Lehrer:"Schaut Euch genau um, wo Bedarf ist"

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Auf die Schulen rollt in den nächsten Jahren eine Pensionierungswelle zu. Dennoch ist der Lehrerbedarf je nach Fach und Schulform unterschiedlich.

Ob es eine Trendumkehr bedeutet, ist noch nicht absehbar: Nachdem jahrelang immer mehr junge Menschen ein Lehramtsstudium aufgenommen haben, gab es im vergangenen Jahr erstmals wieder einen leichten Rückgang um 6,2 Prozent. Was immer die Gründe dafür sein mögen - notwendig wäre er eigentlich nicht, denn schon bald dürften Lehrer wieder händeringend gesucht werden.

Mal Mathe und Physik, mal Musik oder Latein: Nicht jede Fachrichtung ist gefragt. (Foto: Foto: dpa)

Zwar bleiben die Schülerzahlen zunächst konstant, doch gehen etwa 300.000 der insgesamt rund 800.000 Schullehrer in den nächsten Jahren in den Ruhestand, wie der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus erläutert.

Auch die Kultusministerkonferenz und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erwarten übereinstimmend einen wieder deutlich steigenden Bedarf an Lehrkräften. Man brauche niemandem aus Mangel an Einstellungschancen abzuraten, diesen Beruf zu ergreifen, ist die stellvertretende GEW-Vorsitzende Marianne Demmer überzeugt. Dem widerspricht auch Angelika Hüfner nicht, die bei der Kultusministerkonferenz (KMK) Stellvertreterin des Generalsekretärs ist. Allerdings rät sie Interessenten, flexibler auf den Arbeitsmarkt zu reagieren. Denn der Bedarf ist von Land zu Land, von Schulform zu Schulform und erst recht von Fach zu Fach unterschiedlich.

So erscheint es nicht der Weisheit letzter Schluss, dass 60 Prozent der Studienanfänger, die sich im vergangenen Jahr für ein Lehrfach eingeschrieben haben, den Bereich Kultur und Sprachen gewählt haben. Denn die Nachfrage nach Bewerbern mit Fächern wie Mathematik und Naturwissenschaften wird mit Sicherheit sehr viel größer sein. Dafür aber hat sich noch nicht einmal ein Viertel (24 Prozent) der Erstsemester für das Lehramtsstudium entschieden. Und vor allem Studentinnen sind dabei laut KMK-Expertin Hüfner recht selten.

Auch Lehrerverbandschef Kraus rät den Studenten: "Schaut Euch genau um, wo Bedarf ist." Der sei schon an den Grundschulen von Land zu Land verschieden, wobei dort wegen des höheren Frauenanteils eine größere Fluktuation sei als in anderen Schulformen, weil sich die Grundschullehrerinnen in einem bestimmten Alter häufig wegen Schwangerschaften und Erziehungszeiten beurlauben ließen oder nur noch eine Teilzeitbeschäftigung wollten. Bei den Gymnasien bestehe nicht nur ein Bedarf bei Mathematik und Physik, sondern zum Teil auch in Musik, Religion und Latein. Am größten ist der Bedarf laut Kraus noch an den Berufsschulen, wo insbesondere Lehrer für Elektrotechnik, Metall und Informationstechnik sowie kaufmännische Fächer gesucht würden. Aber auch an den Hauptschulen gibt es laut KMK und GEW einen spürbaren Lehrermangel.

Kraus wirft den 16 Kultusministern vor, die Personalplanung schlicht verschlafen zu haben. Dabei gebe es doch dafür eine gute Datengrundlage. So seien die Schülerzahlen auf Jahre im Voraus berechenbar, "denn der Gymnasiast des Jahres 2015 ist ja heute schon geboren", erläuterte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands. Und auch die Verteilung auf die einzelnen Schularten wie Hauptschule, Realschule und Gymnasium verändere sich in aller Regel nicht schlagartig.

Statt einer vorausschauenden Personalplanung brächten sich die Kultusminister aber mit "Klein-Klein" über die Runden und kürzten mal eine Stunde oder vergrößerten die Klassenstärke um einen Schüler. Beide Maßnahmen kaschierten aber nur den Lehrermangel. So reduziere die Streichung einer von 30 Wochenstunden ja ebenso wie die Erhöhung der Schülerzahl von 30 auf 31 pro Klasse rein rechnerisch den Lehrerbedarf um jeweils drei Prozent, doch gehe das letztlich zu Lasten der Qualität des Unterrichts.

Vizegeneralsekretärin Hüfner von der Kultusministerkonferenz räumt ein, dass es in der politischen Praxis Unterschiede zwischen dem pädagogisch Wünschenswerten und dem finanziell Durchsetzbaren gebe. Natürlich sei es sinnvoll, angesichts absehbar steigenden Bedarfs schon jetzt mehr Lehrer einzustellen. Die Finanzminister und dementsprechend auch meist die Parlamente gingen bei ihren Entscheidungen mit Blick auf die Haushaltslage aber oft nur von den Schülerzahlen des jeweiligen Schuljahrs aus.

Schlecht geredet

Die stellvertretende GEW-Vorsitzende Demme sieht auch gesellschaftliche Gründe für den leichten Rückgang. Schließlich sei der Lehrerberuf in der jüngeren Vergangenheit schlecht geredet worden, so dass er an Ansehen eingebüßt habe. Auch seien in vielen Ländern die Arbeitsbedingungen für die Pädagogen verschlechtert worden, etwa mit der Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung. Das habe sich ja gewiss auch bei den Schulabgängern herumgesprochen, die vor der Entscheidung über ihr Studienfach stehen.

Zudem sei Ende der 90er Jahre noch eine Werbekampagne für den Lehrerberuf gelaufen, von der man in den letzten Jahren nichts mehr gehört habe, kritisiert die Gewerkschafterin. Dabei habe sich das Dilemma mit dem höheren Bedarf und den anstehenden Pensionierungen schon seit Jahren abgezeichnet. "Man hätte einfach schon früher mehr Lehrer einstellen sollen", bringt es Demme auf den Punkt. So zeichne sich schon für das Schuljahr 2006/2007 laut KMK ein Bedarf von 25.000 bis 26.000 neuen Lehrern ab, dem voraussichtlich nur ein Angebot von 20.000 Bewerbern gegenüberstehe.

© AP, Gerhard Kneier - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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