Mangel an Lehrkräften:Lehrer verzweifelt gesucht

Ingenieure für den Mathematikunterricht, Grundschullehrer am Gymnasium und Hilfe aus dem Ausland: Auf der Suche nach Lehrern wetteifern die Bundesländer immer aggressiver um Pädagogen.

Tanjev Schultz

Während der Sommerferien bereiten sich Rektoren und Behörden bereits auf das kommende Schuljahr vor. Eine Frage wird sie wieder besonders beschäftigen: Gibt es genügend Lehrer?

Lehrerin beim Unterricht; ddp

Junge Lehrer, Quer- oder Wiedereinsteiger haben beste Chancen auf eine Anstellung - der Lehrermangel ist groß.

(Foto: Foto: ddp)

Können Pensionäre ersetzt werden? In Fächern wie Latein und Physik gibt es seit langem zu wenig Bewerber, die Kultusminister buhlen deshalb immer aggressiver um pädagogischen Nachwuchs. "Zwischen den Ländern wird es einen ruinösen Wettbewerb geben", befürchtet Ludwig Eckinger, Chef des Verbands Bildung und Erziehung (VBE).

Vorboten dieses Wettbewerbs sind derzeit in Mainz, Heidelberg und Köln zu beobachten. Dort wirbt das Land Hessen auf Großplakaten und an Bushaltestellen für den Lehrerberuf. "Hauptrollen in Hessen zu vergeben", lautet der Spruch, mit dem Kultusminister Jürgen Banzer (CDU) sein Fachkräfteproblem lösen will. Zu sehen sind freie Regiestühle, auf denen die Namen besonders gesuchter Lehrfächer stehen: Latein, Physik, Musik, Chemie. Auch Anzeigen in Zeitungen werden geschaltet, insgesamt kostet die Kampagne 240.000 Euro.

"Hauptrolle zu vergeben"

Junge Lehrer, Quer- oder Wiedereinsteiger könnten dem Lockruf aus Hessen durchaus folgen. Der VBE spricht von Bedingungen, "von denen viele Lehrer in Rheinland-Pfalz bestenfalls träumen": Verbeamtung auch für Ältere bis zum 50. Lebensjahr; in anderen Ländern liegt die Altersgrenze meist bei 35 oder 40. Dazu bessere Aufstiegschancen und mehr Geld.

So werden Hauptschullehrer in Hessen eine Besoldungsgruppe höher eingestuft als in Rheinland-Pfalz, sie können etwa 300 Euro mehr im Monat verdienen, wenn sie von Mainz nach Wiesbaden wechseln. Entsprechend kühl hat das rheinland-pfälzische Ministerium auf die Kampagne des Nachbarn reagiert. Hessen versuche doch nur, eigene bildungspolitische Versäumnisse zu beheben, heißt es in Mainz. Eine massenhafte Abwanderung werde es aber bestimmt nicht geben.

Seit der Föderalismusreform vor zwei Jahren hat jedes Bundesland die volle Macht über die Bezahlung seiner Beamten. Kritiker befürchten, ärmere Länder könnten immer unattraktiver werden. "Wir brauchen einen bundesweiten gemeinsamen Arbeitsmarkt", fordert VBE-Chef Eckinger. Er wirft den Kultusministern vor, unkoordiniert und rücksichtslos zu handeln: "Die Kleinstaaterei treibt neue Blüten."

Der Mangel ist groß

Viel Zeit für gemeinsame Pläne bleibt nicht, in den nächsten 15 Jahren werden etwa die Hälfte aller Lehrer in den Ruhestand gehen. Obwohl es auch weiterhin arbeitslose Pädagogen gibt, vor allem solche mit weniger gefragten Fachkombinationen, ist der Mangel schon jetzt groß. Und in ihrer Not ist den Behörden fast jedes Mittel recht. Sie heuern Ingenieure und Übersetzer als Seiteneinsteiger an und lockern die Grenzen zwischen den Schulformen. In Bayern sollen Grundschulpädagogen an Gymnasien aushelfen. In Bremerhaven suchte man sogar in der polnischen Partnerstadt nach geeigneten Kandidaten. Mit Erfolg: Vor kurzem trat eine junge Polin ihren Dienst als Chemielehrerin an.

Auch in Hessen will das Ministerium prüfen, ob es im Ausland fündig werden kann. Viele Nachbarländer haben jedoch ähnliche Probleme wie Deutschland. In den Niederlanden jagen sich die Schulen die Lehrer gegenseitig ab; manche Vermittler locken die Pädagogen dort sogar mit Autos und Geldgeschenken. Nachwuchssorgen plagen auch die Schweizer. Sie werden demnächst, da ist sich VBE-Chef Eckinger sicher, gezielt deutsche Lehrer umwerben.

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