Lebenskunst:Der Optimismus-Knigge

Kein Zögern und kein Klagen, stattdessen Zuversicht und Heiterkeit: Wie man Optimist wird.

Stefan F. Gross

Ein neues Jahr ist wie ein neuer Start. Alle zwölf Monate liegen unverbraucht vor einem, die Gelegenheit zu Veränderungen erscheint ideal. So schießen also nicht nur Silvesterraketen in den Himmel, sondern auch neue Vorsätze durchs Gehirn. Ein anderer Lebensrhythmus, mehr Sport, ein spezielles Erfolgsziel - an Auswahl herrscht kein Mangel.

Optimist

Guter Vorsatz fürs neue Jahr: optimistisch sein.

(Foto: Foto: photodisc)

Leider ist beiden, Raketen und Vorsätzen, ein ähnliches Schicksal beschieden. Nur die Art des Abgangs unterscheidet sich. Raketen vergehen geräuschvoll am Himmel, Vorsätze verschwinden lautlos im Alltag. Bei den Raketen hält sich der Verlust in Grenzen. Nicht so bei den Vorsätzen. Hier geht vieles verloren, was dem eigenen Leben eine höhere Qualität hätte verleihen können.

Lassen Sie es uns besser machen. Eine Lebenskunst-Regel verdient es, in diesem Jahr nicht nur als Vorsatz, sondern als Entschluss und als Leitidee ins eigene Denken und Verhalten aufgenommen zu werden. Sie lautet: Mehr Optimismus!

Optimismus und Motivation sind untrennbar verbunden.

Lassen Sie uns als erstes klären, was Optimismus bedeutet. Grundsätzlich betrachtet, ist Optimismus eine bestimmte Art der Einstellung und Weltsicht, im Sinne einer heiteren, zuversichtlichen Lebensauffassung. Bezogen auf das konkrete Geschehen bedeutet Optimismus, sich auch in schwierigen Situationen seine Stimmung und Tatkraft zu erhalten und sich selbst, seinen Fähigkeiten und Gestaltungsmöglichkeiten Vertrauen zu schenken.

Optimismus hat also nichts damit zu tun, sich die Verhältnisse schön zu reden, Risiken zu verdrängen und die Dinge einfach laufen zu lassen, gemäß dem Motto "wird schon gutgehen". Wer so denken oder handeln würde, der wäre kein Optimist, sondern ein Narr.

Worum es vielmehr geht, ist der Wille und die Fähigkeit, die positiven Faktoren einer bestimmten Gesamtkonstellation uneingeschränkt wahrzunehmen und sich von ihnen bewusst motivieren, anregen und leiten zu lassen.

Es gibt viele Gründe, den eigenen Optimismus zu stärken.

Optimismus ist die Basis persönlicher Stabilität und Erfolgsfähigkeit: Wir leben und arbeiten in einer Zeit rasanten Wandels. Ob Berufs- oder Privatleben, die Herausforderungen steigen spürbar. So etwas wie "selbstverständliche Erfolge" oder eine "gesicherte Zukunft" lassen sich kaum mehr bewerkstelligen. Optimismus ist daher unverzichtbar. Er liefert den Antrieb und das Durchhaltevermögen, die nötig sind, um regelmäßig Hindernisse und Hürden zu meistern und sich seine Erfolgsfähigkeit auch langfristig zu erhalten.

Optimismus schafft eine positive Automatik: Optimismus verändert das Denken und das Handeln - und damit die realen Gegebenheiten. Wer zuversichtlich und enthusiastisch an seine Aufgaben herangeht, der tut das mit völlig anderem Schwung und auf ganz andere Weise, als jemand, der die Arbeit skeptisch oder gar pessimistisch aufnimmt. Er startet mit einem großen Schritt und keinem kleinen Hüpfer. Er lenkt seine Konzentration auf das, was ihm hilft und was ihn voran bringt. Er orientiert sich an Lösungen und nicht an Widerständen. Er interpretiert Rückschläge nicht als Vorboten des Scheiterns, sondern verfolgt seine Ziele mutig und entschlossen.

Optimismus macht fröhlich: Pessimisten lächeln selten. Der negative Ausgang der Angelegenheit erscheint für sie gewiss. Zu lachen gibt es daher nichts, so viel steht für sie fest.

Ganz anders die Optimisten. Die Aussichten sind positiv, sie werden es schaffen, wenn nicht heute, dann morgen. Und wenn nicht morgen, dann übermorgen. Was gibt es da zu jammern?

