Lohngerechtigkeit:Chef, was verdienen eigentlich meine Kollegen?

EUROPASS-LEHRLINGSAUSTAUSCH

Gleiche Arbeit, weniger Geld: Frauen werden immer noch häufig schlechter bezahlt als Männer.

(Foto: DPA)
  • Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) will per Gesetz die Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern verkleinern.
  • Arbeitnehmer sollen ein Recht haben, zu erfahren, was Kollegen des anderen Geschlechts mit gleichwertiger Arbeit verdienen.
  • Wirtschaft und CDU/CSU sind von dem Vorstoß wenig begeistert.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Das Vorhaben ist noch umstrittener, als die Frauenquote es war, und wenn es jetzt auf den Weg gebracht wird, dann dürften sich einige Schlaglöcher auftun. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) will mit dem "Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern" die Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern verkleinern.

Arbeitnehmer sollen erfahren, was Kollegen des anderen Geschlechts mit gleichwertiger Arbeit verdienen. Betriebe sollen darlegen, ob sie gerecht bezahlen. Aus Wirtschaft und Union kommt massiver Protest, auch im Kanzleramt hält man die Sache für leicht entzündlich - und ließ sie liegen. Nun ist Schwesig nach dem Mutterschutz zurück im Dienst und rauflustig. Beim Koalitionsausschuss am Dienstagabend sollte ein Zeitplan für das Gesetzesvorhaben verabredet werden.

"Seit fünf Monaten wird das Gesetz im Kanzleramt blockiert. Damit muss Schluss sein", sagte Schwesig der Süddeutschen Zeitung. Es reiche nicht, dass zum Weltfrauentag und Equal Pay Day "Sonntagsreden auf die Gleichberechtigung der Frauen" gehalten" würden. Die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern liege bei 21 Prozent und sei "inakzeptabel". Im Koalitionsvertrag habe man vereinbart, dies zu ändern: "Die Union muss Farbe bekennen."

Mit dem Koalitionsvertrag aber fängt der Streit schon an. Union und SPD haben vereinbart, "das Prinzip ,Gleicher Lohn für gleiche Arbeit' besser zur Geltung zu bringen" und für mehr Transparenz in Betrieben zu sorgen. Wenn Frauen nicht wüssten, was Männer mit gleichwertigen Jobs verdienten, könnten sie auch keine gleiche Bezahlung durchsetzen, so Schwesig. Für Unternehmen ab 500 Beschäftigten soll laut Koalitionsvertrag die "Verpflichtung" gelten, im Lagebericht über "Frauenförderung und Entgeltgleichheit" zu berichten. "Darauf aufbauend", heißt es, werde für Arbeitnehmer "ein individueller Auskunftsanspruch festgelegt".

Was aber heißt das - darauf aufbauend? Gilt der Auskunftsanspruch so wie die Berichtspflicht nur für Betriebe ab 500 Mitarbeiter? Gerade in kleineren Betrieben ohne Betriebsrat würden Frauen oft unter Wert beschäftigt, warnt der Deutsche Gewerkschaftsbund. Gerade hier sei Transparenz nötig. Schwesig sieht das ähnlich. Nach ihrem Gesetzentwurf gilt die Berichtspflicht nur für Betriebe ab 500 Mitarbeitern. Alle Beschäftigten aber, egal wie groß ihr Betrieb ist, auch Heimarbeiter und Beamte, können vom Arbeitgeber Auskunft verlangen, nach welchen Kriterien sich ihr Entgelt errechnet.

Gegenwind aus der Union

Es muss auf Wunsch auch mitgeteilt werden, was "mindestens fünf Kollegen des jeweils anderen Geschlechts" für gleiche oder gleichwertige Arbeit bekommen - im Durchschnitt und anonymisiert. Verweigert der Arbeitgeber die Auskunft, "lässt dies eine Benachteiligung in Bezug auf das Entgelt vermuten", so der Entwurf. Die Beweislast kehrt sich im Streitfall also um. Nicht die Arbeitnehmerin, meist dürfte es eine Frau sein, muss Benachteiligung nachweisen. Der Arbeitgeber muss belegen, dass er gerecht bezahlt.

Gegen die Umkehr der Beweislast regt sich kein Widerstand, wohl aber gegen die Zahl betroffener Unternehmen. "Die Union steht zum Thema Entgeltgleichheit", sagt der frauenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Marcus Weinberg (CDU). Auch er wolle nicht, dass Töchter eines Tages für gleiche Arbeit weniger bekämen als Söhne. "Es gibt aber Unstimmigkeiten, an denen der Entwurf über den Koalitionsvertrag hinausgeht." Aus Unionssicht kann das gesamte Gesetz nur für Betriebe ab 500 Mitarbeitern gelten. Im Koalitionsvertrag stehe auch nichts vom öffentlichen Dienst. Fraglich sei auch, ob Unternehmen in Stellenanzeigen ein Mindestgehalt veröffentlichen müssen. Schwesig plant das, damit Frauen sich nicht unter Wert verkaufen.

"Wir dürfen die Wirtschaft nicht durch immer mehr Vorschriften zusätzlich belasten", sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete Max Straubinger, der vor "Unfrieden und Verteilungskonflikten in den Betrieben" warnt. Als Ärgernis unter Arbeitgebern gilt besonders die geplante Prüfpflicht. Unternehmen sollen alle drei Jahre darlegen, inwiefern die Tätigkeiten im Betrieb im Hinblick auf Qualifikation und Verantwortung gerecht bezahlt werden. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sprach von einem "Regulierungsungetüm".

Gegenwind kommt auch vom wirtschaftspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Joachim Pfeiffer. "Unternehmer werden völlig unbegründet unter Generalverdacht gestellt", sagte er. "Es trifft nicht zu, dass Frauen bei gleicher Arbeit aufgrund ihres Geschlechtes diskriminiert und daher schlechter bezahlt werden." Der beste Garant gegen Diskriminierung, so Pfeiffer, "ist die Marktwirtschaft selbst". Das klingt nicht, als würden die nächsten Monate ein Spaziergang für die Ministerin.

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