Leiharbeit:Keine Beschäftigung zweiter Klasse

Der Geschäftsführer der Zeitarbeitsfirma Adecco kämpft gegen das schlechte Image der Leiharbeit. Er sieht in ihr vor allem ein Karrieresprungbrett.

Sibylle Haas

Andreas Dinges ärgert sich momentan über vieles in seiner Branche. Der 50-Jährige ist Geschäftsführer der deutschen Adecco-Gruppe. Derzeit stimmen den Chef der Zeitarbeitsfirma zwei Sachen missmutig: Das ist der Missbrauch der Leiharbeit auf der einen und die Skandalisierungskampagne der Gewerkschaften auf der anderen Seite.

Adecco Leiharbeit

Die Zeitarbeitsfirma Adecco will die Leiharbeit von ihrem schlechten Image befreien.

(Foto: Foto: dpa)

Auf dem Holzweg

Mit Blick auf den Drogeriemarktbetreiber Schlecker sagt Dinges: "Solche Machenschaften schaden unserer Branche total." Schlecker hatte Stammpersonal durch Zeitarbeitnehmer ersetzt, die von einer konzerneigenen Leiharbeitsfirma vermittelt wurden. "Wer die Zeitarbeit nutzt, um die Löhne zu drücken, ist auf dem Holzweg", sagt Dinges.

Der Bundesverband Zeitarbeit (BZA), in dem Adecco Mitglied und in dessen Vorstand Dinges vertreten ist, hat Schlecker entsprechend gerügt. "Das untypische Phänomen Schlecker hat nichts mit der seriösen Zeitarbeit in Deutschland zu tun", so der BZA. Einen direkten Kontakt mit Anton Schlecker, dem Gründer und Chef der Drogeriemarktkette, habe es aber nicht gegeben. "Das bringt wenig", meint Dinges. Es sei besser, die Auswüchse öffentlich zu machen.

"Moderne Form der Ausbeutung"

Das ist auch das Anliegen der Gewerkschaften. Die IG Metall überschreibt ihre Kampagne zur Leiharbeit mit den Worten "Leiharbeit ist moderne Form der Ausbeutung". Über solche Aussagen kann sich Dinges nur wundern. "Unser Verband hat vor zwei Monaten mit der DGB-Tarifgemeinschaft einen neuen Tarifvertrag geschlossen. Auch die IG Metall hat zugestimmt." Nun mache sie im Grunde den eigenen Tarifvertrag schlecht. Danach beträgt der niedrigste Lohn vom 1. Juli an in Westdeutschland 7,60Euro und im Osten 6,65 Euro. In der höchsten Tarifgruppe, nach der unter anderem Akademiker bezahlt werden, liegen die Westlöhne bei 17,11 Euro und die Ostlöhne bei 14,88 Euro.

Die Adecco-Gruppe ist die größte Zeitarbeitsfirma der Welt und in Deutschland nach Randstad die Nummer zwei. Allein schon wegen seiner Größe wird der Konzern, der hierzulande 30.000 Zeitarbeitnehmer beschäftigt und knapp eine Milliarde Euro umsetzt, auch zur Zielscheibe gewerkschaftlicher Kritik. Vorwürfe, wonach die Firma über Subunternehmer Leiharbeiter zu schlechteren Bedingungen beschäftigt, weist Dinges weit von sich. Selbst in der Adecco Outsourcing GmbH, die allerdings keine Zeitarbeitsfirma sei, würden die Beschäftigten nach dem Konzerntarif bezahlt. "Wir wollen die Mitarbeiter nicht schlechter stellen als im Rest des Konzerns", sagt Dinges.

Zurück in den Job

Von einer gesetzlichen Regulierung der Zeitarbeit, wie sie die Gewerkschaften fordern, hält der Adecco-Chef gar nichts. Ziel der Arbeitsmarktreform, zu der auch die Deregulierung der Zeitarbeit zählt, war es, Arbeitslose wieder in Jobs zu bringen. Die Zeitarbeit habe das geschafft, betont Dinges. Auch eine gesetzlich vorgeschriebene Höchstgrenze der Leiharbeiter in den Betrieben hält er für unsinnig. "Das nimmt den Firmen die Flexibilität. Gerade dafür steht ja die Zeitarbeit."

Arbeiten auf dem Schleudersitz

Dinges ist sich sicher, dass seriöse Unternehmen ohnehin nicht grenzenlos Leiharbeiter einstellen und damit Stammpersonal verdrängen. "Das wäre betriebswirtschaftlicher Unfug, weil die Stammbelegschaft als verlässliche Konstante unabdingbar ist", meint Dinges. Vernünftig findet er einen Leiharbeiter-Anteil von etwa zehn Prozent in den Betrieben.

Zuflucht für Geringqualifizierte

Eine Absage erteilt der Chef der Adecco-Gruppe in Deutschland auch der Gewerkschaftsforderung, wonach Leiharbeitnehmer genauso viel verdienen sollten wie das Stammpersonal. "Dann wäre die Zeitarbeit zu teuer und würde sich nicht mehr lohnen. Wenn Firmen wie beispielsweise Audi zusammen mit uns und den Gewerkschaften Zusatzvereinbarungen mit besseren Konditionen treffen, ist das natürlich lobenswert", betont er.

Es ärgere ihn immer wieder, wenn auf Zeitarbeitnehmer als Beschäftigte zweiter Klasse herabgeschaut werde. "Es muss Schluss sein mit dem Märchen, Zeitarbeitnehmer säßen auf einem Schleudersitz", sagt er. "Wir sind nicht in Frankreich, wo Zeitarbeitsfirmen Beschäftigte lediglich vermitteln", sagt Dinges. Deutsche Zeitarbeitsfirmen seien "richtige Arbeitgeber, und die Zeitarbeitnehmer sind dort festangestellt", erklärt er. Längst sei die Zeitarbeit auch nicht nur eine Zuflucht für Geringqualifizierte. Es gebe immer mehr Studienabgänger, die die Zeitarbeit nutzten, um bei möglichst vielen Firmen Erfahrungen zu sammeln.

Ohne Mindestlohn geht es nicht

Der Adecco-Manager hofft nun, dass der Branchenmindestlohn noch in diesem Jahr von der Politik umgesetzt wird. "Wenn nächstes Jahr im Mai Arbeitnehmer aus den osteuropäischen EU-Ländern freien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt haben, wird es ohne Mindestlohn zum Lohndumping kommen", meint Dinges. Außerdem ist er sich sicher, dass es den Fall Schlecker mit einem Mindestlohn für die Branche nicht gegeben hätte.

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