MBA-Studium in den USA:Politur fürs angekratzte Image

Wer will schon einen "Master of Business Apocalypse"? In den USA hat die Finanzkrise am Image des MBA gekratzt. Gefragt ist er trotzdem noch - wenn auch anders als zuvor.

Moritz Koch

Es ist eine Zeit des Umbruchs in Amerikas Wirtschaft, und der Wandel macht auch vor den Ausbildungsstätten der amerikanischen Managerelite nicht Halt. Für die MBA-Programme an den Spitzenuniversitäten war die Finanzkrise fast genauso verheerend wie für die Großbanken der Wall Street. Der Titel MBA wandelte sich in den Augen der Öffentlichkeit vom respektablen "Master of Business Administration" zum "Master of Business Apocalypse". Wer ihn trug, erwies sich allzu oft als Glücksritter, der sich "Gier ist gut" und andere Maximen von Gordon Gecko, dem Protagonisten aus Oliver Stones Wall-Street-Film, angeeignet hatte. Die Rezession der vergangenen zwei Jahre wurde als Bankrotterklärung eines Studienmodells gewertet, das Eigennutz forcierte und gesellschaftliches Verantwortungsgefühl verkümmern ließ.

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Keiner will mehr so sein wie Gordon Gecko im Film "Wall Street": Die MBA-Kultur in den Vereinigten Staaten ändert sich.

(Foto: AFP)

Diese Kritik erscheint hart und pauschalierend. Um so verblüffender ist, dass sie nicht nur von marktkritischen Soziologen, sondern auch von Wirtschaftsprofessoren geäußert wurde, sogar von jenen Betriebswirten, die an den Kaderschmieden der US-Wirtschaft lernen. Sie wissen: Es waren die hochbezahlten Eliteabsolventen, die an der Wall Street ihren Bonuszahlungen hinterherhetzten und dabei eine Spekulationsblase aufpumpten, die weltweit Millionen von Jobs vernichtete.

Die Reaktion auf die Kritik ließ nicht auf sich warten. Überall in den USA bauen MBA-Programme ihre Studienpläne um. Ihren Studenten wollen die Hochschulen künftig nicht nur Rechnungslegung, Kosten-Nutzen-Kalkulation und andere Methoden des Reichwerdens beibringen, sondern auch die Grundlagen des moralisch richtigen Verhaltens. Studenten, die in der Vergangenheit allzu oft durch Arroganz und Anspruchsdenken aufgefallen sind, sollen sich nun durch Verantwortungsgefühl auszeichnen.

Die Bewegung zur ethischen Neuausrichtung der MBA-Programme ist seit vergangenem Jahr das dominierende Thema der akademischen Businesswelt. Ihren Ausgang nahm sie an der wohl renommiertesten Universität des Landes, der Harvard Business School. Die Harvard-Absolventen Max Anderson und Peter Escher erregten Aufsehen mit ihrem Buch Der MBA-Schwur: Ein höherer Standard für Wirtschaftsführer.

Ihre Idee: So wie Ärzte und politische Amtsträger sollen auch angehende Manager einen Eid leisten. "Ich verpflichte mich, von Korruption, unfairem Wettbewerb und Geschäftspraktiken Abstand zu nehmen, die der Gesellschaft schaden", heißt es darin. Auch Menschenrechte gelte es zu schützen sowie das Wohl künftiger Generationen.

All das sind Selbstverständlichkeiten, könnte man meinen. Doch dass eine Berufsethik bitter nötig ist, haben die anrüchigen Geschäfte gezeigt, die die Finanzbranche in den Jahren vor der Krise abgewickelt hat. Nicht nur Verbrecher wie Bernard Madoff haben die Wall Street in Verruf gebracht. Auch Investmentbanken wie Goldman Sachs, das Traumunternehmen jedes MBA-Absolventen, haben sich auf zwielichtige Weise bereichert. So bündelte und tranchierte Goldman Ramsch-Hypotheken und pries sie internationalen Investoren an, auch wenn manches Geschäft intern längst als - pardon - "Scheiß-Deal" geschmäht wurde.

