Konflikte im Büro:Kollege Fürchterlich

Es ist nicht einfach in den Büros: Vielerorts gehört es zum Alltag, mit schwierigen Arbeitskollegen umgehen zu müssen. Die Kunst dabei ist, nicht ständig in Konflikte zu geraten. Das ist gar nicht so schwierig.

Anne-Ev Ustorf

Andrea Schulau (Name geändert) war immer gern zur Arbeit gegangen. Die promovierte Biologin leitete als Juniorprofessorin eine kleine Forschungsgruppe an einer süddeutschen Universität. Beruflich wähnte sie sich auf dem aufsteigenden Ast. Doch dann trat eine neue Fachschaftsleitung in ihr Leben. Eine ambitionierte Professorin, der die Überlastung schon tiefe Furchen ins Gesicht gegraben hatte.

Andrea Schulau hatte von Anfang an ein ungutes Gefühl. "Leider arbeiteten wir an ähnlichen Themen", erinnert sich Schulau. "Das passte ihr nicht. Also versuchte sie, mein Forschungsprojekt an sich zu reißen. Am schlimmsten war aber, dass sie hinter meinem Rücken gegen mich intrigierte. Ich bekam keine Einladungen mehr zu wichtigen Konferenzen, und sie verschleppte meine Forschungsanträge, bis die Fristen verstrichen waren. Als ich mich wehrte, unterstellte sie mir Paranoia."

Jeder kennt Menschen, bei denen er automatisch in Habachtstellung geht. Die passiv-aggressive Cousine, die bei jedem Familientreffen Schuldgefühle erzeugt; die emotional instabile Nachbarin, die schon beim kleinsten Geräusch an die Decke geht; der zynische Kommilitone, in dessen Gegenwart sich jeder verunsichert fühlt. Viele schwierige Menschen manipulieren Gefühlsleben der anderen so schnell und effektiv, dass man sie mit Samthandschuhen anfasst oder ihnen spontan aus dem Weg geht, um Konflikte zu vermeiden.

Im Privatleben ist es nicht schwer, solche Begegnungen auf ein Minimum herunterzuschrauben. Doch am Arbeitsplatz funktioniert das nicht: Dort müssen Arbeitnehmer täglich mit ungeliebten Kollegen kommunizieren und zusammenarbeiten, schlimmer noch: mitunter ihren Anweisungen folgen. Das kostet Zeit und Nerven.

Eine Studie der KPMG - einem Netzwerk von weltweit tätigen Unternehmensberatern - konnte jüngst belegen, dass Angestellte in Deutschland etwa 15 Prozent ihrer Arbeitszeit mit dem Austragen von Konflikten verbringen, Führungskräfte gar ein Viertel ihres Arbeitstages. Zeit, die konstruktiver verwendet werden könnte, selbst wenn mancher Streit durchaus notwendig und zielführend ist.

Schwierige Kollegen kommen in vielen Variationen daher: Da sind die extremen Narzissten, die andere entwerten, Widersprüche niederbügeln, fremde Erfolge auf die eigene Kappe nehmen. Auseinandersetzungen sind programmiert, es braucht Kraft und Diplomatie, sich gegen ihre Dominanz zur Wehr zu setzen. Da sind die intriganten Manipulierer, die stets auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und für den nächsten Karriereschritt gezielt den Chef bearbeiten.

Da sind die feindseligen Zyniker, die ihre Jobs hassen und innerlich längst resigniert haben. Mit ihnen wird die Projektarbeit zur Qual, denn sie entwerten jeden konstruktiven Vorschlag. Bisweilen leiden diese sozial wenig angepassten Kollegen an Persönlichkeitsstörungen, die es ihnen schwer machen, sensibel mit anderen Menschen umzugehen oder sich flexibel an Situationen anzupassen. Als Gegenüber ist es schwierig, sich sachlich mit ihnen auseinanderzusetzen, denn ihre Stimmungen oder Überempfindlichkeiten sind kaum nachzuvollziehen.

