Medizinstudium:Nachwuchsarzt zum Nulltarif

Deutsche Medizinstudenten im Praxisjahr arbeiten Vollzeit - aber häufig ohne Bezahlung. Das treibt viele ins Ausland.

Charlotte Frank

Also ein "Ehrenkodex" - das Wort ärgert Patrick Weinmann fast am meisten an der Email, die die Universität Mainz kürzlich an ihre Medizinstudenten schickte: In Absprache mit den Lehrkrankenhäusern habe man "folgenden Ehrenkodex erstellt: Es gibt ab sofort keine Bargeldzuweisungen für PJ-Studenten."

Medizinstudium: 38,5 Stunden pro Woche sind "PJ'ler" im Einsatz - viele Stationen würden ohne sie gar nicht mehr funktionieren.

38,5 Stunden pro Woche sind "PJ'ler" im Einsatz - viele Stationen würden ohne sie gar nicht mehr funktionieren.

(Foto: Foto: dpa)

PJ, das steht für "Praktisches Jahr", also für die letzten zwölf Monate des Studiums, das angehende Mediziner im Krankenhaus absolvieren. 38,5 Stunden pro Woche sind sie im Einsatz, und glaubt man Patrick Weinmann, dem Studentenvertreter der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, würden viele Stationen ohne die "PJ'ler" gar nicht mehr funktionieren. Dennoch ist ihre Bezahlung laut einer Umfrage des Berufsverbands Hartmannbund die Ausnahme - und wenn überhaupt, überschreitet sie selten ein paar hundert Euro im Monat. Oft gibt es aber auch nur Zuschüsse zum Essen oder zum Busticket. Oder eben gar nichts.

Entzug des begehrten Titels

In der Vergangenheit sind deshalb immer mehr junge Ärzte ins Ausland abgewandert. Für Deutschland belegt eine Studie der Universität Bochum die "systematische Demotivation" der PJ-Studenten: 48,7 Prozent von ihnen sehen ihre Berufswahl negativ. Vor allem wegen des Mangels an Nachwuchsmedizinern hat der Marburger Bund in den letzten Jahren einen Trend zur Entlohnung festgestellt. Der aber bringt Konflikte mit sich. Denn wer zahlt, hat einen Vorteil im Wettbewerb um die raren Jung-Ärzte.

In Mainz hat die medizinische Fakultät deshalb nicht nur beschlossen, dass die Uni nichts mehr zahlt, sondern es gilt nun auch folgende Regel: Sachleistungen dürfen 1000 Euro pro Tertial nicht überschreiten, sonst müssen Häuser damit rechnen, dass es zu keiner Vertragsverlängerung als Lehrkrankenhaus kommt. Während Studiendekan Reinhard Urban betont, dies sei im Einklang aller Mainzer Kliniken beschlossen worden, wollen Ärztevertreter immer häufiger beobachten, dass Unikliniken Druck auf Lehrkrankenhäuser ausüben und mit Entzug des begehrten Titels drohen.

Ausbeutung als 'Ehrenkodex'

Bei der Umfrage des Hartmannbundes zur PJ-Vergütung erfährt man etwa über die Kliniken des Main-Taunus Kreises, ein Lehrkrankenhaus der Uni Frankfurt: Man sei gezwungen, "solche Zahlungen zu unterlassen, da sonst der Status als Lehrkrankenhaus entzogen wird." Auch in Jena laufen alle Häuser, die mehr als 400 Euro zahlen, Gefahr, von der Liste der Lehrkrankenhäuser gestrichen zu werden. Und in Berlin weigert sich die Charité, PJ'ler an Kliniken der Kette Helios zu schicken: "Das soll sich erst ändern, wenn wir die Bezahlung einstellen", sagt eine Helios-Sprecherin.

In Mainz hat dieses Verhalten nun laut Ärztevertretern seinen Höhepunkt erreicht: "Das ist das erste Mal, dass die Ausbeutung als 'Ehrenkodex' bezeichnet wird", so der Studentenvertreter des Marburger Bundes, Patrick Weinmann. Studiendekan Urban hingegen steht zu dem Ausdruck: "Studenten im PJ haben keinen Abschluss. Ihnen eine Vergütung zu zahlen, würde zeigen, dass man sie als Arbeitskräfte missbraucht." Der Marburger Bund will nun stärker dafür kämpfen, dass Studenten die Klinik für ihr PJ selbst auswählen dürfen.

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