MBA-Studium:Kaderschmiede des Kapitals

Mit einem eigenen MBA-Programm will die deutsche Wirtschaft die Top-Manager von morgen ausbilden.

Gregor Schiegl

Die Mission hatte als Routine begonnen. Aber nun sind sieben Menschen tot und die Nerven der Verantwortlichen liegen blank. "Sie sind der Filter, der alles Unwesentliche von mir fern halten sollte", poltert der Manager über das weiße Halbrund seines Tischs gebeugt, aber ein Sicherheitsproblem sei ja wohl nichts Unwesentliches. Don, sein Untergebener, schiebt den schwarzen Peter an die Ingenieure weiter: "Ich habe alle Informationen weitergegeben, die ich hatte." Hätten die Techniker die Katastrophe verhindern können? "Absolut nicht!", ruft der Ingenieur. Sie hätten ihre Bedenken mitgeteilt, aber nicht die Mittel bekommen, um zu beweisen, dass die Astronauten der Raumfähre Challenger in tödlicher Gefahr waren.

Derek F. Abel, Präsident der European School of Management and Technology

Der Präsident der European School of Management and Technology, Derek F. Abel.

(Foto: Foto: dpa)

Die Leute, die sich hier die Köpfe heiß reden, sitzen nicht in Washington, sondern in Berlin, im ersten Stock des ehemaligen Staatsratsgebäudes. Von Raumfahrt haben sie keinen Schimmer. Aber um Raumfahrt geht es auch nur vordergründig. Das eigentliche Thema ist Corporate Governance: die Kunst, ein Unternehmen zu regieren. Schlechtes Management kann nämlich nicht nur Bilanzen verhageln und Arbeitsplätze vernichten - im schlimmsten Fall kostet es Menschenleben. "Sie tragen Verantwortung", schärft der Dozent für Organizational Behaviour, Konstantin Korotov, den Studenten ein. "Diese Verantwortung ist der Grund dafür, dass Sie mehr verdienen als ein Fließbandarbeiter." Nach der Ausbildung werden es im Schnitt 120.000 Euro sein.

Hier, wo einst Erich Honecker unter dem Emblem von Hammer und Zirkel saß, werden seit Beginn des Jahres die zukünftigen Führungspersonen der Wirtschaft ausgebildet. Zumindest ist das der Anspruch der Talentschmiede in Berlin, der European School of Management and Technology (ESMT). Die Schule soll talentierte Nachwuchsmanager davon abhalten, für ihre Ausbildung ins Ausland abzuwandern. Die Zahlen der zurückliegenden Jahre waren alarmierend: Der Akkreditierungsbehörde FIBAA zufolge wurden im Jahr 2001 nur etwa 200 Studenten in Deutschland mit dem Master of Business Administration (MBA) graduiert. Zehnmal so viele Deutsche nahmen an MBA-Programmen in den USA und Großbritannien teil.

Die Unternehmen schreiben MBA-Absolventen Eigenschaften zu, die sie zu besonderen Führungsaufgaben befähigen: gutes Auftreten, Erfahrung, Zielstrebigkeit, analytische Fähigkeiten und Internationalität. Seit Ende der neunziger Jahre werden daher auch in Deutschland vermehrt MBA-Programme aufgelegt. Die Vielfalt ist inzwischen so groß, dass selbst Experten Mühe haben, den Überblick zu behalten.

Im vergangenen Sommer versuchte das Staufenbiel-Institut für Studien- und Berufsplanung in Köln, Daten zu den 190 MBA-Programmen in Deutschland zu erheben. Zu zwölf Programmen gab es keine Zahlen, 27 wurden gerade erst vorbereitet oder umstrukturiert. In den übrigen 151 Programmen waren insgesamt 3240 Teilnehmer eingeschrieben. Die Zahl der Anbieter für MBA-Programme in Deutschland beziffert Michael Stephan vom Institut Staufenbiel auf "etwa 120". Ein Drittel davon sind private Anbieter.

Nun ist ein weiterer dazu gekommen. Einer, der etablierten Einrichtungen wie der GISMA Business School, der Otto Beisheim School of Management oder der NIMBAS Graduate School of Management das Wasser reichen können soll. Von einem "Harvard an der Spree" war schon die Rede. Dabei soll sich das Berliner MBA-Programm vom amerikanischen Modell abheben. Internationaler will man sein und näher an den Herausforderungen modernen Managements.

Keine Zeit für Hanteln

Die neue Generation der Wirtschaftsbosse soll so erfolgreich werden wie ein Josef Ackermann. Dazu pauken die Jungmanager Statistik und Rechnungswesen, aber sie lernen auch das Taktgefühl, das Ackermann in entscheidenden Momenten immer wieder vermissen ließ. "Funktionelles Wissen ist notwendig", sagt Korotov, "aber eben nicht hinreichend."

Mit dem Schlagwort von der "emotionalen Intelligenz" habe er nie viel anfangen können, sagt Leif Orvald - bis zu dem denkwürdigen Challenger-Rollenspiel. Orvald ist ein erfahrener kalifornischer Banker mit markantem Gesicht und zierlichen Händen. Dass er an der ESMT gelandet ist, empfindet er als Glücksfall. "Das hier ist eine richtige Schule der deutschen Wirtschaft", sagt er. Denn die ESMT wurde auf Initiative von 25 deutschen Konzernen gegründet, darunter DaimlerChrysler, Lufthansa, Siemens und Deutsche Bank. Hier will Orvald sich fit machen für eine Führungsaufgabe in Europa, am besten in Deutschland und am liebsten in Berlin. Dabei hat er außer dem prächtigen historischen Gebäude-Ensemble am Schlossplatz, auf den man von den zehn Meter hohen Panoramafenstern blickt, kaum etwas von der Stadt gesehen. Selbst in den Fitnessraum der ESMT schafft er es selten. "Dazu bleibt einfach keine Zeit."

Von den Teilnehmern fordert das MBA-Programm vollen Einsatz. Um acht Uhr morgens treffen sich die Studenten. Sie nutzen die halbe Stunde bis zum Beginn des Lehrbetriebs für Besprechungen. Gegen 17.15 Uhr endet die Schule, aber das Lernen geht weiter. Die Jungmanager ziehen sich in Studienräume zurück - manche bis Mitternacht. "Man bekommt nur das raus, was man investiert", sagt Orvald.

Investiert wird viel in die Nachwuchshoffnungen - nicht nur Zeit. 50.000 Euro kostet das MBA-Programm für einen Studenten - fast doppelt so viel wie an der amerikanischen Elite-Uni Harvard. Die meisten zahlen aber nur die Anmeldegebühr von 5000 Euro, die übrigen Kosten werden über Stipendien finanziert. "Sonst hätte ich mir das auch kaum leisten können", sagt der Banker.

Daniel Zene Crowe hatte mit gehobenem Business bislang wenig zu tun. Zuletzt war er Anwalt bei der US-Kavallerie. Aber jetzt, mit 36 Jahren, will Crowe noch einmal ganz neu anfangen und etwas tun, "das die Welt besser macht". Und wo könne er das besser lernen als auf dieser Schule, an der sich "amerikanischer Ehrgeiz und europäisches Herz" vereinten? Was er später machen will, weiß er noch nicht. Aber das muss er auch nicht. MBA-Absolventen gelten als Generalisten des Managements.

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