Kritik an Kollegen:Vorschlaghammer und Zuckerwatte

Der Ton macht die Musik: Wer Kritik an Kollegen richtig formuliert, findet auch Gehör. Allerdings muss sie auch verstanden werden - und das ist nicht immer der Fall.

Zu meckern gibt es immer etwas. Das gilt auch am Arbeitsplatz. Sei es, dass ein Mitarbeiter sich am Arbeitstempo eines Kollegen stört oder den Chef die langen Pausen in seiner Abteilung nerven. Derartige Probleme so anzusprechen, dass sie sich bessern, ist nicht einfach. Denn genau darum geht es bei gekonntem Kritisieren: Es reicht nicht, Dampf abzulassen oder Andeutungen zu machen, die bei niemandem ankommen. Die Kunst ist es vielmehr, den anderen dazu zu bringen, sein Verhalten zu ändern.

Der Ton macht die Musik: Wie Kritik nicht auf taube Ohren stößt

Losbrüllen und runterputzen ist nicht der richtige Weg - wer konstruktiv Kritik üben möchte, sollte dabei gelassen bleiben.

(Foto: dpa)

Oft klappt das nicht: "Manche können überhaupt nicht mit Kritik umgehen", sagt Gitte Härter, Karrierecoach aus München. "Andere hören überall Kritik heraus." Und auch diejenigen, die Kritik üben, machen viel verkehrt.

Mancher Vorgesetzte scheue vor Kritik zurück - aus Angst, sich unbeliebt zu machen. Das ist nach Härters Überzeugung keine Lösung: "Führungskräfte dürfen nicht wegschauen, wenn etwas schiefläuft, sondern sollten das offen ansprechen." Die erste Frage auf dem Weg zu gelungener Kritik muss lauten: "Was ist mein Motiv?", erläutert Härter. "Will ich dem anderen eins reinwürgen, oder will ich etwas erreichen?" Im ersten Fall ist die Kritik nur Vorwand, im zweiten die Chance größer, Gehör zu finden.

Kritik ist oft aber sehr subjektiv: Was der eine schlecht findet, findet ein anderer ganz in Ordnung. "Man muss deshalb die eigenen Maßstäbe kritisch hinterfragen", empfiehlt Svenja Hofert, die als Karriereberaterin in Hamburg arbeitet. "Es ist ein grundlegender Fehler, von der eigenen Wahrnehmung auf die anderer zu schließen."

Wie kann man nur so dämlich sein?

Wichtig ist auch zu klären, wer der Adressat sein soll. Es bringt wenig, in einer Teambesprechung Kritik zu üben, wenn unklar ist, wen genau sie meint. "Wenn im Team zehn Leute sitzen, der Chef aber nur zwei im Auge hat, sind die acht anderen demotiviert. Und die zwei, um die es geht, fühlen sich nicht angesprochen", erklärt Härter. Kritik vor versammelter Mannschaft ist deshalb nur sinnvoll, wenn sie alle gleichermaßen betrifft. "Sonst sind Einzelgespräche immer besser."

Niemanden an den Pranger stellen

Indiskutabel ist, Einzelne vor allen anderen anzuprangern. Und Kritik sollte immer mündlich geäußert werden, nicht per E-Mail, empfiehlt Svenja Hofert. Es sei denn, es geht um kleine Details. Schwierig wird es für Vorgesetzte, wenn Mitarbeiter sich über andere beschweren: "Dann muss man abwägen, ob die Vorwürfe konkret genug sind für ein Kritikgespräch", sagt Härter. Ein guter Chef motiviere Mitarbeiter, Kritik an anderen zu üben. Sie muss aber verhältnismäßig sein: "Man muss prüfen, ob der Anlass es wert ist", sagt die Kommunikationstrainerin Meike Müller aus Berlin. Zu lange darf nicht gewartet werden: "Es ist besser, etwas möglichst früh anzusprechen. Jeder Konflikt war mal ein Konfliktchen."

Auch vom beiderseitigen Verhältnis hängt ab, wie Kritik formuliert werden sollte: "Einen Freund kann ich natürlich fragen 'Wie kann man nur so dämlich sein?'", sagt Meike Müller. Bei einem Mitarbeiter, den man nur flüchtig kennt, sollte man sich fragen: "Was halte ich von dem?" Und dabei sei es ausgesprochen nützlich, das Positive zu suchen und sich nicht auf das Negative zu konzentrieren. Wer sich über die Stärken des anderen bewusst ist, kritisiert ausgewogener.

Viel hängt vom Wie ab

Viel hängt dabei vom Wie ab: "Auch Sprechweise, Stimme und Körpersprache haben Einfluss darauf, was bei dem anderen ankommt", erklärt Müller. "Am besten formuliert man Ich-Botschaften." Also nicht: "Du hast dich total daneben benommen." Sondern: "Ich habe mich geärgert, als Du so laut geworden bist." Vorwürfe provozieren Abwehr, Ich-Botschaften helfen anderen, ihr Verhalten zu hinterfragen. Es sei falsch, das Gespräch mit Vorwürfen zu beginnen. Am besten stehe am Anfang eine sachliche Beschreibung, was zu kritisieren ist - so formuliert, dass der andere zustimmen kann. "Dann sollte ich über meine Gefühle sprechen, also zum Beispiel sagen, dass ich wütend bin", rät Müller. Im nächsten Schritt muss dem anderen gezeigt werden, welche Folgen sein Verhalten haben kann. "

Und schließlich gehört zur Kritik auch, eine Erwartung zu formulieren." Die sollte möglichst konkret sein - etwa so: "Ich wünsche mir, dass Sie das nächste Mal vorbereitet in die Sitzung kommen." Müller empfiehlt, das Ergebnis des Gesprächs kurz festzuhalten, zum Beispiel in einer Mail an den Mitarbeiter. Sinnvoll kann sein, ein weiteres Gespräch nach acht Wochen zu vereinbaren und Bilanz zu ziehen: Hat sich etwas gebessert? Falls nicht, warum nicht? Gut für jedes Kritikgespräch ist nach Meike Müllers Erfahrung ein versöhnliches Ende: "Was man als Letztes sagt, wirkt am längsten nach."

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