Größtmögliche Distanz wahren

Und dann gibt es noch die Soziopathen, zu deren Hauptmerkmalen oberflächlicher Charme, Verantwortungslosigkeit, Unehrlichkeit und Gewissenlosigkeit gehören. Eigenschaften, die in Unternehmen bisweilen geschätzt werden. Wissenschaftler um den kanadischen Psychologen Robert D. Hare untersuchten 203 Führungskräfte aus sieben amerikanischen Konzernen und fanden heraus, dass mehr als sechs Prozent der untersuchten Personalverantwortlichen die Merkmale von Soziopathen besaßen. In der Allgemeinbevölkerung trifft das nur auf ein Prozent zu. Risikobereitschaft und Gewissenlosigkeit bescherten den Managern in großen Unternehmen anscheinend Erfolg - zumindest zeitweise. Denn häufig folgte irgendwann der berufliche Absturz.

Schwierige Mitarbeiter gibt es in jedem größeren Unternehmen - und damit Potenzial für zwischenmenschliche Konflikte. Doch wie kann die Kommunikation mit Problemkollegen so gestaltet werden, dass nervenaufreibende Streitereien weitestgehend vermieden werden? Die erste Regel lautet: Wer mit schwierigen Menschen zusammenarbeitet, sollte größtmögliche Distanz wahren. Zu Problemkollegen sollten Arbeitnehmer keine außerberuflichen Kontakte pflegen und ihnen auf keinen Fall Einblicke in ihr Privatleben gewähren. Denn diese könnten später durchaus dazu benutzt werden, Druck auszuüben oder unerwünschte Vertraulichkeit zu schaffen.

Zweitens sollte man sich darum bemühen, die Begegnungen mit schwierigen Kollegen so kurz wie möglich zu halten. Nörgelt der Zyniker wiederholt über die Sinnlosigkeit des neuen Projekts, könnte die passende Antwort lauten: "Ich erlebe das ganz anders." Innere Bestrebungen, den Kollegen eines Besseren zu belehren oder gar ihn ändern zu wollen, schüren neue Konflikte.

Manchmal allerdings ist es unabdingbar, konfliktgeladene Themen mit schwierigen Kollegen zu besprechen. Dabei hilft ein knapper und sachlicher Gesprächsstil. Um nicht zur Zielscheibe von Angriffen oder Kommentaren zu werden, kann es außerdem sinnvoll sein, die Aufmerksamkeit von der eigenen Person ab- und stattdessen auf das Gegenüber zu lenken. Das ist allerdings nicht immer möglich. Steht etwa ein Gespräch mit dem narzisstischen Chef an, der es sich zur Gewohnheit gemacht hat, seinen Mitarbeiter bei Meetings öffentlich herunterzuputzen, muss der Arbeitnehmer natürlich seine Position darlegen.

"So ein Gespräch sollten Sie immer unter vier Augen und immer hinter geschlossenen Türen führen", erklärt die Ärztin Susan Biali, die Arbeitnehmer im Umgang mit schwierigen Vorgesetzten und Kollegen coacht. "Ganz ruhig sollten Sie Ihrem Chef klarmachen, dass sein Benehmen inakzeptabel ist und es für Ihre Arbeit unabdingbar ist, öffentlich seine Rückendeckung zu erhalten. Verbunden mit der Aufforderung, künftige Schwierigkeiten gemeinsam hinter geschlossenen Türen zu besprechen."

Doch nicht immer fruchtet ein klärendes Gespräch. Gerade bei manipulierenden Vorgesetzten mit soziopathischen Zügen helfen keine Diskussionen und auch keine Machtspiele. Ihre Gewissenlosigkeit lässt sie perfide Ausgrenzungsstrategien benützen, gegen die emotional durchschnittlich strukturierte Menschen mit einigermaßen intakten Moralvorstellungen kaum Chancen haben. Da empfiehlt es sich vielmehr, die Firma zu verlassen.

Auch Andrea Schulau gab auf. Nach dem Abschluss ihres Projektes wechselte sie auf eine Forschungsstelle an einer norddeutschen Universität. Letztlich keine schlechte Entscheidung; heute ist sie dort selbst Professorin.

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