Maredo-Filiale wirft Mitarbeiter raus:Grillen und stehlen

"Die Leute klauen hier wie die Raben": In einer Maredo-Filiale sollen Mitarbeiter ihr Mittagessen nicht in der Kasse gebont oder Kartoffeln aus Kisten in Privattaschen umgefüllt haben. Jetzt haben sich Unternehmen und Beschäftigte vor Gericht wiedergetroffen.

Helga Einecke und Sibylle Haas

Der Andrang im Frankfurter Arbeitsgericht war am Dienstag Nachmittag groß. Richter Martin Becker ließ die Anhörung im Fall Maredo und dem Betriebsrat einer Frankfurter Filiale in einen anderen Saal verlegen, damit alle 50 Zuhörer Platz finden. Dann versuchte er Ruhe in das Verfahren zu bringen, es auf den Kern der Wahrheitsfindung zu reduzieren, das vor allem aus Maredo-Beschäftigten bestehende Publikum mitzunehmen. Seine Mahnungen zeigten nach einiger Zeit Erfolg.

Die beklagte Betriebsrätin M. räumte ein, an einem bestimmten Tag ein Steak mit Spinat gegessen zu haben, sie hätte das auch ordnungsgemäß boniert, wie es im Fachjargon heißt, also über die Kasse laufen lassen. Dagegen sagte der Maredo-Anwalt, es gebe keinen Bon.

1800 Verstöße in vier Wochen

Die Beschuldigte sagte sogar, sie habe ein Stück Baguette gegessen, das sei über 27 Jahre hinweg nie beanstandet worden. Für ein Stück Brot gebe es gar keinen Bon. Befriedigt stellte Becker fest, dass der Verzehr unstreitig sei, es nur noch darum gehe, ob es einen Bon gebe oder nicht. Deshalb rücke der Streit um eine verdeckte Ermittlung und um Videoaufnahmen in den Hintergrund.

Zwar hatten die Kläger eine Video-Leinwand mitgebracht sowie engagierte Detektive als Zeugen, aber die wurden zur Klärung der Sachlage erst einmal gar nicht benötigt. Laut Maredo kam der Fall ins Rollen, als einem neuen Mitarbeiter diverse Diebstähle in der Frankfurter Filiale auffielen. Ein Maredo-Sprecher zitierte ihn mit den Worten "Die Leute klauen hier wie die Raben". Das Verhältnis von Wareneinsatz und Umsatz habe irgendwie nicht gestimmt. Doch da die Filiale in Frankfurt gut lief, habe die Düsseldorfer Zentrale nichts unternommen. Das Unternehmen habe dennoch auf den Hinweis reagiert und "verdeckte Ermittler" als Kellner eingesetzt. Auch die seien zu dem Schluss gekommen "hier nimmt sich jeder, was er will".

Schließlich seien drei Videokameras installiert worden. Ergebnis: 1800 Verstöße von 32 Mitarbeitern in vier Wochen. Darunter: Mitarbeiter hätten ihr Mittagessen nicht in der Kasse gebont oder Kartoffeln seien aus Kisten in Privattaschen umgefüllt worden. Maredo habe dann allen 32 Mitarbeitern nahegelegt freiwillig zu kündigen und für diese Fälle zugesagt auf Strafanzeigen zu verzichten. Ein Teil habe das Angebot angenommen, sagt der Maredo-Sprecher. Ein anderer habe Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung und Nötigung gestellt, da Maredo sie in der Filiale festgehalten und zu Eigenkündigungen gezwungen habe, was Maredo bestreitet.

Mitarbeiter zu teuer?

Peter-Martin Cox, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) in Frankfurt wirft Maredo vor, Gründe für den Rausschmiss langjähriger und teurer Mitarbeiter gesucht zu haben. Viele Beschäftigte in Frankfurt seien zwanzig oder dreißig Jahre dort angestellt, was Maredo bestätigt. Damit liege der durchschnittliche Stundenlohn laut Cox bei 9,40 Euro. Neueinsteiger würden nur 7,50 Euro in der untersten Tarifgruppe verdienen.

Außerdem wolle Maredo Betriebsräte "systematisch aus der Firma drängen". Auch die Betriebsräte aus der Frankfurter Filiale sind mit den Diebstahlsvorwürfen konfrontiert, weswegen sie außerordentlich gekündigt werden sollen. Cox verweist auf einen weiteren Fall in Osnabrück. Dort sei einer Betriebsrätin gekündigt worden, weil sie trotz Krankschreibung einer Nebentätigkeit nachgegangen sei. Die Betriebsrätin sei aber nur für die Arbeit im Steakhaus arbeitsunfähig gewesen, betont NGG. In acht von 54 Maredo-Filialen gebe es Betriebsräte, sagt der Firmensprecher. Das Unternehmen weist sämtliche Vorwürfe der Gewerkschaft zurück.

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