Kündigung in der Schwangerschaft:"Das ist Psychoterror"

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In der Schwangerschaft geschieht vielen Frauen am Arbeitsplatz unrecht. Häufig ist ihnen das gar nicht bewusst, sagt Expertin Nina Straßner.

(Foto: imago/Science Photo Library)

Schwangere genießen im Job einen besonderen Schutz. Doch die eigentlich gute Rechtslage wird Frauen oft zum Verhängnis, sagt Juristin Nina Straßner.

Interview von Larissa Holzki

Schwangeren darf in der EU grundsätzlich nicht gekündigt werden - außer in Sonderfällen, die mit ihrem Zustand nichts zu tun haben. Und selbst in solchen Fällen streiten Juristen häufig über die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Aktuell hat sich der Europäische Gerichtshof mit der Klage einer Frau aus Spanien befasst, der trotz Schwangerschaft im Rahmen einer Massentlassung von ihrem Arbeitgeber gekündigt worden war. Das Gericht befand die Kündigung für rechtens, in so einem Fall müssten die Betroffenen nur über die Auswahlkriterien für die Entlassungen informiert werden.

Nina Straßner ist Arbeitsrechtlerin und beobachtet die Entwicklung von Gesetzen und Rechtsprechung zum Schutz von Schwangeren und Eltern besonders kritisch. Als "Juramama" keilt sie auf ihrem Blog immer wieder gegen den Gesetzgeber und dreiste Arbeitgeber aus.

SZ: Frau Straßner, ist ein Ungeborenes der beste Schutz vor einer Kündigung?

Nina Straßner: Schwangere in Deutschland können tatsächlich auf einen sehr umfangreichen Katalog an Schutzrechten zurückgreifen. Juristisch betrachtet sind Kündigungsschutzklagen auch oft erfolgreich. Das Problem ist aus meiner Sicht, dass sie überhaupt notwendig sind, selbst bei einer krachend unwirksamen Kündigung.

Wie könnten Schwangere besser vor einer Entlassung geschützt werden?

Wenn der Gesetzgeber den Zweck des Mutterschutzgesetzes wirklich ernst nehmen würde, würde er durchgreifen wie beim Handytelefonieren im Auto. Ich lasse das auch erst konsequent bleiben, seit ich dafür sofort einen Punkt in Flensburg bekomme. Die bewusst rechtswidrige Kündigung einer Schwangeren sollte ein empfindliches Bußgeld auslösen. Stattdessen beobachte ich, dass die Gesetzgebung Frauen immer häufiger abverlangt, selbst nachzuforschen, Anträge zu stellen und selbst bei einer klaren Rechtsverletzung alles kostenpflichtig durchzusetzen. Hier müsste eine Schwangere nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zusätzlich Schadenersatz einklagen. Das klappt selten.

Bei einer Verhandlung vor den Arbeitsgerichten müssen die Parteien ihre Kosten immer selbst tragen, unabhängig davon, wer gewinnt. Hält das viele Schwangere von einer Klage ab?

Viele klagen schon nicht, weil sie keine Hoffnung haben, sich an dem Arbeitsplatz jemals wieder wohl zu fühlen. Jeder kann sich vorstellen, wie belastend es ist, sich auf eine Stelle zurück zu klagen, auf der man nicht gewollt ist. Im Rahmen eines Prozesses hört und liest man dann in Schriftsätzen des Arbeitgebers noch seitenweise, wie unfähig und ersetzbar man doch sei. Das ist Psychoterror. Und das wissen viele Arbeitgeber und können scharf kalkuliert eigentlich nur gewinnen. Die Frau ist mürbe gespielt.

Was erwartet eine werdende Mutter nach einer Kündigungsschutzklage an ihrem Arbeitsplatz?

Die meisten Fälle enden mit einem Vergleich: Das Arbeitsverhältnis wird gegen Geld aufgelöst. Mit Baby ist die Frau bei Bewerbungen um eine neue Teilzeitstelle dann aber oft der Loser. Stimmt sie einer Auflösung nicht zu, verbringt sie den Rest der Schwangerschaft auf einer Stelle, auf der sie nicht gewollt ist und weiß während der Elternzeit, dass ihr Kopf rollen wird, sobald eine reguläre Kündigungsmöglichkeit wieder besteht. An Elternteilzeit denken Betroffene gar nicht mehr. Das ist letztlich wie die Wahl zwischen Pest oder Cholera.

Nach Änderungen im Mutterschutzgesetz dürfen werdende und stillende Mütter jetzt auch an Sonn- und Feiertagen und bis 22 Uhr arbeiten - wenn sie das selbst wollen. Ist das der Anfang vom Ende des Mutterschutzes oder eine positive Entwicklung für berufstätige Frauen, die Karriere machen wollen?