Nicht jeder ist zum Eid bereit

Inspiriert wurden Anderson und Escher durch ihren Professor Rakesh Khurana, der schon vor der großen Krise versuchte, seinen Studenten Anstand einzutrichtern. "Bisher dachten die Absolventen: Ich gebe der Gesellschaft etwas zurück, nachdem ich eine Menge Geld verdient habe", sagt Khurana. "Aber sie müssen erkennen, dass das Zurückgeben auch während des Geschäftslebens möglich ist, wenn man sich an einen Berufsethos hält." Der neue Dekan der Harvard Business School, Nitin Nohria, unterstützt Khuranas Innovationseifer. Die Wirtschaft, sagt Nohria, sei in einer "Legitimationskrise", Harvard stehe "eine Periode tiefgreifenden Wandels" bevor.

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MBA-Studenten wollen mit ihrem Abschluss nicht baden gehen. Die Stundenplände der MBA-Studiengänge haben sich deshalb gewandelt.

(Foto: Reuters)

Den Aufbruch in die neue MBA-Ära rufen auch andere Universitäten aus. Die Philadelphia University will auf stärkeren Praxisbezug und fächerübergreifende Lehrpläne setzen. So sollen angehende Manager Design und Ingenieurwissenschaften pauken. Eine ähnliche Idee verfolgt Yash Gupta, Dekan der Johns Hopkins Carey Business School in Baltimore. Man könne kein komplexes System verwalten, indem man es in Einzelteile zerlege, sagt er, man müsse das Ganze sehen: "Shareholder Value reicht nicht als Organisationsprinzip." Nicht nur Aktionäre seien wichtig, "Kunden, Angestellte und die Allgemeinheit sind es auch".

Natürlich ist die Entdeckung der Wirtschaftsethik nicht altruistisch motiviert. Sie entspringt wesentlich dem Wunsch der MBA-Lehrstätten, hässliche Imagekratzer zu entfernen. Es wird Kraft kosten und Zeit verschlingen, das verlorene Ansehen zurückzugewinnen. Mit einem Eid allein ist es nicht getan. Zumal längst nicht jeder zum Schwur bereit ist. Eine Umfrage der Harvard-Studentenzeitung The Harbus zufolge wollten fast 60 Prozent der Studenten des Jahrgangs 2010 ihre Unterschrift unter den Eid verweigern. Sie meinen, dass die Schuld nicht im Gewinnstreben der Wall Street zu suchen ist, sondern bei der laxen Geldpolitik der Zentralbank und den Subventionen für den Häusermarkt.

Die Schwur-Verweigerer können sich ihre Haltung leisten. Der Titel MBA mag öffentlich in Verruf geraten sein, bei Arbeitgebern ist er weiterhin begehrt - bei Studenten ebenso. Trotz der Krise fanden nach Angaben des internationalen Hochschulverbands Graduate Management Admissions Council (GMAC) 84 Prozent aller Absolventen im vergangenen Jahr noch vor ihrer Abschlussfeier einen Job. Allerdings dürfte das auch etwas mit verminderten Ansprüchen zu tun haben. Schnappten sich vor der Krise die Großbanken die Absolventen weg und überboten sich mit Bonusversprechen, hält sich die Wall Street nun zurück. Neben Beratungsfirmen kommen mehr Industrieunternehmen zum Zug. Die MBAler müssen wieder Mitarbeiter führen und nicht mehr nur Geld verwalten können.

Die neuen Realitäten am Arbeitsmarkt sind mit Einschnitten verbunden. Der "dreifache Karrieresprung" aus neuer Branche, höherer Funktion und neuer Stadt, zu dem vor wenigen Jahren fast jeder MBA-Absolvent ansetzen konnte, ist heute kaum noch möglich. Auch das ist ein Grund dafür, dass die Neujustierung der MBA-Programme noch lange nicht abgeschlossen ist, selbst an den Spitzenuniversitäten Chicago, Harvard, Northwestern und Wharton nicht. Wer sich für ein MBA-Studium entscheidet und bereit ist, bis zu 150.000 Dollar zu investieren, sollte wissen: Der Umbruch ist in vollem Gange, inwieweit ein MBA für die Wirtschaft von Morgen rüstet, muss sich zeigen.

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