleine in die Bar? Oder doch lieber mit den Kollegen? An der Frage scheiden sich die Geister.

(Foto: Foto: dpa)

Auch das Büro ist voller Dualismen, dort kann die Welt so einfach sein. Chef trifft auf Mitarbeiter, High Potential auf Under Performer und Ober auf Unter (meist durch das Wörtchen "sticht" verbunden). Doch nicht nur, was die Hierarchien angeht, ist die Arbeitswelt zweigeteilt. Auch an einer anderen, wesentlichen Frage scheiden sich die Geister. Gegenspieler sind in diesem Falle Weißbier-Tyrannen und Familienmenschen.

Der ewige Streit

Ihr ewiger Streit dreht sich um das Feierabendbier. Erstere nehmen es ausschließlich mit Kollegen ein, Letztere niemals.

Für den Familienmenschen ist es schlicht undenkbar, in seiner Freizeit noch etwas mit Kollegen zu unternehmen. Nach 40, 50 oder 60 Stunden gemeinsam in einem muffigen Raum ohne Klimaanlage, dafür aber voller atmosphärischer Störungen, liegt ihnen nichts ferner, als diese noch in einer mittelguten Bar um die Ecke zu diskutieren.

Unvereinbare Argumente

Für den Weißbier-Tyrannen dagegen ist die Windows-Melodie beim Herunterfahren des Computers das Signal zum Aufbruch. Mit strahlendem Lächeln steckt er den Kopf ins Nachbarbüro und fragt: "Gehen wir noch auf ein Feierabendbier?" Mit wem, wenn nicht mit Kollegen, könnte man die Ereignisse des Tages so gut diskutieren? Der Partner daheim kann sich schließlich gar nicht vorstellen, welch erschreckende Ausmaße die Dummheit vom L. mittlerweile angenommen hat. Das diskutiert man doch lieber mit denen, die auch darunter leiden müssen.

Genauso wie Mac- und Windows-Gläubige kommen diese beiden Gruppen nie zusammen. Ihre Argumente sind einfach unvereinbar. Die einen behaupten, das Feierabendbier mit Kollegen fördere Engagement und Identifikation mit dem Unternehmen - und sei außerdem noch sehr gesellig. Die anderen glauben fest daran, dass die beste Basis für eine gute Zusammenarbeit ein möglichst seltener Sozialkontakt ist. Wenn sie vom anderen den Vornamen kennen, ist das fast schon zu viel Information.

Auf der nächsten Seite: Wie der tiefe Riss, der hier durchs Team geht, leicht zu beheben wäre.

"Lass uns noch auf ein Bier gehen"

Stehtische im Konferenzraum

Der tiefe Riss, der hier durchs Team geht, wäre leicht zu beheben. Um wie viel einfacher wäre die Zusammenarbeit, wenn der Chef das Trinken im Büro institutionalisierte: Wie zu Hochzeiten der New Economy stünde in der Kaffeeküche eine Auswahl an Kaltgetränken bereit, im Konferenzraum würde der lange Besprechungs- durch mehrere Stehtische ersetzt und statt der unangenehm hellen Halogenstrahler könnte man als Lichtquelle mit dem Beamer die neuesten Musikvideos von Youtube an die Wand werfen.

Um dem Familienmenschen die Teilnahme an dieser Art des Feierabendbiers zu erleichtern, müsste die Veranstaltung freilich mindestens eine Stunde vor Dienstschluss beginnen. So würde es ihm unmöglich gemacht, einfach nach Hause zu gehen.

Man könnte nun einwenden, unter solchen Maßnahmen leide die Produktivität. Schließlich würde so mindestens eine Stunde weniger gearbeitet. Doch das Gegenteil ist der Fall - und mit solch einer Maßnahme ist das Feierabendbier endlich dort angekommen, wo es auch hingehört, nämlich ins Büro. Denn zuverlässige Studien haben ergeben: Auch beim Feierabendbier in der Kneipe um die Ecke dreht sich das Gespräch doch sowieso immer nur um eines - die Arbeit.

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