LMU München:Schläfer-Suche an der Universität

Die LMU München hat ihre Mitarbeiter per E-Mail aufgefordert, verdächtige Studenten zu beobachten. Der Betreff lautete: "WG: islamistische Anschläge im Bundesgebiet".

Martin Thurau

Eine solche E-Mail dürfte an der Universität München (LMU) nicht alle Tage kursieren. Und so ist es kaum verwunderlich, dass sie dort für einige Aufregung sorgt. Die elektronische Post ermahnt zu "hoher Wachsamkeit" und spricht von einer "erhöhten abstrakten Gefährdung", die "aus Sicht der Sicherheitsbehörden" bestehe. "WG: islamistische Anschläge im Bundesgebiet" steht im Betreff über dem Schreiben, darunter "Mit freundlichen Grüßen, Hüttenhofer, Ltd. Regierungsdirektor".

Das Schreiben verweist nicht nur auf die Ankündigung von islamistischen Anschlägen auch für Deutschland und auf die Kofferbomben in Regionalzügen in Dortmund und Koblenz im Juli letzten Jahres. Es führt auch einigermaßen detailliert auf, was unter Wachsamkeit zu verstehen ist: Die Empfänger unter den Beschäftigten der Hochschule sollten auf Auffälligkeiten bei "Studenten, Mitarbeitern oder sonstigen Gebäudenutzern" achten, auf "besondere Verhaltensweisen, wie z.B. einen Bruch im Lebenswandel, radikal-verbale Äußerungen oder Beschäftigung mit einschlägiger Literatur". Es schließt die Bitte an, "verdächtig erscheinende Wahrnehmungen, die Rückschlüsse auf eine islamisch-fundamentalistische Haltung zulassen, unverzüglich hierher mitzuteilen".

Der Kanzler der LMU, Thomas May, stellt sich vor seinen Mitarbeiter Matthias Hüttenhofer, der für Studenten- und Liegenschaftsangelegenheiten zuständig ist. Er hält dessen Vorstoß für "vertretbar". Er wolle nicht jedes Wort des Schreibens auf die Goldwaage legen, an der "grundsätzlichen Intention, auf sich verändernde Situationen hinzuweisen", sei nichts auszusetzen. Es gehe schließlich nicht darum, die LMU "zu einem Bespitzelungsunternehmen umzuwandeln". Dass die E-Mail zur Vergiftung des Klimas an der Hochschule beitragen könne, glaubt May deshalb nicht.

Auf einem Treffen der bayerischen Hochschulkanzler in Erlangen, berichtet May, habe die "Spitze des Verfassungsschutzes" im Freistaat eine Einschätzung der "aktuellen Bedrohungslage" gegeben. Wie vereinbart habe er als Kanzler danach Hüttenhofer als Ansprechpartner der Sicherheitsbehörde an der LMU benannt. Nach neueren Erkenntnissen über die gescheiterten Kofferbomben-Attentäter habe ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes bei Hüttenhofer vorgesprochen, mit dem Wunsch um Unterrichtung der LMU-Beschäftigten. Einer der Attentäter, so May, sei den Ermittlungen zufolge schon früher auffällig geworden, als Student einer deutschen Hochschule - ohne irgendwelche Folgen. Er habe damals im Hörsaal eine muslimische Studentin, die über den Islam referierte, massiv angegriffen, weil sie es wage, ohne ein Kopftuch zu tragen, über die Religion zu sprechen.

In dem Rundschreiben drücke sich eine "problematische Tendenz zur Denunziationskultur" aus, sagt Thomas Honesz, Asta-Vorsitzender an der LMU. Es gehe nicht an, "muslimische Mitbürger unter Generalverdacht zu stellen". Er wolle Hüttenhofer aber keinen persönlichen Vorwurf machen, zumal die eigentlichen Urheber in der Regierung in München wie in Berlin säßen.

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