Beides. Für Frauen, die bisher ungewollt von einem Projekt abgezogen worden sind, weil sie als Schwangere ausgeschlossen wurden, ist das sicherlich ein Vorteil. Trotzdem bin ich nicht besonders glücklich damit, wenn Arbeitszeit aufgeweicht wird. Diese Regelungen verstärken den Druck für Frauen in allen Branchen und Hierarchieebenen. Wenn jetzt eine Frau ihren rechtmäßigen Schutz nutzen will, muss sie sich anhören, die Kollegin habe im sechsten Monat auch noch die Spätschicht bis 22:00 Uhr im Restaurant gerockt. Hier ist für manche ein dringendes Problem gelöst, für andere aber eines neu entstanden. Die Realität in den Betrieben folgt selten dem Fairnessgedanken des Gesetzes.

"Wer Frauen wirklich fördern will, müsste auch die Arbeitgeber vor Risiken schützen"

Bei den Themen Gleichstellung und Mutterschutz werden die Arbeitgeber häufig als herzlose Gewinnmaximierer dargestellt. Ist das angemessen?

Wer Frauen wirklich fördern will, müsste auch die Arbeitgeber vor Risiken schützen. Dass das konsequent nicht geschieht, lässt sich an den kleinteiligen Änderungen im Mutterschutz zeigen. Arbeitgeber müssen jetzt routinemäßig überprüfen, auf welchen Stellen in ihrem Betrieb Schwangere gefährdet sind und wie sich diese umgestalten ließen. Das ist eine gute Sache. Das Problem ist aber: Die Frau darf gar nicht mitreden. Wenn die Stelle umgestaltet werden kannn, muss sie mit den Änderungen leben. Wenn nur eine Versetzung möglich ist, muss sie sich versetzen lassen. Und nur wenn auch das nicht geht, kommt ein vorübergehenden Beschäftigungsverbot in Frage.

Ein Verbot klingt erst mal nach etwas schlechtem. Tatsächlich geht es darum, das Leben und die Gesundheit von Mutter und Kind zu schützen. Was bedeutet das konkret für den Arbeitgeber?

Bei einem Beschäftigungsverbot bekommt der Arbeitgeber den Lohn für die Ausfallzeit von den Krankenkassen erstattet. Nun wird es stattdessen zu mehr Krankmeldungen kommen, das heißt, die Unternehmen müssen den Lohn selbst fortzahlen. Je kleiner das Unternehmen, umso empfindlicher wirkt sich das finanziell aus. Aus meiner Sicht hat man unter dem Label, Schwangere oder stillende Frauen im Berufsleben stärken zu wollen, eigentlich die Krankenkassen von Kosten entlastet. Frauen werden noch mehr als zuvor neben einem Ausfallrisiko auch zu einem finanziellen Risiko. Die vermeintlichen Schutzrechte fliegen ihnen um die Ohren, wenn es am Ende heißt: "Ich stelle keine Frau mehr ein."

Nina Straßner

Die Juristin Nina Straßner erklärt Eltern auch in Onlinekursen, welche Rechte sie gegenüber ihrem Arbeitgeber geltend machen können.

(Foto: Valeria Mitelman)

Wie bewerten Sie die Regelungen zur Elternteilzeit? Gibt es da auch Stolperfallen?

Hier wird zumindest geschlechtsneutral diskriminiert. Väter, die in Elternteilzeit arbeiten wollen, sind oft genauso gelackmeiert wie ihre Frauen. Ich habe schon häufig Sätze gehört wie: "Was wollen Sie? Da hätte ich ja gleich eine Frau einstellen können!". Aber da muss man auch mal auf die Eltern selbst zeigen.

Lassen sich Mütter und Väter zu viel gefallen?

Vor allem Mütter sind viel zu dankbar, wenn sie eine Elternteilzeitstelle bekommen haben und man ihnen gnädigerweise Arbeit gegeben hat, obwohl sie doch jetzt Mutter sind. Dabei sind Elternteilzeitstellen oder die problemlose Rückkehr auf den Arbeitsplatz nach der Elternzeit keine Nettigkeit des Arbeitgebers, sondern eine glasklare rechtliche Selbstverständlichkeit. Aber manchmal wissen es die Vorgesetzten ja auch nicht besser.

Das heißt, es bräuchte mehr Aufklärung darüber, welche Rechte Eltern am Arbeitsplatz tatsächlich haben. Jetzt haben Sie die Möglichkeit, mit einem großen Irrtum aufzuräumen.

Viele Mütter setzen sich beispielsweise während der Elternzeit zwei Jahre lang ans Telefon am Empfang, obwohl sie vorher die Buchhaltung geleitet haben. Solange der Arbeitgeber das bisherige Gehalt zahlt, sei das doch für alle eine super Lösung. Die Flexibilität zahlt sich aber selten aus, im Gegenteil. Im schlimmsten Fall wird die bisherige Stelle während der Elternteilzeit abgebaut und eine betriebsbedingte Kündigung möglich. Auf Jobsuche muss man dann angeben, was man wirklich die letzten zwei Jahre gemacht hat - und der Lebenslauf sieht plötzlich mies aus. Angestellte sollten niemals unter ihrem Niveau arbeiten, nur weil sie Eltern geworden sind.

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