Männer in Frauenberufen:Nagelprobe im Schönheitssalon

Fehlt den Männern der Mut? Männer arbeiten selten in typischen Frauenberufen. sueddeutsche.de hat sieben Mutige gefunden - in der Arztpraxis, im Wasser, im Schönheitssalon. Von Simone A. Mayer

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Merkel, ap

Quelle: SZ

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Frauen machen Karriere - und das in Männerberufen. Sie sind Automechanikerinnen, Dachdeckerinnen und Deutschland wird von einer Bundeskanzlerin regiert. Nach dem Willen der Bundeswehr sollen weibliche Soldaten bald auch die letzte männliche Bastion der Truppe einnehmen dürfen: das Kommando Spezialkräfte (KSK), ein Einsatztrupp für besondere Aufgaben wie die Bekämpfung von Terroristen. Längst hat sich das weibliche Geschlecht in die typischen Männerberufe geschlichen und sich dort bewiesen.

Umgekehrt verläuft die Emanzipation nur schleppend: Der deutsche Hebammenverband zählt nur ein männliches Mitglied. Deutschlands erster Mann an der Seite einer Kanzlerin, Joachim Sauer, scheut geradezu öffentliche Auftritte als "First Lady der Nation". Und die Recherche nach männlichen Hauswirtschaftlern, Nageldesignern und Sekretären gleicht der Suche nach der berühmten Nadel in einem Heuhaufen. Männer schreckt die bescheidene Bezahlung der Frauenberufe und der Prestigemangel ab.

sueddeutsche.de sprach mit sieben Männern, die sich trotzdem in eine Frauendomäne gewagt haben, über Mut, Vorurteile und die Liebe zum Beruf.

Foto: ap

Oliver Ferchland

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Oliver Ferchland, Florist aus Magdeburg

"'Florist? Ein kreativer Beruf? Das ist doch nur was für Schlaffis!' Diesen Kommentar habe ich schon oft gehört. Dabei gibt es kaum einen handwerklicheren Beruf als den des Floristen. Ich tischlere Holzgestelle für Blumengebinde und gieße Formen aus Beton. Die Blumengestecke bearbeite ich mit Zange und Draht. Und ich kaufe sehr oft im Baumarkt ein, dem Ort für Männer. Dennoch gibt es kaum männliche Floristen. Gut 90 Prozent der angestellten Floristen in Deutschland sind Frauen.

Ich habe schon früh meine Liebe zum Beruf entdeckt. Mit 14 Jahren habe ich ein Schülerpraktikum bei einer Floristin gemacht und anschließend habe ich zwei Jahre lang nachmittags nach der Schule meine Freizeit in dem Blumenladen verbracht. Ich habe so, ohne den Zwang Geld verdienen zu müssen, schon als Schüler vieles lernen können.

Vor kurzem habe ich die Landesmeisterschaft der Floristen in Sachsen-Anhalt gewonnen, jetzt bereite ich mich auf die Deutsche Meisterschaft vor. Seit drei Jahren bin ich Mitglied eines Teams, dass internationale Trends der Floristik für den deutschen Markt erkundet und 2008 bin ich neben zwei weiblichen Kolleginnen zum 'Botschafter für die Chrysantheme' gewählt worden. Wir präsentieren Gestecke auf Messen und in Workshops und erläutern unserer Branche, wie diese Blume floristisch genutzt werden kann."

Foto: Fachverband Deutscher Floristen

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Torsten Merkl, Nageldesigner aus Schwandorf:

"Ich bin Nageldesigner - ein ziemlich ungewöhnlicher Beruf für einen Mann.

Schon als Jugendlicher habe ich im Kosmetikstudio meiner Mutter Nägel geschliffen und mir damit mein Taschengeld verdient. Nach dem Abitur habe ich eine einjährige Ausbildung auf einer Kosmetikschule absolviert und das Handwerk von der Pike auf gelernt.

Damals, vor 15 Jahren, war das Nageldesign insgesamt eine belächelte Tätigkeit. Der Trend, gepflegte Nägel zu haben, kam erst später. Als Mann hatte ich es sowieso ganz, ganz schwer. Meine These: Will eine Frau Schlosser werden, geben ihr die Kollegen einen Schraubenschlüssel in die Hand. Hält sie den Schraubenschlüssel richtig, hat sie sich bewiesen. Für Männer in Frauenberufen ist die Bewährungszeit dagegen länger. Auch wenn meine Kundin nach der Behandlung mit dem Ergebnis zufrieden ist, muss ich mich beim nächsten Mal wieder aufs Neue beweisen. Einen Vertrauensvorschuss bekomme ich nicht.

Außerdem stößt ein männlicher Nageldesigner auf Ablehnung bei vielen weiblichen Kunden. Der Grund: Bei der Nagelpflege halten wir die Hand der Kundin und brechen damit in ihre Intimsphäre ein. Das ist einigen Frauen unangenehm."