Je höher die eigenen Ziele liegen, desto wichtiger ist Optimismus:

Denken Sie an die großen Leistungen in der Menschheitsgeschichte. Ob es Reisen in ferne Kontinente waren, wissenschaftliche Pioniertaten oder entscheidende gesellschaftliche Entwicklungen - der erste Schritt ging immer ins Unbekannte. Ohne Leidenschaft und Vertrauen in die eigenen Pläne und Stärken wäre er nicht gewagt worden. Optimismus macht den Weg frei.

Optimismus kommt nicht von selbst.

Wir alle haben also Optimismus dringend nötig. Wie aber gewinnt man ein höheres Maß an Optimismus? Wie entwickelt man eine positive Grundeinstellung und Weltsicht? Und noch mehr, wie schafft man es gerade in den Phasen, in denen es nicht so gut läuft oder in denen man überdurchschnittlich gefordert wird, sich seine Zuversicht, sein Selbstvertrauen und seine Heiterkeit zu erhalten?

Der Optimismus-Knigge

Die erste Antwort lautet: Die Förderung des eigenen Optimismus ist eine eigenständige und langfristige Aufgabe. Kurzfristige Appelle an sich selbst genügen kaum. Was man vielmehr benötigt, ist ein persönliches "Optimismus-Entwicklungs-Programm". Die folgenden Empfehlungen zeigen, was dazu gehört.

Entwickeln Sie sich mehr Hochachtung vor dem, was Sie erreicht haben und was gut läuft.

Die meisten Menschen zeigen ein eigentümliches Verhalten. Sie sehen ausschließlich auf das, was sie noch nicht erreicht haben oder was ihnen im Augenblick Mühe bereitet.

Ihre Leistungen und Erfolge in der Vergangenheit würdigen sie demgegenüber mit keinem Blick. Auch mit dem, was ohne große Anstrengung gut läuft oder was ihr Leben bereits seit Jahren positiv bereichert, beschäftigen sie sich kaum. Damit aber berauben sie sich eines entscheidenden Teils der Faktoren, mit denen sie ihre Lebensfreude, ihr Selbstvertrauen und ihren Optimismus stärken könnten.

Lassen Sie Ihre Erfolge und Glücksfaktoren deshalb nicht länger im Alltag untergehen. Zeigen Sie mehr Wachheit und Wertschätzung für das, was Ihnen in der Vergangenheit gelungen ist. Machen Sie sich bewusst, welche Erfolge sie bereits erzielt haben, wie günstig bestimmte Verhältnisse zur Zeit sind, und, auch das gehört zur Betrachtung, was wesentlich schlechter hätte enden können, als es der Fall war. Stellen Sie sich dazu bitte die folgenden Fragen:

- Welche wichtigen Ziele habe ich im Laufe meines Lebens bereits erreicht?

- Wofür habe ich viel Zeit und Kraft eingesetzt, was mir heute selbstverständlich erscheint? Wie würde ich mich fühlen, wenn ich auf diesen Feldern wieder "bei Null" beginnen müsste?

- Auf welchen Gebieten habe ich im Vergleich zu vielen anderen Menschen keine Probleme oder Sorgen? Was läuft in meinem Leben so gut, dass ich mich darüber freuen sollte?

- Was kann aus meinen bisherigen Erfolgen für meine künftigen Vorhaben ableiten? Welche Beweismittel oder Indikatoren liefern sie mir dafür, dass ich auch meine aktuellen Ziele erreichen werde?

Halten Sie Ihre Überlegungen schriftlich fest.

Am besten ist es, Sie schreiben sich diese Gedanken auf und lesen sie immer wieder einmal nach, besonders dann, wenn Sie sich in pessimistischer Stimmung befinden.

Sie werden feststellen, es hilft enorm. Zum einen, weil Sie erkennen werden, dass die Lage insgesamt weit positiver ist, als Sie sie empfinden. Zum anderen, weil es sich dabei um eine Maßnahme handelt, die eben nicht auf dem Feld der Autosuggestion und des Schönredens liegt, sondern auf dem einer sachlichen Analyse der Realitäten.

Machen Sie sich bewusst, dass ein Großteil Ihrer Sorgen und Befürchtungen nicht eintreten wird.

Optimismus bedeutet nicht, Probleme zu verdrängen oder zu verniedlichen. Wer sich bemüht, nur noch die positiven Elemente zu sehen, wer alles übergeht und klein redet, was an Missständen existiert oder an Gefährdungen auf ihn zukommen könnte, der betreibt das Gegenteil von Lebenskunst. Er kann nicht rechtzeitig Vorsorge treffen und er verdrängt die Probleme, anstatt sie zu lösen.

