Lehrer mit Beamtenstatus:Unterricht jetzt - Kosten später

Das dicke Ende kommt erst noch: Verbeamtete Lehrer dürfen nicht streiken, lassen sich leichter an unattraktive Standorte versetzten - und kosten den Staat erst einmal weniger als ihre angestellten Kollegen. Denn Zahlungen für ihren Ruhestand werden erst Jahrzehnte nach ihrer Einstellung fällig. Doch dann wird es richtig teuer.

Mike Szymanski

FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat mit ihrem Vorstoß, Lehrer künftig als Angestellte und nicht mehr als Beamte zu beschäftigen, eine Grundsatzdiskussion ausgelöst. Auf dem Parteitag der Liberalen in Landshut hatte Leutheusser-Schnarrenberger erklärt, anders als etwa in der Justiz, bei Polizei und Steuerverwaltung brauche es in der Schule nicht mehr unbedingt verbeamtete Lehrer.

Schulanfang in Bayern

Der "Gegenwartswert" der Versorgungskosten für verbeamtete Lehrer ist geringer als der von Angestellten. Sie fallen erst 30 bis 40 Jahre später an.

(Foto: dpa)

Indirekt steht dahinter der Wunsch, von den horrenden Personalkosten herunterzukommen. Sie machen heute schon etwa 41 Prozent des Staatshaushalts aus und werden in den kommenden Jahren noch größere Summen verschlingen. Es ist eine unbequeme Diskussion, die die FDP-Politikerin der Bayerischen Staatsregierung aufzwingt.

Sie offenbart, dass es in der schwarz-gelben Regierung trotz aller Bekenntnisse zu ausgeglichenen Haushaltsplänen und der erst Mitte November vereinbarten Tilgung von 250 Millionen Euro Altschulden doch nicht so sehr weit her ist mit nachhaltiger Finanzpolitik: Gerade Bayerns Beamte stellen einen Kostenfaktor dar, über den in der Staatsregierung sonst niemand gerne spricht.

Bayerns Polizisten, Richter, Lehrer, Finanzbeamte und Gefängniswärter - sie alle kommen der Staatskasse noch erst richtig teuer zu stehen: Die Zahl der Beamten, die in den Ruhestand versetzt werden, wird Prognosen aus dem Finanzministerium zufolge rapide steigen - von derzeit etwa 100.000 auf knapp 170.000 im Jahr 2035.

Vor allem zwischen 1960 und 1980 hatte der Freistaat kräftig Personal eingestellt und verbeamtet. Es waren fette Jahre für den Öffentlichen Dienst. Über die Folgekosten, etwa die nun anstehenden Pensionszahlungen, machte man sich allzu lange keine Gedanken. Wenn Leutheusser-Schnarrenberger nun die Privilegien für mehr als 100.000 verbeamtete Lehrer in Frage stellt, dann indirekt auch diese Praxis.

Versorgungsrücklage? Einzahlungen ausgesetzt

Je nachdem, wie optimistisch die Grundannahmen ausfallen, welche künftigen Gehaltserhöhungen etwa eingerechnet werden, steigen die Ausgaben für die Pensionen von derzeit etwa dreieinhalb Milliarden Euro auf zwischen 6,6 und 10 Milliarden im Jahr 2050. Die Hälfte des Staatshaushaltes geht dann allein fürs Personal drauf - auf Dauer droht ein Land an solchen Lasten zu ersticken.

Erst Ende der 90er Jahre hat die damalige Regierung unter Edmund Stoiber damit begonnen, Geld in einer sogenannten Versorgungsrücklage anzusparen - etwas mehr als eine Milliarde Euro ist bisher zusammengekommen. In einem weiteren Topf, einem 2008 aufgelegten Pensionsfonds liegen bisher laut Haushaltsplan mehr als 200 Millionen Euro. Ein Anfang, mehr ist das nicht.

Hinzu kommt, dass Regierungschef Horst Seehofer (CSU) und sein Koalitionspartner 2010 vereinbart haben, die Zahlungen in diese Rücklagen in den Jahren 2011 und 2012 teilweise oder ganz auszusetzen - insgesamt weit mehr als 400 Millionen Euro. Dies Geld brauchte die Koalition an anderer Stelle offenbar dringender. Als einen "Sündenfall" bezeichnet Bayerns Beamtenbund-Chef Rolf Habermann, wie unbekümmert und nach Belieben die Staatsregierung Zahlungen aufschiebt.

In einer Image-Broschüre für den Öffentlichen Dienst aus dem Finanzministerium aus dem Jahr 2003 heißt es unverblümt: "Die Ausgaben für die Versorgung der Beamten fallen erst nach dem Eintritt des Versorgungsfalles an, also rund 30 bis 40 Jahre nach der Einstellung in den öffentlichen Dienst. Die Versorgungsausgaben haben daher einen wesentlich geringeren Gegenwartswert als die Mehrausgaben für die Angestellten während der aktiven Zeit."

Der Gegenwartswert also. Angestellte Lehrer kosten mehr Geld, weil man nicht mit ihrer Altersvorsorge manövrieren kann. Nicht nur deshalb traute sich auch bisher keine Staatsregierung wirklich daran, ihnen ihren Status zu nehmen. Beamte lassen sich leichter versetzen, auch dorthin, wo mancher freiwillig nicht unbedingt eine Stelle annehmen würde. Und verbeamtete Lehrer streiken in der Regel nicht, wie überhastet Schulreformen auch ausfallen mögen.

Vor ziemlich genau einem Jahr war es Seehofer selbst, der angesichts der ausufernden Kosten meinte, man müsse "alles überdenken", auch den Beamtenstatus. Passiert ist den Beamten dann aber doch nichts.

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