Lena wird Maskenbildnerin:Ein Dutt für die Diva

Ohne Friseurlehre kann man im Schminkraum nichts werden.

Jutta Göricke

(SZ vom 25.9.2002) Soap Stars zu bepampern, wie man hier so sagt, darauf haben Lena Mandler und ihre Mitschülerinnen keine Lust. Die 23-Jährige, die seit Januar 2002 die Maskenbildnerschule am Münchner Prinzregententheater besucht, hat für ihre Zukunft Anspruchsvolleres im Sinn. Und wenn man sich umschaut im Klassenraum des ersten und zweiten Lehrjahrgangs, wird einem auf Anhieb klar, dass hier kein Schminkkurs für ambitionierte Partyluder abgehalten wird.

Entlang der Wände des langen, schmalen Raumes, der gleichmäßig in kaltes Licht getaucht ist, sind dreißig Arbeitsplätze angeordnet, jeweils mit Arbeitsplatte, einem abschließbaren Schrank und einer großen Spiegelfläche. Davor hocken die Mädchen auf grauen Drehstühlen und modellieren Schädel aus Ton, zeichnen Entwürfe für Clownsgesichter oder knüpfen Perücken. Die Arbeitsflächen und Regale sind überfüllt mit Pinseln und Aktenordnern, Lockenwicklern und Wasserflaschen, gut verpackten Tonarbeiten und Anatomiebüchern, Schwämmchen und Ondulier-Eisen. Die Atmosphäre ist hoch konzentriert, aus einem CD-Player tönt leise die Stimme von Xavier Naidoo. Hin und wieder kommt eine Lehrerin zur Korrektur vorbei.

Lena sagt, es ist nicht immer so ruhig hier. Heute seien nicht alle da. Aber wenn der Raum voll besetzt sei, könne es schon mal gackerig und auch ziemlich nervig werden. Die Schule, 1999 gegründet, ist mit ihren drei Jahrgängen und insgesamt 34 Schülerinnen in zwei Sälen des Prinzregententheaters untergebracht. Das bringt zwar einerseits Platzprobleme mit sich, andererseits bietet es den unschätzbaren Vorteil, mittenmang in der Theaterarbeit zu stecken.

Tatsächlich werden die Schülerinnen vom ersten Tag an in die Praxis geworfen. Lena arbeitet gerade an einer historischen Herrenperücke, die bei den Orff-Festspielen in Andechs zum Einsatz kommen wird. Für Außenstehende so eine Art Sisyphus-Projekt. Strähnchen für Strähnchen zieht sie mit dem Knüpfhaken durch die Gaze, die auf der Perückenmontur befestigt ist, und verknotet sie. Für nur wenige Quadratzentimeter braucht sie ganze zwei Stunden, für den kompletten Herzog zwei Wochen. Für jede Perücke wird Echthaar verwendet. Das kostet jeweils etwa 500 Euro. Kein Wunder, dass man hier bereits eine fertige Friseurlehre mitbringen muss, bevor man überhaupt zum Einstellungstest zugelassen wird. Teures Material verbaseln ist nicht.

Eine Nase für Pinocchio

Lena war von Anfang an sehr zielstrebig. Seit sie mit ihren Eltern, als sie 14 war, eine Vorstellung von Sunset Boulevard gesehen hatte, wusste sie: Das isses. Ich werde Maskenbildnerin. Sie besuchte eine Fachschule für Gestaltung, machte in Hamburg ein Praktikum beim Film und absolvierte die geforderte Friseurausbildung. Bei der Aufnahmeprüfung in München musste sie sich schließlich gegen etwa 60Konkurrentinnen behaupten. - Männliche Wesen gibt es hier kaum, einer hat mal mit der Schule angefangen, ist aber durch die Zwischenprüfung gefallen. - Die Prüfung bestand aus mehreren praktischen Aufgaben, die man jeweils innerhalb einer dreiviertel Stunde lösen musste. (Welche das waren, muss leider geheim bleiben, weil dieselben Aufgaben auch dieses Jahr wieder gestellt werden.)

Heute ist sie bereits so weit, dass sie nach den Theaterferien verantwortlich - freilich unter Aufsicht eines Lehrers - die kommende Pinocchio-Produktion betreuen darf. Daher beschäftigt sie momentan auch die Frage, wie man Nasen wachsen und schrumpfen lassen kann. Mit einem Teleskop-Arm vielleicht?

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