Gleichwohl, die Lebenserfahrung zeigt, dass der größte Teil der eigenen Sorgen und Befürchtungen unbegründet oder übertrieben ist.

Achten Sie deshalb auf eine realistische Einschätzung der Lage. Entwickeln Sie keine endlosen Risikolisten. Malen Sie sich nicht in glühenden Farben aus, was Ihnen im Zusammenhang mit einer bestimmen Aufgabe oder Handlung alles widerfahren könnte. Entscheiden Sie sich im Zweifel für eine zuversichtliche Lagebeurteilung.

Der deutsche Schriftsteller Ernst Jünger, dessen Lebenserfahrung sicher fast einzigartig war, liefert dafür den Leitsatz: "Der Optimismus ist ein unmittelbares Zeichen der Gesundheit und ist um so verdienstvoller, je schärfer er die Gefahr ins Auge fasst. Auf alle Fälle führt die Hoffnung weiter als die Furcht."

Betreiben Sie eine kluge Kontaktstrategie.

Oft reicht eine negative Unterhaltung, um den eigenen Optimismus für Tage zu verlieren. Und umgekehrt, fast immer braucht es nur wenige Minuten eines liebenswürdigen Gespräches, um die eigene Energie und Zuversicht wiederzugewinnen.

Vermeiden oder reduzieren Sie deshalb Begegnungen mit notorischen Pessimisten ("das wird nie etwas werden"), mit Produzenten von Bedenken und Einwänden ("das funktioniert aber nicht in allen Fällen"), mit Rechthabern und Besserwissern ("nach meiner Erfahrung ist die Welt eine Scheibe") und mit allen anderen Apologeten des Niedergangs und Misserfolges ("In ein paar Jahren gehen hier sowieso alle Lichter aus").

Suchen Sie statt dessen den Gedankenaustausch mit Menschen, die Sie mögen und von denen Sie gemocht werden. Bitten Sie diese Personen um ihren Rat. Hören Sie ihnen zu. Versuchen Sie nicht, das, was Ihnen an positiven Gedanken geschenkt wird, mit eigenen Negativargumenten zu konterkarieren. Und, besonders wichtig, revanchieren Sie sich bei der ersten Gelegenheit!

Machen Sie eine Liste Ihrer Machtmöglichkeiten.

Hand aufs Herz: Würde man Sie zu Beginn eines anspruchsvollen Projektes fragen, welche Schwierigkeiten und Hindernisse auftreten könnten, so würde Ihnen wahrscheinlich auf Anhieb eine Vielzahl von Faktoren einfallen. Was aber wäre, wenn Sie nach Ihren Chancen und Machtmöglichkeiten gefragt werden würden? Kämen Ihre Antworten dann ebenso schnell und zahlreich?

Je deutlicher Sie sich Ihre Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten vor Augen führen, desto mehr stärken Sie Ihren Optimismus. Nehmen Sie sich deshalb zu Beginn einer Aufgabe (oder inmitten einer schwierigen Phase) die Zeit, Ihre Chancen in Ruhe zu durchdenken und aufzuschreiben. Die folgenden Fragen können Ihnen dabei helfen:

- Welche Mittel und Maßnahmen stehen mir zur Verfügung, um meine Ziele zu erreichen?

- Welche vergleichbaren Aufgaben und Probleme habe ich bereits in der Vergangenheit gelöst? Welche Lösungen kann ich daraus für meine aktuellen Aufgaben ableiten?

- Welche meiner Einflussmöglichkeiten unterschätze ich? Welche schöpfe ich nur unzureichend aus?

- Wo mache ich mir selbst das Leben schwer? Welche Hürden und Hindernisse erscheinen mir höher, als sie in Wahrheit sind?

- Welche Möglichkeiten der indirekten Vorgehensweise habe ich? Welche Probleme kann ich lösen, wenn ich nicht nur einen Schritt mache, sondern zwei oder drei?

Legen Sie los!

Passivität bringt Unsicherheit. Unsicherheit bringt Pessimismus. Die Abschlussempfehlung unseres Optimismus-Programms lautet deshalb: Zögern und zaudern Sie nicht. Legen Sie los, treten Sie in Aktion, beginnen Sie zu handeln! Kaum etwas liefert Ihnen mehr Antrieb und Zuversicht, als der gelungene erste Schritt!

© Stefan F. Gross ist Managementdozent und Autor der Bücher "Beziehungsintelligenz" und "Persönliche Dienstleistungskultur". Sein neuestes Werk "Life Excellence" handelt von der "Kunst, ein souveränes, erfülltes und erfolgreiches Leben zu führen". - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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