Marode Universitäten:Das Milliarden-Wagnis

Höchste Zeit, die Unis zu sanieren - doch die Sorge wächst, dass das Geld des Konjunkturpakets versickert.

Birgit Taffertshofer

Der Weg zum Hörsaal führt in Bochum über kaputte Bodenplatten und bröckelnde Betontreppen. Überall auf dem Hochschulgelände mahnen Warnschilder zur Vorsicht. Wer an der Ruhr-Universität studiert oder lehrt, dem fallen auf Anhieb gleich mehrere Bauvorhaben ein, die dringend angegangen werden müssten.

Marode Universitäten: Umleitung zur Uni: Viele Hochschulen bedürfen dringend der Sanierung.

Umleitung zur Uni: Viele Hochschulen bedürfen dringend der Sanierung.

(Foto: Foto: dpa)

Das Konjunkturprogramm des Bundes soll nun dabei helfen: Rissige Fassaden sollen saniert, Fenster isoliert und Labore modernisiert werden. In den kommenden beiden Jahren sollen deshalb etwa 8,7Milliarden Euro nicht in Straßen, sondern in Hochschulen, Schulen und Kindergärten investiert werden.

Von "neuen, nachhaltigen Zukunftsinvestitionen" ist die Rede. Doch es sieht nicht so aus, als hätten die Politiker diese auch sorgfältig geplant. Deshalb wächst in den Hochschulen die Sorge, dass der unverhoffte Geldregen wirkungslos versickert.

"Wenn das Milliarden-Paket die Konjunktur ankurbeln soll, dann muss es wirklich in zusätzliche Bauvorhaben fließen", betont Wedig von Heyden, Generalsekretär des Wissenschaftsrats, der Bund und Länder in hochschulpolitischen Fragen berät. Die beabsichtigte Wirkung sei nur zu erzielen, wenn nicht bereits fest verplante Mittel der Länder ersetzt werden. Von Heyden schätzt, dass die Hochschulen in den nächsten beiden Jahren problemlos drei Milliarden vor allem in kleinere Bauprojekte stecken könnten, um immer wieder aufgeschobene, aber dringende Investitionen umzusetzen.

Kosmetische Korrekturen

Der Hochschulbau in Deutschland ist seit Jahrzehnten vernachlässigt worden. In vielen Gebäuden tropft, zieht und bröckelt es - und die Sanierung kostet Milliarden. Gerade Nordrhein-Westfalen plagt sich mit einem gewaltigen Sanierungsstau. Während der Bildungsexpansion in den sechziger und siebziger Jahren wurden an Rhein und Ruhr die Universitäten erweitert oder gleich neue gegründet. Die Bausünden der damaligen Architekten und den jahrelangen Sparkurs beim Bauunterhalt müssen die Länder nun teuer büßen.

Alleine an der Ruhr-Universität in Bochum, an der 32.000 Studenten lernen, belaufen sich die Sanierungskosten auf eine Milliarde Euro. Oft gehe es schlichtweg darum, Leib und Leben zu schützen, sagt Uni-Kanzler Gerhard Möller, der auch Sprecher der nordrhein-westfälischen Kanzler ist. Doch die Hoffnung, dass mithilfe des Geldes aus Berlin verhindert werden kann, dass an Hochschulen Fassadenteile auf Passanten fallen oder diese auf löchrigen Böden stürzen, dämpft er. "Es hilft ja nicht, ein paar Bodenplatten auszuwechseln, wenn die ganze Konstruktion darunter kaputt ist."

Noch weiß Möller nicht, wie viel Geld seine Uni aus dem Konjunkturpaket erhalten wird, aber so viel ist sicher: Selbst wenn eine Hochschule, wie ursprünglich von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) angestrebt, 500000 Euro bekäme, würde das nicht einmal ausreichen, um die Fassade eines einziges Gebäudes in Bochum zu sanieren.

