Länderübergreifendes Abitur:Ende der Extrawürste: Gleiches Abi für alle

Fünf Bundesländer planen ein gemeinsames Abitur. Die Prüfungsergebnisse sollen endlich vergleichbar werden, die Aufgaben das gleiche Niveau haben. Doch die Umsetzung ist schwierig.

Tanjev Schultz

In Berlin und Brandenburg bekommen Abiturienten seit diesem Jahr dieselben Prüfungsaufgaben. In den Kernfächern haben die beiden Länder die Lehrpläne angeglichen, und so mussten die Schüler in Potsdam genauso wie in Berlin darauf gefasst sein, beim Abitur etwa mit Theodor Fontanes Roman "Irrungen, Wirrungen" konfrontiert zu werden. Irrungen und Wirrungen sind eigentlich eine Spezialität der 16 Länder-Kultusminister, die nun aber beim Abitur mehr Ordnung stiften wollen.

Zentralabitur in NRW

In Schwerin und München könnten demnächst sehr ähnliche Abiturfragen gestellt werden.

(Foto: dpa)

Fünf Bundesländer haben sich jetzt auf Schritte hin zu gemeinsamen Grundlagen beim Abitur verständigt: Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Und sie hoffen, dass andere sich ihnen anschließen werden. Das Ziel ist ein Aufgabenpool, zunächst für Deutsch und Mathematik. "Wir wollen die bundesweite Vergleichbarkeit beim Abitur stärken", sagt der Präsident der Kultusministerkonferenz, Bayerns Bildungsminister Ludwig Spaenle (CSU). Damit ziehe man auch die Konsequenz aus zehn Jahren Pisa und anderen Studien, die immer wieder ein großes schulisches Leistungsgefälle zwischen den Bundesländern gezeigt haben. So hat der Tübinger Bildungsforscher Ulrich Trautwein herausgefunden, dass Abiturienten in Hamburg für die gleiche Abiturnote in Mathematik weniger können mussten als in Baden-Württemberg; zumindest war dies vor ein paar Jahren noch so.

Derzeit arbeitet das von allen 16 Kultusministern eingerichtete, in Berlin ansässige Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an sogenannten Bildungsstandards für das Abitur. Sie sollen bundesweit gelten und in zunächst allgemeiner Form beschreiben, was die Schüler können müssen. Daraus lassen sich anschließend konkrete Aufgaben entwickeln. Die fünf Länder, die ein vergleichbares Abi planen, wollen sich dann aus einem Pool solcher Prüfungsfragen bedienen. Schüler in Schwerin würden also weiterhin nicht exakt dieselben Aufgaben lösen müssen wie in München. Doch durch Tests wäre abgesichert, dass die Anforderungen auf demselben Niveau liegen. Wortgleiche Aufgaben zu stellen, wäre unpraktisch - dafür müssten alle Abiturienten am selben Tag zur Prüfung kommen und die Ferienzeiten vereinheitlicht werden.

Wenn die Vorbereitungen gut laufen, könnte das erste große länderübergreifende Abitur in dreieinhalb Jahren geschrieben werden. Andere Länder könnten jederzeit dazukommen. Im Brandenburger Kultusministerium heißt es, man habe sich zunächst mit Berlin zusammengetan, sei aber offen für mehr. Bayerns Minister Spaenle möchte prüfen, ob die gemeinsamen Standards und vergleichbaren Abi-Prüfungen sich sogar in einem Staatsvertrag verankern lassen. Dadurch würden die Länderparlamente beteiligt, während derzeit die Exekutive weitreichende Entscheidungen über das Schulsystem allein trifft. Spaenle will so den Föderalismus stärken und auch verhindern, dass sich die Bundesregierung des Themas bemächtigt.

Der Weg zu einem gemeinsamen Abitur aller 16 Länder ist jedoch noch weit. In Rheinland-Pfalz gibt es derzeit nicht einmal ein landesweites Zentralabi. Der Prozess der Angleichung hat außerdem Grenzen. Denn ins Abitur fließen auch Kursnoten aus dem Schuljahr und mündliche Prüfungen ein. Und bislang plant niemand ernsthaft, Inspektoren auszusenden, die kontrollieren, ob eine mündliche Prüfung in Stuttgart genauso schwer ist wie in Leipzig.

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