Foto: istock

Bernhard Mezger

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Bernhard Mezger, Kinderarzt-Helfer aus Stuttgart:

"Ich bin ein Exot - männliche Arzthelfer gibt es sehr wenige. Laut Verband sind 98,7 Prozent der Sprechstundenhilfen in Deutschland weiblich.

Ich bin ausgebildeter Rettungssanitäter und habe viel nachts gearbeitet. Das war natürlich anstrengend. Ich habe meinen jetzigen Chef, einen Kinderarzt, kennengelernt, als ich mit meinen Kinder bei ihm war. Wir haben uns auf persönlicher Ebene sehr gut verstanden und er hat mich gefragt, ob ich zu ihm wechseln würde. Es war natürlich eine große Umstellung, nicht mehr mit dem Rettungswagen herumzufahren. Als Rettungssanitäter arbeitet man nämlich sehr selbstständig, als Sprechstunden-Assistent arbeite ich dem Arzt zu.

Dass so wenig Männer in meinem Berufsfeld arbeiten, liegt mit Sicherheit an der katastrophalen Bezahlung und am fehlenden Prestige des Jobs. Wer als Mann eine Familie ernähren muss, kann sich diesen Job fast nicht leisten. Wer plant, Arzthelfer zu werden, muss es zur Erstkraft in einer Praxis schaffen, um genügend zu verdienen.

Ich werde immer wieder gefragt, warum ich in eine Praxis gewechselt bin. Ich kann mich aber gut rechtfertigen: Eine Praxis ist wie eine kleine Firma. Wir müssen wirtschaftlich arbeiten - aber wir können auch auf den Menschen eingehen. Das ist das schöne an der Arbeit."

Foto: privat

Krippe, ap

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Mehran Aghadavoodi, Tagesvater aus Köln

"Ich bin Tagesvater und beaufsichtige fünf Kinder zwischen eineinhalb und drei Jahren. Ich habe ein wenig recherchiert und habe nur etwa 600 Tagesväter in ganz Deutschland gezählt - die Mehrheit der Aufsichtspersonen für Kinder sind Frauen.

Warum das so ist? Keine Ahnung. Als ich damit begonnen habe, Kinder untertags in meinem Haus zu beaufsichtigen, wurde ich gefragt: Ist dir das als Mann nicht zu anspruchslos? Ich habe geantwortet: Mir macht diese Arbeit Spaß.

Auch die Frage, ob es nicht einen Unterschied mache, ob die Kinder von einem Tagesvater oder einer Tagesmutter erzogen werden, erübrigt sich. Das hängt nicht von Mann und Frau ab, sondern von der Persönlichkeit eines jeden Menschen. Ich kann halt großartig mit Kindern umgehen. Das finden auch die Eltern meiner Tageskinder.

Die Idee, als Tagesvater Kinder zu beaufsichtigen, kam aus meinem Freundeskreis. Ich arbeite als selbstständiger Programmierer. Mein Arbeitsplatz ist im Keller meines Hauses. Als meine drei eigenen Kinder klein waren, habe ich sie nebenbei versorgt. Nach und nach kamen Kinder von Freunden hinzu, die den Vormittag in meinem Haus verbracht haben. Ich habe schließlich eine Weiterbildung für Tageseltern gemacht und habe mich mit Erziehungsmethoden beschäftigt.

Inzwischen sind meine eigenen Kinder groß und ich habe nur noch fremde Kinder bei mir. Die Eltern bringen sie gegen 8.30 Uhr vorbei. Wir spielen miteinander, wir lachen, wir essen Brotzeit und gegen 14 Uhr wird das letzte Kind von seinen Eltern wieder abgeholt. Nachmittags, wenn hier der Trubel vorbei ist, ziehe ich mich in mein Büro zurück und widme mich meiner ruhigeren Arbeit als Programmierer."

Bild: ap

Synchronschwimmen

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Niklas Stoepel, Synchronschwimmer aus Bochum:

"Ich bin Schüler - Synchronschwimmen ist leider nur mein Hobby. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn ich mein Abitur in der Tasche habe und mehr Zeit zum Trainieren hätte. Denn: Ich darf nicht bei den großen Wettbewerben antreten. International ist es laut unserem Verband Männern nicht erlaubt, in Wettkämpfen für Synchronschwimmen teilzunehmen. Das ist schon gemein. Nur auf nationaler Ebene hat der Schwimmsportverband mir das erlaubt - ich bin daher der einzige männliche Synchronschwimmer Deutschlands, der den Sport wettkampfmäßig betreibt.

Ich bin Mitglied der Freien Schwimmer Bochum. Meine Mannschaft besteht aus 19 Mädchen - und eben mir. Wir sind amtierender deutscher Vize-Meister und waren vergangenes Jahr deutscher Jugendmeister. Insgesamt gibt es in Deutschland 15 bis 20 aktive Vereinsmannschaften.

