Humorvolle Konflikt-Lösung:Ein bisschen albern, ein bisschen Frieden

Unzufriedene Kunden sind unangenehm. Noch schlimmer trifft es Naturschützer, die aufgebrachte Bauern besänftigen müssen. In speziellen Seminaren sollen sie lernen, die Sache mit Humor zu nehmen.

Nicole Grün

Biberberater werden gerufen, wenn es Ärger gibt: umgenagte Bäume, gekappte Seerosen, durch Biberdämme überschwemmte Äcker. Sie arbeiten für Institutionen mit so humorfreien Namen wie "Untere Landschaftsbehörde", und sie sind eine gefährdete Spezies. Beschimpft werden sie, bedroht sogar. "Jemand sagte mir: 'Wenn der Biber nicht wegkommt, begegnest du mir nachts besser nicht'", berichtet einer. Im Hoheitsgebiet eines anderen wurden gar zwei Biber vergiftet. Kriegszustand in Biberland. Wem da das Lachen nicht vergeht, ist ein unverbesserlicher Idealist. Oder er hat das Seminar "Humor im Naturschutz" besucht.

Humorvolle Konflikt-Lösung: Nicht jeder Bauer, dessen Bäume ein Biber angeknabbert hat, kann darüber lachen.Naturschützer und Biberberater sollen in Humor-Seminaren lernen, wie sie das ändern können.

Nicht jeder Bauer, dessen Bäume ein Biber angeknabbert hat, kann darüber lachen.Naturschützer und Biberberater sollen in Humor-Seminaren lernen, wie sie das ändern können.

(Foto: Marco Einfeldt)

"Mit dem eigenen Humorprofil schlagfertiger werden und andere mit einem Lächeln überzeugen", wirbt der Flyer des Anbieters. Alle Hoffnungen auf eine humorvolle Zukunft ruhen auf Professor Michael Suda, Leiter des Lehrstuhls für Wald- und Umweltpolitik an der Technischen Universität München und laut Programm "Hochschullehrer mit Humor"; und auf Renate Mayer, der "Assistentin eines Hochschullehrers mit Humor". Seit 2007 bieten die beiden Hobby-Kabarettisten Trainings an, vor allem für Dozenten, die für mehr Heiterkeit in den Hörsälen sorgen sollen. Aber auch Naturschützer scheinen Humor bitter nötig zu haben, denn der Kurs war schon ausgebucht, bevor er überhaupt im Programm stand.

Gespannte Stille im Seminarraum im oberbayerischen Laufen. Suda und Mayer stecken eine rote Clownsnase auf einen Kugelschreiber und interviewen die Seminarteilnehmer mit dieser Mikrofonattrappe. Nicht jeder findet das lustig. Manche versuchen, besonders originelle Antworten zu geben, was nicht immer gelingt. Gelacht wird trotzdem.

Vor die Gruppe treten und sich gegenseitig vorstellen - mancher fühlt sich in die Schulzeit zurückversetzt und hat Lampenfieber wie vor einem Referat. Aber dann erfährt man viel über die zehn Teilnehmer. Da ist die Diplom-Chemikerin, die jetzt Kreisvorsitzende beim Bund Naturschutz ist. Es gibt Beamte bei Naturschutzbehörden und Rentner, die als Naturschutzwächter und Biberberater arbeiten. Und alle haben Probleme mit bibergeschädigten Bauern, uneinsichtigen Hundebesitzern oder Reitern, die querfeldein galoppieren. "Am schlimmsten sind reitende Juristen, die drohen sofort mit Klagen", erzählt einer. "Das sind Amtsschimmel oder Paragraphenreiter", wirft Renate Mayer ein. Alle lachen. So einfach ist das mit dem Humor.

