Kolumne "Was ich am Job hasse":Wischen statt denken

Kolumne "Was ich am Job hasse": Auch ein Smartphone-Nutzer kann eine festgefahrene Diskussion voranbringen, wenn er die fehlende Information mit ein paar Klicks herbeigoogelt. Also etwa einmal im Vierteljahr.

Auch ein Smartphone-Nutzer kann eine festgefahrene Diskussion voranbringen, wenn er die fehlende Information mit ein paar Klicks herbeigoogelt. Also etwa einmal im Vierteljahr.

(Foto: Illustration Jessy Asmus für SZ.de)

Früher waren Konferenzen dazu da, um mehr oder weniger Wichtiges zu diskutieren. Jetzt spricht einer, der unhöfliche Rest lässt sich vom Smartphone hypnotisieren.

Kolumne von Katja Schnitzler

Oberflächlich betrachtet läuft die Konferenz perfekt, findet der Chef. Konzentriert, beinahe andächtig sind die Köpfe der Teilnehmer gesenkt, während er über die Herausforderungen des nächsten Halbjahres informiert. Zwei Kollegen hängen ihm sogar schier an den Lippen (er hat die große Wanduhr hinter seinem Kopf vergessen). Zur Belohnung streut der Chef ein Witzchen ein, die beiden lächeln pflichtschuldig. Dass Kollege T. am anderen Ende des Konferenzraumes erst eine Minute später losprustet, irritiert den Chef nur kurz. Hat offenbar mal wieder eine etwas längere Leitung, der T.

Der schöne Schein endet an der Tischkante. Ein tiefergehender Blick macht klar: Das Team ist nicht mit leeren Händen in die Konferenz gekommen. Die gedimmten Bildschirme der Smartphones erhellen die Tischplatte von unten. Kollegin S. chattet in drei Whatsapp-Gruppen - Familie, Volleyball und BFAZ (beste Freundin aller Zeiten), ihr Feierabend könnte anstrengend werden.

Kollege G. vergeudet seine Arbeitszeit nicht mit Privatsachen oder Konferenzen: Er tippt Geschäftsmails und wird später pünktlich das Büro verlassen. Und Kollege T. amüsiert sich über Posts Gleichgesinnter. "Schau mal, den ...", flüstert er und zeigt mir grinsend seinen Bildschirm: Stell dir vor, es ist Konferenz, und keiner geht hin. Kollege T., das schlichte Gemüt, kichert schon wieder los.

Ich stelle mir vor, es wäre Konferenz und an der Tür hinge ein Schild: Wir müssen leider draußen bleiben, mit durchgestrichenen Smartphones.

SUMMMRRR - Moment ich schau mal kurz ...

Auch ein Smartphone-Nutzer kann eine festgefahrene Diskussion voranbringen, wenn er die fehlende Information mit ein paar Klicks herbeigoogelt. Also etwa einmal im Vierteljahr. Ansonsten hindern die kleinen Aufmerksamkeits-Staubsauger am konstruktiven Mitdenken: Höchstens Beitragsbröckchen werden eingeworfen, um sich dann wieder dem Rest der Welt da draußen zu widmen. Wenn überhaupt jemand etwas sagt.

Dabei könnten Konferenzen mehr sein als Zeiträuber, die stets länger dauern als gedacht. Wir könnten tatsächlich über die Aufgaben der kommenden Monate debattieren, die Schwerpunkte des Chefs in Frage stellen und damit unsere künftige Arbeit interessanter ... SUMMMRRR. Moment, mein Smartphone vibriert, ich schau mal kurz ...

Langsam schwindet auch die Zufriedenheit des Chefs. Schon zweimal hat er gefragt, ob es Einwände zu den Halbjahreszielen gebe? Anmerkungen? Verbesserungsvorschläge? Lob? Ob sich vielleicht jemand räuspern wolle? Die Köpfe bleiben gesenkt, die Mienen unbewegt. Nur Kollege T. gluckst vor sich hin.

"Hast du plötzlich auch so Hunger?", flüstert Kollege T.

"Wenn das so ist ...", sagt der Chef nun so misstrauisch wie genervt, "werden wir uns in den kommenden Monaten von ..." - er überlegt angestrengt - "Gurken und Paprika abwenden." Die beiden Ziffernblattstarrer wechseln einen irritierten Blick, aber nur sie. "Unser nächstes Ziel", fährt der Chef fort, "heißt ... tierisches Eiweiß! Das hat Priorität, höchste Priorität." Kollege G. blickt auf. Irgendetwas ist anders, der Chef klingt so aufgeregt. Enthusiasmiert, wie G. sagen würde.

Der Chef lässt seinen Blick streng kreisen und lehnt sich nach vorne: "Ich fordere von euch ... Eier! Wir brauchen Eier!" Die Runde wird unruhig, aber nicht zu sehr. Die Smartphones leuchten hypnotisch. "Wenn also niemand Einwände hat", knurrt der Chef zornig, "arbeitet ihr künftig auch samstags!" Schweigen. Die paralysierten Ziffernblattstarrer kneifen sich, offenbar sind sie im falschen Film. Der Chef zischt leise, aber umso wütender: "Und sonntags! Will jetzt vielleicht jemand was sagen?"

Doch nur Kollege T. ergreift das Wort, aber nicht des Widerspruchs: "Hast du plötzlich auch so Hunger?", flüstert er und tippt auf den Bildschirm. "Ich schau gleich mal, was es heute in der Kantine gibt."

Der Chef bricht über einem Blatt Papier zusammen. Mit zittriger Hand greift er zum Stift. Will er spontan kündigen, selbst oder allen anderen? Wenn ich richtig gesehen habe, zeichnet er ein Verbotsschild. Darin ein Smartphone.

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