Wie viel Geld nötig wäre, damit alle Hochschulen wieder eine würdige Heimat für die Wissenschaft sind, kann heute niemand mehr sagen. Denn seit der Föderalismusreform sind alleine die Länder für den Hochschulbau zuständig. Eine bundesweite Übersicht über den Sanierungs- und Modernisierungsbedarf fehlt seitdem.

Lediglich einige Bundesländer haben sich zuletzt dazu geäußert: Bayern will in den nächsten zehn Jahren vier Milliarden Euro in Hochschulgebäude investieren, Baden-Württemberg immerhin zwei und Nordrhein-Westfalen sogar acht Milliarden Euro. Geht man von dieser Basis und Erfahrungen aus der Vergangenheit aus, schätzt von Heyden, dass bis 2020 bundesweit 30 Milliarden Euro nötig wären, um die Hochschulen zu sanieren.

Angesichts solcher Dimensionen vermischt sich die Freude über das Geldgeschenk aus Berlin schnell mit Ärger. "Hier werden keine nachhaltigen Lösungen angestrebt, sondern nur öffentlichkeitswirksame Schönheitsreparaturen", meint der Regensburger Rektor Alf Zimmer. Natürlich könne auch er jeden Cent gut gebrauchen - obwohl Bayern im nächsten Jahrzehnt ohnehin fast 400 Millionen Euro in den altersschwachen Betonkomplex in Regensburg stecken will. Von Programmen, bei denen der Bund mit der Gießkanne Geld für Bauvorhaben verteilt, hält Alf Zimmer aber nichts: "Der Bund steigt damit wieder da ein, wo er noch nie Kompetenz bewiesen hat ."

Blockierende Bürokratie

Aus Sicht des Regensburger Rektors wäre es ganz einfach gewesen, "aus dem kurzatmigen Milliardenpaket ein echtes Zukunftsprogramm" zu machen. Zum Beispiel indem der Bund den Bonus für die Infrastruktur drittmittelfinanzierter Forschungsprojekte ausbaut. Der Bonus, "Overhead" genannt, soll sicherstellen, dass forschungsstarke Hochschulen nicht auf den Kosten für Labore, Rechenzentren und Bibliotheken sitzen bleiben, wenn sie im Wettkampf um Fördermittel bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) besonders erfolgreich sind.

Der Bonus entspricht derzeit 20 Prozent der Fördersumme. Das ist zwar mehr als früher, aber noch immer müssten arme Hochschulen Forschungsmittel ausschlagen, weil sie das Geld für die Infrastruktur nicht haben, sagt Zimmer.

In den meisten anderen Hochschulen hält man sich mit so deutlicher Kritik lieber zurück. Stattdessen bastelt man eifrig an Wunschlisten und freut sich, dass die große Koalition auch etwas gegen die lähmende Bürokratie unternehmen will. Geplant ist ein vereinfachtes Vergabeverfahren für öffentliche Aufträge. Mit wie viel Geld einzelne Unis rechnen können, ist aber noch unklar. "Die Hochschulrektorenkonferenz wird darauf drängen, dass die Hochschulen in einem angemessenen Umfang partizipieren", sagt Präsidentin Margret Wintermantel.

Doch auch die Vertreter der Schulen und Kindergärten melden nun Ansprüche an. Mancher stellt sich bereits die Frage, ob die Hochschulen nicht schon genug aus den Länderkassen erhalten. Einige Unis können sich mittlerweile tatsächlich nicht mehr über einen Mangel an Investitionen beklagen. In Frankfurt wird ein großer Teil der Goethe-Universität ganz neu gebaut. Das Land Hessen zahlt dafür fast zwei Milliarden Euro. Auch Hamburg denkt derzeit darüber nach, die Uni nicht mehr zu sanieren, sondern an anderer Stelle neu zu errichten.

"Am wichtigsten ist, dass die Hochschule selbst das Geld bekommt", sagt Kanzler Möller. Nur sie wisse, welche Investition sinnvoll sei. In Bochum möchte die Uni-Leitung eine zentrale Servicestelle für Studenten einrichten. Momentan sind die Büros auf drei Gebäude verteilt, und die wartenden Studenten versperren regelmäßig die Flure.

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