Aber kann man Humor wirklich lernen? Zuerst die Theorie. Suda und Mayer verkleiden sich als Clowns und verpacken Wissenswertes in ein Kabarettstück. Man erfährt, dass Lachen die Verdauung fördert, Schmerzen reduziert und das Immunsystem anregt. Dass die Deutschen täglich sechs Minuten lachen und dass es vor vierzig Jahren noch 18 gewesen seien. Und dass es humorige Urrollen gibt, den Weißclown und den Dummen August. Sie sind so verschieden wie Dick und Doof, wie der strenge Meister und sein tölpelhafter Lehrling oder der Klassenclown, der sich ständig gegen den besserwisserischen Lehrer auflehnt. "Der Weißclown ist der, der die Vorschriften macht. Und der Dumme August stellt die Autorität in Frage", beschreibt Suda.

Wer diskutiert schon gerne mit dem Kasperl?

Humor müsse zur Persönlichkeit passen, daher sei es wichtig, den eigenen Humortyp herauszufinden. Dafür spielt die eine Hälfte Weißclown. Sie sollen ernst schauen, von oben herab. "Der Weißclown ist die Rolle, die man in unserer Gesellschaft immer spielen sollte. Seriös, unantastbar", sagt Suda.

Auf der anderen Seite stehen die Dummen Auguste, tollpatschig, spitzbübisch und nur darauf aus, die Weißclowns zu ärgern. Die Augen funkeln vor Vergnügen, so viel Spaß macht die Rolle des Schelms. Doch als sich alle nach ihrer Persönlichkeit einordnen sollen, sehen sich die meisten als Weißclown. Sie fühlen sich wohler in der Rolle der Respektsperson und zählen eher nicht zu den begnadeten Witzeerzählern. Für sie kommen subtilere Humortechniken in Frage als für die Auguste, die zu jedem Schabernack bereit sind.

Zum Beispiel Wortwitz. Besonders gelungen finden die Teilnehmer den Spruch auf schwäbischen Bussen: "Ulmer Hebammen für mehr Verkehr". Übertreiben soll auch manchmal helfen oder dem Kind in sich eine Chance zu geben. Die gute alte Handpuppe eigne sich gut, um die Stimmung aufzulockern, sagt Suda. Sofort hat man Bilder von Biberberatern im Kopf, die mit Biberpuppe in der Hand vor einer aufgebrachten Bauernschar stehen und Kasperltheater spielen. Sich selbst zum Humorobjekt machen, sei riskant, gibt Suda zu. Und in manchen Konfliktsituationen könne Humor gar zu einer Eskalation führen.

Diese Grenze zu erkennen, ist nicht immer einfach, und darüber, ob die Tipps der Seminarleiter alltagstauglich sind, herrscht geteilte Meinung. Als die Naturschützer selbst eine Alltagsszene vorführen und dabei eine Humortechnik anwenden sollen, sind die Zweifel groß. "Trete ich kasperlhaft auf, werde ich als Gesprächspartner doch nicht ernst genommen", befürchtet einer. Trotzdem bemüht sich jeder. Humor ist harte Arbeit.

In bester Polt-Manier legt ein Teilnehmer einen Biber-Sketch hin und wendet dabei die Technik des Übertreibens an. "Das Ende ist nahe, eine Gefahr schlimmer als der Terrorismus bedroht uns", verkündet er mit Grabesstimme. "Ganze 0,3 Prozent aller Bäume sind ihm zum Opfer gefallen, ganze null Personen hat er umgebracht", fährt er fort und schreibt "böse, irrsinnig, bestialisch, egoistisch, rachsüchtig" an das Flipchart. Von oben nach unten gelesen ergeben die Anfangsbuchstaben das Wort "Biber". Die Biberberater schmunzeln, Ziel erreicht. Aber so was im Alltag bringen?

Ein Teilnehmer, der das Seminar zum zweiten Mal besucht, ist von dessen Nutzen überzeugt. Er hat die Mikrophonattrappe bei einer Biotopbegehung benutzt. Sofort sei die Stimmung in der Gruppe super gewesen, trotz des Sauwetters. Man sieht: Humor lässt sich lernen. Und da ist es ganz gut, dass es ein Seminar wie dieses gibt. Es kann ja nicht jeder von Natur aus so schlagfertig sein wie der Bibermanager, der einmal spöttisch gefragt wurde: "Und Sie vom Naturschutz, sind Sie mit dem Auto da?" Seine Antwort: "Ja, die Hubschrauber kriegen wir erst nächste Woche."

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