Manager in der Krise:Hilferuf nach ganz oben

"Wichtig ist, dass Manager menschlich bleiben": Jesuitenpater Michael Bordt berät Führungskräfte, die andere entlassen und selbst vor dem Burn-out stehen.

Sibylle Haas

Michael Bordt hat in diesen Tagen viel zu tun. "Immer wieder kommen Manager zu mir, weil sie nicht mehr weiterwissen", erzählt der Jesuitenpater. Wenn die Firma vor dem finanziellen Aus steht oder wenn Mitarbeiter entlassen werden müssen, ist sein Rat gefragt. "Keiner schmeißt gern Leute raus. Doch manchmal sind Entlassungen unvermeidbar, wenn nicht die ganze Firma untergehen soll", sagt Bordt.

Jesuit Manager Michael Bordt

Jesuitenpater Michael Bordt berät Manager, die in der Wirtschaftskrise den Glauben an ihre Arbeit verloren haben.

(Foto: Foto: A. Schellnegger)

Moralisch und sauber

"Wichtig ist, dass Manager in solchen Situationen menschlich bleiben." Auch ein Stellenabbau könne sozialverträglich gemanagt werden. "Das ist anstrengend, weil man sich den Mitarbeitern widmen muss. Doch es ist anständig und moralisch sauber, wenn man ihnen die Entscheidung erklärt und vielleicht mit Abfindungen hilft", findet Bordt.

Manchmal säßen ihm gestandene Firmenchefs auch wie ein Häuflein Elend gegenüber. Ab und zu fließen Tränen. Die Wirtschaftskrise spült manches hoch. "Mancher hat das Gefühl, dass ihm alles zerfällt oder er den Sinn in seinem Tun verloren hat. Das geht bis zum Burn-out", erzählt Bordt. In solchen Situationen ist der Jesuit als Seelsorger besonders gefragt: Dann sitzt er da, hört zu und versucht zu helfen.

Fünf Prioritäten

Etwa, indem er über die fünf Prioritäten seines Ordens spricht - die Bausteine für ein "gelingendes Leben": ausreichend schlafen, Sport machen und gesund ernähren, Meditation (Gebet) oder - für Atheisten - Selbstbesinnung, innige Beziehungen (nicht Netzwerke) zu Menschen, sinnerfüllte Arbeit (auch unentgeltlich). "Oft reicht es schon, wenn ich durch das Gespräch einen Impuls geben kann", erklärt Bordt.

Im "Hauptberuf" ist der 49-Jährige Rektor der vom Jesuitenorden getragenen Hochschule für Philosophie in München. In dieser Funktion hat auch Bordt materielle Sorgen. Er muss Geld einsammeln, denn die Hochschule hat finanzielle Schwierigkeiten. Der Freistaat Bayern und die deutschen Diözesen tragen zwar einen Teil der Kosten, doch den Großteil übernimmt der Jesuitenorden.

Finanzielle Probleme im eigenen Haus

Dieser ist finanziell aber auch nicht üppig ausgestattet. Bis zu eine Million Euro jährlich müsste Bordt für die Hochschule eintreiben, um den Orden zu entlasten. Deshalb sind er und seine Kollegen oft sehr weltlich unterwegs: Sie sammeln Spenden, halten Vorträge in Firmen und veranstalten Seminare für Führungskräfte, wie etwa aktuell eines für Aufsichtsräte. "Denn viele von ihnen haben in der Krise ihre Aufgabe nicht erfüllt."

Das Geld fließt in eine Stiftung, mit der die Zukunft der Hochschule gesichert werden soll. Damit "heiligt" der Zweck quasi die Mittel, denn schließlich geht es um die Ausbildung junger Menschen. Die Stiftung wurde im Frühsommer 2008 gegründet und verfügt bereits über ein Stiftungsvermögen von 1,2 Millionen Euro. 15 Millionen Euro seien nötig, um von den Zinsen "leben" zu können. "Das ist eine Herausforderung und erfordert viel Kraft", sagt Bordt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Michael Bordt zu den Missbrauchsfällen in Jesuitenschulen sagt.

