Kinderbetreuung:Millionen, die keiner will

Es war so schön geplant: Mit bis zu 150 Millionen Euro sollten Kinderkrippen in deutschen Unternehmen gefördert werden. Doch nun wird das Familienministerium das Geld nicht los.

Felix Berth

Es war so schön geplant: Mit bis zu 150 Millionen Euro sollten Kinderkrippen in deutschen Unternehmen gefördert werden. Damit könne man 15.000 Betreuungsplätze für Kleinkinder schaffen, hatte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) im Oktober 2006 angekündigt. Das Geld sollte zur Hälfte von den Firmen, zur Hälfte vom Europäischen Sozialfonds kommen. Stolz präsentierte die Ministerin die Erklärung "Deutschland braucht eine familienbewusste Arbeitswelt", die auch Chefs großer Verbände und Unternehmen unterzeichnet hatten. "Ein wichtiger Tag für Familien", lobte Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Kita, dpa

Kinderbetreuung: Bis ein Unternehmen eine Krippe tatsächlich baut, vergehen in der Praxis Monate, manchmal Jahre.

(Foto: Foto: dpa)

Zwei Jahre später zeigt sich, dass das "Förderprogramm betriebliche Kinderbetreuung" nicht funktioniert. Bisher haben gerade einmal 13Unternehmen staatliche Mittel erhalten. Damit wurden, wie das Familienministerium nun einräumen muss, nur 188neue Plätze geschaffen. Von der Leyens Behörde wird das viele Geld nicht los: Zugesagt sind bislang nur 2,2Millionen Euro, heißt es in der Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der FDP-Abgeordneten Ina Lenke. "Das Programm, das eine gute Idee verfolgt hat, ist gescheitert", kritisiert Lenke.

Es läuft nur schleppend

Dass das Programm schlecht läuft, ahnte man auch im Familienministerium. Bald nach dem offiziellen Start im Februar 2008 lockerte man die Kriterien - neuerdings dürfen auch Hochschulen und Großbetriebe, die anfangs ausgeschlossen waren, die Subventionen beantragen. Trotzdem läuft es schleppend. Auf den Schreibtischen der Sachbearbeiter im Familienministerium liegen derzeit nur sieben weitere Anträge; damit würden "voraussichtlich 87 neue Plätze entstehen", so das Ministerium.

Nun hofft man in der Behörde, dass die Startschwierigkeiten an den langwierigen Entscheidungsprozessen in Firmen liegen: Bis ein Unternehmen eine Krippe tatsächlich baut, vergehen in der Praxis Monate, manchmal Jahre. Doch das Programm ist nicht entsprechend langfristig angelegt: Das Geld aus dem Europäischen Sozialfonds fließt nur bis zum Jahr 2011. Gehen die Anträge weiterhin in maßvollem Tempo beim Ministerium ein, dürften wohl insgesamt nur ein paar hundert, höchstens wenige tausend Betreuungsplätze gefördert werden.

Das Scheitern des ambitionierten Projekts ist nur zu einem kleinen Teil den Unternehmen anzulasten. Immerhin haben sich mehr als tausend Firmen beim Ministerium erkundigt - Interesse scheint demnach vorhanden zu sein. Doch das Programm ist so ungeschickt konzipiert, dass es viele Betriebe fast automatisch ausschließt. Ursache dafür sind die Förderrichtlinien, die das Familienministerium gemeinsam mit Brüsseler EU-Beamten erstellt hat.

Verzicht auf Mittel aus Berlin

Demnach gibt es pro Krippenplatz maximal 12.000 Euro, verteilt auf zwei Jahre - falls der Platz "nicht durch andere öffentliche Mittel gefördert" wird. Genau das tun viele Bundesländer wie Bayern oder Hamburg, die längst Betriebs-Kitas unterstützen. Also muss sich jedes Unternehmen entscheiden: Nimmt es Geld vom Land oder vom Bund? Weil die Landes-Zuschüsse dauerhaft und manchmal sogar höher sind, verzichten Firmen oft auf die Mittel aus Berlin.

Wie das Familienministerium einräumt, können die vorgesehenen 50 Millionen Euro aus Brüssel nicht anderweitig ausgegeben werden: Werden sie nicht abgerufen, "würden sie an die Europäische Kommission zurückfließen". Für die Kinderbetreuung in Deutschland wäre das Geld verloren.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: