Kassiererin Emmely:Die Wucht des Gesetzes

Es ging bloß um zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro - doch die beschäftigen die Gerichte seit Monaten: Heute wird erneut darüber verhandelt, ob die Kündigung der Berliner Kassiererin Emmely rechtens war.

Es ging bloß um zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro, doch die Welle der Empörung war riesig: Nachdem das Landgericht Berlin im Februar die Kündigung der 50-jährigen Supermarkt-Kassiererin Barbara E. Bestätigt hatte, gab es Aufregung bis hinein in die Talkshows und die höchsten Etagen der Parteizentralen.

Kassiererin Emmely: Barbara E. alias Emmely: Lehnen die Richter eine Revision ab, hat die Berlinerin einen weiteren Kampf gegen ihre Kündigung verloren.

Barbara E. alias Emmely: Lehnen die Richter eine Revision ab, hat die Berlinerin einen weiteren Kampf gegen ihre Kündigung verloren.

(Foto: Foto: ddp)

Am heutigen Dienstag beschäftigt sich das Bundesarbeitsgericht in Erfurt mit dem Fall. Lehnen die Richter eine Revision ab, hat die Berlinerin, die unter dem Namen "Emmely" bundesweit bekannt wurde, einen weiteren Kampf gegen ihre Kündigung verloren.

Landgericht sieht Widersprüche

Die altgediente Supermarkt-Kassiererin aus Berlin-Hohenschönhausen war wegen der angeblichen Unterschlagung von 1,30 Euro aus Pfandbons von ihrem Arbeitgeber Kaiser's Tengelmann gekündigt worden. Sie habe die Bons im Wert von 48 und 82 Cent, die ein Kunde im Supermarkt verloren hatte, mit einem privaten Einkauf verrechnet und so das in sie gesetzte Vertrauen zerstört, hatte der Arbeitgeber argumentiert.

Die dreifache Mutter, seit 31 Jahren als Verkäuferin und Kassiererin tätig, bestreitet die Unterschlagung, verwickelte sich aber nach Ansicht des Landgerichts Berlin in Widersprüche. Das erklärte die Kündigung für rechtens und ließ eine Revision ausdrücklich nicht zu.

"Das ist ein barbarisches Urteil von asozialer Qualität", hatte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse in einer ersten Reaktion erklärt. Später bedauerte die Schärfe seiner Urteilsschelte, betonte aber, er empfinde das Urteil als unverhältnismäßig: "Das muss einen normalen, sozial empfindenden Menschen empören."

Engagierte Gewerkschafterin

Dagegen betonte der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Hartmut Kilger, Unterschlagung sei keine Nichtigkeit. Es sei durchaus sachgerecht, zwischen dem Wert der Sache und dem Vertrauensbruch zu unterscheiden.

Der DGB kritisierte, dass eine normale Arbeitnehmerin die volle Wucht des Gesetzes treffe, während sich Topmanager in ihren Arbeitsverträgen dagegen absicherten, für Missmanagement oder gar Konkurs haftbar gemacht zu werden.

Ein Komitee "Solidarität mit Emmely" aus Gewerkschaftern und politischen Gruppierungen rief zu Protestaktionen und Kaufboykotten auf. Ihre Vermutung: Mit der Maßnahme sollte eine engagierte Gewerkschafterin kalt gestellt werden. Ende 2007 hatte "Emmely" als angeblich letzte Kollegin ihrer Filiale an einem Streik im Einzelhandel teilgenommen.

"Emmely" selbst kündigte an, mit ihrem Rechtsanwalt Beschwerde einzulegen und notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen. "Ich hab' das angefangen, und das beende ich jetzt auch", sagte die Frau. Bei Kaiser's kaufe sie "schon lange nicht mehr".

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