"Es gibt keine Denkverbote"

Er selbst nimmt regelmäßig an Exerzitien teil, um geistig klar zu bleiben - eine Tradition, die auf den Gründer des Jesuitenordens, der Spanier Ignatius von Loyola zurückgeht. Dieser hat im 16. Jahrhundert seine eigenen geistlichen Übungen anderen Menschen zugänglich gemacht.

Geheimtipp für Studenten

Die Hochschule für Philosophie in München gilt als Geheimtipp für Studenten, die in kleinen Gruppen lernen und argumentieren wollen. Sie ist für jeden und jede zugänglich, gleichgültig ob und welchen Glauben jemand hat. Vorausgesetzt wird die Hochschulreife. "Es gibt bei den Jesuiten keine Denkverbote", betont Bordt. Das zeige sich auch an der Hochschule. "Bei uns ist das Philosophieren geprägt von den großen, bleibenden Fragen der abendländischen Tradition. Es läuft nicht modischen Trends hinterher", betont Bordt.

Er selbst kam über Umwege zu den Jesuiten - und zu Gott. "Es traf mich wie ein Blitz", beschreibt er seine Erfahrung. "Mir wurde klar, es gibt einen Gott und ich bin von ihm geliebt. Das war in einem Gottesdienst einer Freikirche." Der damals 21-Jährige leistete gerade Zivildienst in seiner Heimatstadt Hamburg in einem Heim für geistig und körperlich behinderte Menschen. "Ich wollte etwas Sinnvolles tun und erkannte, dass ich die Aggression der Heimbewohner nicht aushalte und an meine Grenzen stoße", erklärt er. Selbst die Musik - Bordt wollte damals Dirigent werden - fing ihn nicht auf.

Katholische Wurzeln

Er besann sich auf seine katholischen Wurzeln und studierte Theologie. Bordt wollte Pfarrer werden. Doch dann verließ er das Priesterseminar, weil er erkannte, dass er nicht der richtige Mann an der Spitze einer Pfarrgemeinde wäre. Über ein Jugendtreffen kam er mit dem ökumenischen Männerorden in Taizé in Kontakt. "Ich wollte aufgenommen werden, doch der Novizenmeister lehnte mich ab mit den Worten: Werde erst mal erwachsen. Das war ein Schlag, denn ich war auf der Suche und wurde abgelehnt".

Bordt ging nach München und studierte Philosophie an der Jesuiten-Hochschule. Seit 2004 ist er dort als Professor für Ästhetik, philosophische Anthropologie und Geschichte der Philosophie tätig, seit 2005 ist er Rektor. Bordt hat seine Heimat gefunden. Er lebt mit sechs anderen Mitbrüdern in einem Reihenhaus in München. Das ist üblich bei den Jesuiten. Sie haben keine Klöster und auch keine Ordenstracht, wohl aber das Zölibat.

"Wir sind eine gute Gruppe"

"Wir sind eine gute Gruppe und stützen uns, wenn der eine oder andere mal in einer schwierigen Phase ist", beschreibt Bordt seine Gemeinschaft. Seit bekannt ist, dass Mitglieder seines Ordens in den 70er und frühen 80er Jahren Kinder sexuell missbraucht haben, ist ihm das Gespräch mit seinen Mitbrüdern unverzichtbar. "Es erfüllt mich mit Scham, als Jesuit eine Seite meines Ordens kennenzulernen, mit der ich noch nie konfrontiert worden bin. Es ist, als wäre es in meiner eigenen Familie passiert", sagt Bordt. Nun müsse sich bewähren, wofür die Jesuiten einstünden: die Orientierung an Wahrheit und Werten. Dies zu leben, ist ihm wichtig. Es trägt ihn, mindestens genauso viel wie der Glaube an Gott.

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