Vor acht Jahren habe ich angefangen, den Sport auszuüben. Meine Cousine ist auch Synchronschwimmerin und mein Onkel ist Trainer - die beiden haben mich dazu animiert. Damals wurde ich als einziger Junge von anderen Schwimmern komisch beäugt. Aber inzwischen kennt man mich - gerade weil ich der einzige Junge unter all den Mädchen bin. Zugegeben, manchmal ist es schon schwierig mit meinen Mädels - es gibt eine Menge Gezeter."

Foto: Freie Schwimmer Bochum

Marc-Oliver Schlichtmann

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Marc-Oliver Schlichtmann, Sekretär aus Hamburg:

"Ich bin 'Deutschlands beste Sekretärin'. So lautet der offizielle Titel, den ich vor kurzem gewonnen habe. In einem Wettbewerb für die besten Sekretäre des Landes habe ich gegen meine rein weibliche Konkurrenz gewonnen.

Ich arbeite seit zehn Jahren in diesem von Frauen dominierten Beruf. Nur zwei Prozent der sogenannten Office Manager sind männlich. Ich kann auch nicht behaupten, dass ich viele männliche Sekretäre kenne.

Warum kaum Männer als Sekretär arbeiten? Ich denke, dass ein falsches Bild in vielen Köpfen besteht; nämlich, dass man in diesem Beruf hauptsächlich Kaffee kocht. Das stimmt nicht, eine Tasse Kaffee koche ich nur zuhause für mich. Hier organisiere ich für meinen Arbeitgeber, eine Hamburger Anwaltskanzlei, das Bürogeschehen. Ich tue alles, was nötig ist, damit mein Chef seine Tätigkeiten erledigen kann: Ich vereinbare Termine, organisiere Reisen und Konferenzen, erstelle die Korrespondenz, zahle Rechnungen und erledige alle Sachbearbeitungen. Mein Beruf nennt sich neudeutsch daher auch Office Manager. Eine Ausbildung zum Sekretär habe ich nicht gemacht. Ich habe eine Schule für Fremdsprachen-Korrespondenz besucht und bin durch meine Sprachkenntnisse in diesem Büro gelandet.

Ich bin gewohnt, dass schon mal ein Anrufer überrascht stockt, weil er nicht damit rechnet, einen männlichen Sekretär in der Leitung zu haben. Oder es kommt auch vor, dass ein Brief adressiert an 'Frau Schlichtmann' auf meinem Schreibtisch landet. Ich finde das nicht schlimm. Der Titel 'Beste Sekretärin' hat mich bekannt gemacht und ich habe bei dem Wettbewerb mitgemacht, um zu zeigen, dass ich meinen Job mit Bravour meistere. Auch wenn ich ein Mann bin."

Foto: P.U.N.K.T. PR

Uwe Dräger

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Uwe Dräger, Erzieher aus Berlin:

"Wie es für viele Männer in Frauenberufen charakteristisch ist, bin ich auf Umwegen zu meinem Job gekommen. Ich habe zunächst im Tiefbau gearbeitet, später an der Schule mein Abitur nachgemacht. Währenddessen habe ich unter anderem für einen Kinderzirkus gearbeitet und so ein paar Mark verdient. Irgendwie bin ich bei der Arbeit mit Kindern hängen geblieben. Ich habe lange als Angestellter im Erziehungsdienst gearbeitet und vor zwei Jahren schließlich berufsbegleitend eine Ausbildung zum Erzieher gemacht.

Die Eltern reagieren durchweg positiv auf mich. Es ist gar keine Frage für sie, ob ein Mann auf ihre Kinder aufpassen kann. Im Berliner Bildungsprogramm ist für alle Bildungseinrichtungen der Stadt festgeschrieben, dass die Eltern bei Personalentscheidungen ein Mitspracherecht haben. Keinen von ihnen hat es gestört, dass ich auch auf die Kleinsten im Alter von ein bis zwei Jahren aufpasse.

Es ist schade, dass so wenig Männer in Frauenberufen tätig sind. Es gab schon bundesweit verschiedene Projekte, um mehr Männer in den Erziehungsbereich zu bringen. Aber das ist schwierig. Die Jobs sind nicht hoch angesehen. Viele denken: Die Kindergartentante spielt vormittags halt ein bisschen mit den Kindern.

Ein Mann in einem Frauenberuf ist sowieso ein Weichei, denken viele. Schafft eine Frau es in einem Männerberuf, heißt es, sie macht einen Aufstieg. Umgekehrt ist das für einen Mann ein beruflicher Abstieg. Aber ich stehe über all diesen Kommentaren. Mir ist das egal. Ich mache meine Arbeit einfach sehr gerne."

Foto: privat

(sueddeutsche.de/bön)

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