Lehrerpräsident über spickende Palin:"Spicken ist eine Leistung"

Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnen-Verbands, findet es nicht schlimm, dass Sarah Palin spickt - seine Schüler bewundert er sogar dafür.

Maria Holzmüller

Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnen-Verbands, findet es nicht schlimm, dass Sarah Palin beim Spicken erwischt wurde - seine Schüler bewundert er manchmal dafür.

Klaus Wenzel

"Das halte ich für eine große Intelligenzleistung." Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, findet Spicken gar nicht so schlimm.

(Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Regen sich Lehrer darüber auf, dass Sarah Palin beim Spicken erwischt wurde? Klaus Wenzel: Nein, überhaupt nicht. Ich finde es sogar höchst professionell, dass sich jemand, der viel reden muss, Notizen macht. Ich selbst habe auch immer ein kleines Karteikärtchen dabei, damit ich nichts vergesse. Ich versuche gar nicht, das zu vertuschen. Dass Sarah Palin allerdings die Schwerpunkte ihrer Politik auf ihrer Handinnenfläche notieren musste, zeigt, wie wenig sie verinnerlicht hat. Und das ist dann schon peinlich.

sueddeutsche.de: Was würden Sie Schülern erwidern, die darauf hinweisen, dass sogar eine der einflussreichsten Frauen der Welt zum Spicker greift?

Wenzel: Ich habe generell ein sehr entspanntes Verhältnis zum Spicken. Wenn es einem Schüler gelingt, auf kleinstem Raum die wesentlichen Informationen zusammenzufassen, ist das eine große gedankliche Leistung. Das finde ich sogar positiv. Ich würde also nie sagen: "Seht her, Sarah Palin ist beim Spicken erwischt worden! Wenn Ihr nicht aufhört zu spicken, werdet Ihr ebenfalls irgendwann in eine solch peinliche Situation kommen."

sueddeutsche.de: Wie akut ist die Spick-Problematik an bayerischen Schulen?

Wenzel: Die Möglichkeiten der Schüler haben sich in den vergangenn Jahren sehr verändert. Zu meiner Zeit waren wir auf die Mädchen neidisch, die Zettel im Rocksaum verstecken konnten. Heute erlauben Computer und Handy viel mehr Möglichkeiten. Aber das eigentliche Problem liegt im Schulsystem. Wenn Schüler allein durch Spicker zu guten Noten kommen, ist die Prüfung falsch gestellt. In meiner aktiven Zeit als Lehrer habe ich immer versucht, Gedankenleistung und Transferwissen zu fordern. Schüler müssen das Gelernte in Eigenleistung anwenden können - dabei hilft kein Spicker. Wir müssen weg von den Verkündigungsritualen. Es kann nicht sein, dass ein Lehrer vor der Klasse steht und Fakten von sich gibt, die Schüler sie vor der Prüfung auswendig lernen und dann während der Schulaufgabe wiedergeben. Das nenne ich "Bulimie-Lernen", das bringt uns nicht weiter.

sueddeutsche.de: Mit welchen Maßnahmen wird gegen Schüler vorgegangen, die beim Spicken erwischt wurden?

Wenzel: In der Schulordnung ist das unter dem Punkt "Unterschleif" offiziell verankert: Wer spickt, bekommt die Note sechs und ist durchgefallen. Diesen Umgang mit dem Problem finde ich sehr unkreativ. Ich habe meinen Schülern beim ersten Versuch immer eine Verwarnung gegeben.

sueddeutsche.de: Was war der kreativste Spickversuch, der Ihnen als Lehrer untergekommen ist?

Wenzel: Bei mir waren es meistens die Klassiker: kleine Zettelchen in der Faust, im Federmäppchen oder bei den Mädchen im Rocksaum. Aber kürzlich habe ich von Schülern gehört, die mit großem Aufwand das Label einer Fantaflasche am Computer detailgetreu nachgemacht haben. Nur statt der Inhaltsstoffe standen da in kleinster Schrift chemische Formeln. Das hinzubekommen, halte ich für eine große Intelligenzleistung.

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